Archiv der Kategorie: Viveka Chudamani

Vedanta im Alltag

Wir kommen zum letzten Teil dieses Seminars, dieser Weiterbildung, der Beschäftigung mit dem Viveka-Chudamani und da ist es noch mal besonders wichtig, dass ihr euch vergegenwärtigt, dass das Studium dieser Schrift und die Behandlung mit diesen großartigen Weisheiten etwas Wichtiges ist. Es mag zwischendurch etwas theoretisch klingen und man mag überlegen manchmal, „Was hat das mit meinem praktischen Leben zu tun?“, aber es hat sehr viel mit dem praktischen Leben zu tun, es hat sehr viel mit dem Alltag zu tun, es hilft uns nämlich, das zu erkennen, was tatsächlich wichtig ist. Auf gewisse Weise ist Jnana Yoga nicht der Aufregendste alle Wege. Es gibt keine Farben der Chakras, es gibt nicht ständig irgendwas Neues und angenommen, ich hätte euch jetzt während dieser Woche mit Sanskrit-Worten bombardiert und euch alles über Jahad Lakshana, Jahad-Ajahad Lakshana und Bhagatyaga Lakshana und die 22 Nyayas und noch mal alle Wiederholungen aller 5 Koshas, wäre sehr theoretisch gewesen. Obgleich ich das vielleicht auch irgendwann mal mache. Aber nicht umsonst habe ich am Anfang relativ viel interpretiert über dieses Mumukshutwa und das gilt es sich wieder bewusst zu machen. Mumukshutwa, der intensive Wunsch nach Befreiung. Manchmal kommen dann natürlich auch verschiedene Prüfungen auf dem Weg. Am Anfang sagt man, „Ja, ich will die Befreiung erreichen.“, aber wehe, es gab nicht genügend Kartoffeln. „Ich bin eins mit dem Unendlichen. Ich bin nicht dieser Körper, nicht diese Gedanken.“ aber wehe, jemand hat mich schräg angeschaut. Man kann ruhig sich ärgern, man kann ruhig schlechter Laune sein, alles o.k. Vom Jnana-Yoga-Standpunkt aus ist das letztlich unerheblich. Auch – erinnert euch – es gibt die Shatsampat 1. Grades und 2. Grades. 1. Grades wäre diese Gleichmut, man wird gar nicht mehr berührt davon. Shatsampat höheren Grades oder einfacheren Grades, könnte man auch sagen, ist, man hat ruhig auch Emotionen, aber man identifiziert sich nicht damit. Denn letztlich sind auch die Emotionen nicht unsere eigenen Emotionen, die laufen irgendwo ab. Geärgert haben sich schon so viele andere Menschen. Glaubt ihr das? Oder glaubt ihr, dass euer persönlicher Ärger der einzige ist in diesem Universum? Mindestens ist er der schlimmste oder der besonderste, oder? Oder, dass euer Wunsch nach irgend etwas so besonders ist? Letztlich laufen kosmische Geschehen in jedem einzelnen ab. Das ist so ähnlich, angenommen, ihr fahrt mit dem Zug von hier nach Kassel-Wilhelmshöhe und dann schaut man dort raus und man sieht, wie wunderschön die Landschaft ist und aus jedem Fenster guckt jemand anderes raus und sieht die gleiche Landschaft. Ist das jetzt meine persönliche Erfahrung? Wie viel Millionen Fahrgäste haben schon die schöne Landschaft dort gesehen. Letztlich läuft Erfahrung ab, aber wir sind nicht diese Erfahrung. Und wenn ihr jetzt die Intensität von Mumukshutwa und die Intensität des Wunsches, die Wahrheit zu erfahren, weiter steigert, dann kann es noch die nächsten Tage besonders tief werden und kann besonders viel bedeuten.

105. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

Der Jivanmukta, der Erleuchtete, der Heilige

Und so ist die Erfahrung eines Jivanmuktas, der Jivanmukti erreicht hat. Nirvikalpa Samadhi führt zu Jivanmukti, also lebendige Befreiung. Der lebendig Befreite ist weiter im luziden Traumbewusstsein. Er weiß, dass die Welt, wie er sie wahrnimmt, eine Traumwelt ist, er weiß aber auch, „Ich bin das unsterbliche Selbst. Alle anderen sind auch das unsterbliche Selbst und hinter allen steckt nur Brahman.“ Er kann dort jederzeit rausgehen und in Nirvikalpa Samadhi verharren, er kann aber auch jederzeit wieder in diese Traumwelt hineingehen als Jivanmukta. Dann ist manchmal die Frage, sollte man allen im Traum nicht helfen, aufzuwachen? Könnt ihr mal selbst überlegen. Wenn ihr das nächste Mal träumt und aufgewacht seid, könnt ihr überlegen, „Will ich jetzt aufgewacht bleiben oder noch mal probieren, in meinen Traum heute Nacht hineinzukommen, um dann jedem im Traum zu erzählen, wach doch auf. Und erst, wenn alle in meinem Traum, alle zehn Milliarden Menschen, von denen ich im Traum geträumt hatte, aufgewacht sind, dann komme ich ins normale Leben zurück.“ Dann wärt ihr eine Weile beschäftigt. Glücklicherweise in unserem Traum ist so was gar nicht möglich, das Wachbewusstsein wird uns aus dem Traum irgendwann herausholen. Und so gibt es jenseits der Traumwelt, der Wachtraumwelt, gibt es Brahman, das Unendliche und das Ewige. Und es gilt, dass wir, solange wir im Traum sind, uns dessen bewusst sind, dass wir im Traum sind, dass alles eine Manifestation von Brahman ist, dass jeder, mit dem wir zu tun haben, nichts anderes ist als eine andere Traumgestalt, dass wir aber im Tiefsten eins sind mit dem anderen. So wie ein Traum für den Wachen, für den Menschen aus dem Wachzustand, irgendeine Bedeutung hat, die aber der Traummensch nicht verstehen kann. Die moderne Psychologie gibt ja viele Gründe, weshalb es gut ist, dass man träumt und weshalb es wichtig ist, dass man träumt. Aber die Traumgestalt weiß nicht, warum der, der träumt, träumt, aber er erfüllt seinen Part. So ähnlich, in dieser Wachwelt wissen wir auch nicht Hundertprozent, warum diese Welt so ist und was unsere Aufgaben sind. Wir leben unser Leben in dieser Traumwelt, führen es so gut, wie wir können, aber lassen ganz – letztlich auch irgendwie – los und können das Ganze etwas entspannter angehen. Aber es gilt, unseren Part zu spielen, es gilt, ihn richtig zu spielen, es gilt, uns der Einheit von allen bewusst zu werden, bewusst zu werden, dass wir eins sind mit jedem, mit dem wir es zu tun haben, dem angenehmsten Zeitgenossen und dem unangenehmsten und es gilt auch letztlich, aufzuwachen. Das unterscheidet vielleicht den Wachzustand vom Traumzustand. Aus dem Traumzustand wacht man von selbst auf, aus diesem Wachzustand nicht ganz so. Wir können zwar auch im Traumzustand etwas dafür tun, um aufzuwachen. Wenn man irgendwie eine Ahnung hat, dass man träumt, dann kann es einem im Traum gelingen, aus dem Traum auch herauszukommen. Auch die Erfahrung hatte ich so ab und zu mal gemacht, wo irgendwo ein unangenehmer Traum ist, aber irgendwo weiß ich, „Das kann nicht richtig sein, das ist ein Traum und jetzt wache ich auf.“, dann gelingt es tatsächlich auch, aufzuwachen. Aber meistens wacht man ja einfach so auf. Und so ist es hier. Wenn wir uns bewusst werden, „Ich träume, ich will aufwachen.“ dann können wir uns bemühen, aufzuwachen und wenn die Zeit reif ist, wachen wir auch tatsächlich auf.

104. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

Die Welt als Traum Gottes

Aber was ist das einzig Wirkliche hinter dem ganzen Universum des Traumes? Das einzig Wirkliche ist Brahman. Hinter der ganzen Traumwelt ist aber auch irgendwo eine Intelligenz, so eigenartig sie sich verhält, dennoch, irgendwo hängt es doch zusammen. Und so gibt es im Traum, kann man sagen, Ishwara, Gott, die Schöpferkraft des Traumes. Denn, wenn wir subjektiv im Traum drin sind, dann können wir ja die Welt nicht beeinflussen, sie läuft aber trotzdem ab. Man kann sagen, unser Wachbewusstsein manifestiert sich als Schöpfer-, Erhalter- und Zerstörungskraft im Traum, ist so etwas wie Ishwara dort. Dadurch entsteht eine Welt, die irgendwo auch nach Gesetzmäßigkeiten abläuft. Ich bin die gleiche Person, wie in allen Einzelseelen. Aber wann wissen wir überhaupt, dass wir geträumt haben? Wir wissen es dann, wenn wir aufwachen. Wenn wir aufgewacht sind, dann wissen wir, „Ich habe nur geträumt.“ Und so ähnlich, Hundertprozent sind wir, dass wir geträumt haben, dass wir jetzt, in diesem Moment, Wachbewusstsein träumen, wann sind wir dort Hundertprozent sicher? Wenn wir aus diesem Wachbewusstsein aufwachen. Und wie nennt sich dieses Aufwachen aus dem Wachbewusstsein? Nirwikalpa Samadhi oder wahres Jnana, wahres Wissen. Bis dahin können wir in dieser Analogie denken. Wir können uns bewusst machen, die ganze Welt, so wie sie ist, besteht letztlich aus Bewusstsein. Dieses Bewusstsein manifestiert sich scheinbar in Elektronen, Neutronen und Protonen, Energien, physische Energien und astrale Energien und dann gibt es einen subjektiven Geist und der schafft aus diesem noch mal ein eigenes kleines Universum und andere schaffen ihr Universum und dann kann man auch miteinander kommunizieren, aber alle Universen zusammen unterliegen irgendwo auch einer bestimmten Gesetzmäßigkeit und hinter dem ganzen manifesten, physischen Universums des Wachbewusstseins gibt es auch eine göttliche Kraft, die kann man Ishwara, Gott, nennen oder wie auch immer wir sie nennen wollen. Aber all das ist nur eine Manifestation von Brahman. Jetzt gibt es noch etwas, was man in der modernen Traumkunde weiß, das nennt sich luzides Traumbewusstsein. Luzides Traumbewusstsein heißt, man weiß, dass man träumt und träumt trotzdem weiter. So kann einem das Träumen interessante Erfahrungen schenken und wenn man weiß, dass man träumt, dann kann man auch den Traum ein bisschen verändern. Manche von euch kennen das vielleicht, dass man vielleicht morgens aufwacht und es ist doch sehr früh und denkt, „Anstatt dass ich die Zeit jetzt gleich nutze, die zusätzliche Stunde für eine zusätzliche Stunde Pranayama, will ich jetzt einfach noch mal so ein bisschen vor mich hindösen, auch, wenn ich ganz wach bin. Und dann in diesem Hindöszustand kann es einem passieren, dass man dann in so einen leichten Traumzustand abgleitet, aber man weiß, dass man träumt und dann kann man diesen Traumzustand auch so beeinflussen, wie man ihn gerne hätte. Oder wenn man aus einem unangenehmen Traum so halb aufgewacht ist, kann man den unangenehmen Traum noch schön zu Ende führen. Also, wenn man weiß, dass man träumt, dann kann man ein bisschen amüsierter den Traum anschauen. Man kann auf den Traum ein bisschen Einfluss nehmen. Man kann noch mal schauen, ob man die Traumwelt ein bisschen verändern kann. Oder man kann aus dem Traum rausgehen.

Teil 103 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Vedanta Frage: Ist die Welt mehr als ein Traum?

Und wir können noch einen Schritt weitergehen und das ist Traum, eine der im Jnana Yoga meistbenutzten Analogien. Angenommen, wir würden jetzt träumen. Wir würden jetzt träumen, wir sind im Haus Yoga Vidya bei einem Seminar, „Viveka-Chudamani“. Jetzt Preisfrage, woher wüssten wir, dass wir träumen und dass es nicht wirklich ist? Also, im Traum weiß ich nicht, dass ich träume. Wenn wir träumen, denken wir, dass es eine Wirklichkeit ist. Ich spreche jetzt von dem „echten“ Traum. Es gibt natürlich auch Träume, dann weiß man, dass man träumt. Die ganze Sache erscheint einem so ein bisschen verdächtig und so weiß man, das ist irgendwo nicht so richtig. Aber im „echten“ Traum, dort wissen wir nicht, dass wir träumen und es erscheint alles als Wirklichkeit. Ich bin einer der jetzt in dem so genannten Wachzustand so öfters mal auch überlegt, „Wache oder träume ich? Ist die Welt wirklich oder ist sie unwirklich?“ Und mir erscheint öfters das Ganze so wie ein ablaufender Traum und dann löse ich mich mal so ein bisschen davon und richte meinen Geist auf das, was hinter diesem ablaufenden Traum ist. Und es passiert mir dann auch öfters im Traum, dass ich überlege, „Ist das jetzt wirklich oder unwirklich?“ und manchmal frage ich mich im Traum, „Träume ich oder bin ich wach?“ Und paradoxerweise komme ich dann im Traum fast immer zum Schluss, „Ich bin wach.“ Und manchmal im Traum geschehen Dinge, die irgendwie komisch sind. Manchmal im Traum, wenn ich dann Asanas übe, bin ich dann flexibler als Narayani und manchmal wundere ich mich dort, warum ich jetzt heute wieder so viel flexibler bin. Da ist zum Teil noch die Erinnerung an den Wachzustand, aber dann ist Traum und dann überprüfe ich und gucke, „Kann das überhaupt sein?“ und stelle dann fest, „Ja, ist tatsächlich so.“ Oder manchmal in der Meditation, wo ich dann sitze, plötzlich habe ich das Gefühl, ich hebe ein bisschen ab und dann überlege ich, „Kann das überhaupt sein oder ist es im Traum?“, aber irgendwo ansonsten erscheint alles ganz normal. Oder auch im Traum habe ich manchmal schöne Meditationserfahrungen und manchmal auch keine schönen Meditationserfahrungen, manchmal sind Dinge schön, manchmal nicht so schön. Manchmal unterrichte ich auch Yogastunden im Traum. Und immer dann, wenn ich zum Schluss komme, „Träume ich jetzt oder kann das so sein?“ und dann zu dem Schluss komme, „Ja, es ist anscheinend doch wirklich.“, dann wache ich kurz danach auf. So ein bisschen wie, das Schicksal sagt mir, „Siehste, so kannst du dich täuschen.“ Jetzt angenommen, wir würden jetzt träumen und wir würden uns mit anderen Menschen unterhalten. Würden die jetzt individuelles Bewusstsein haben oder nicht haben? Also, wenn ihr mit anderen Menschen im Traum sprecht, wie verhalten die sich? „Normal“ Was ist normal? Also, sie verhalten sich wie im Wachzustand. Also, alle Personen in eurem Traum, was sind die eigentlich? Manifestationen eures Geistes. Unterbewusstsein schafft die Kreaturen des Traumes. Und das Interessante ist, euer Unterbewusstsein schafft diese Traumwelt, schafft die ganzen Einzelseelen der Traumwelt, schafft die ganzen Naturgesetze, schafft die Welt. Wie alt ist übrigens die Welt des Traumes? Ich muss immer lachen, wenn Menschen sagen, „Ich habe in 10 Minuten mehrere Tage geträumt.“ Ist das richtig? Angenommen, ihr träumt, dann träumt ihr ein Universum und wie alt ist dieses Universum? Milliarden und Abermillarden Jahre, vielleicht sogar ewig. Im Moment, wo ihr im Traum seid, ist es ja nicht so, dass ihr euch erinnert, „Vor drei Tagen gab es nichts, vor drei Tagen ist das Universum plötzlich gekommen und da waren wir so und so.“, sondern sowie man im Traum ist, kann man sich ja auch an die Vergangenheit erinnern, aber nicht nur an die Vergangenheit erinnern. Angenommen, ihr wärt ein Physiker im Traum, ist sogar möglich, dass die Traumwelt anderen physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgt wie die Wachwelt und ihr könnt sogar dann vielleicht im Traum als Geophysiker oder Astrophysiker ein Alter der Welt bestimmen. Also, wir schaffen die gesamte Welt, Jagad. Wir schaffen die Einzelseelen, die sich wie Einzelseelen verhalten, mit psychischen Störungen und allem. All das können wir schaffen. Und dann schaffen wir noch dazu einen, mit dem wir uns typischerweise identifizieren. Manchmal gibt es vielleicht auch Träume, wo man irgendwo so eine Art Landschaftsbilder, wo man die Beobachterperspektive hat, aber meistens im Traum identifiziert man sich mit einer Traumgestalt und sagt, „Ich bin diese Person.“ Relativ häufig mag sie sogar ähnlich aussehen, wie im Wachbewusstsein, aber nicht immer. Wer von euch hat schon mal geträumt und da war er jemand, der doch ein gutes Stück anders ausgesehen hat als im Wachzustand? Gar nicht mal so viel. Die meisten scheinen sich im Traumzustand ähnlich zu sehen, wie im Wachzustand oder können sich nicht mehr so ganz daran erinnern. Aber es gibt die Möglichkeit, dass man im Traumzustand jemand ganz anderes ist. Jetzt sagen die Yogis, die Wachwelt ist letztlich nur ein Traum. Und hier können wir auch die ganzen Jnana-Yoga-Ausdrücke finden. Eine einzige Wirklichkeit hinter der ganzen Welt, Brahman, das Bewusstsein an sich. Atman ist dann die Seele, die sich manifestiert als Jiva. Man fühlt sich im Traum als Individuum. Man hat verschiedene Upadhis, ein Aussehen usw., mit dem man sich identifiziert. Es gibt im Traum ein Jagad, ein Universum. Und in diesem Universum gibt es dann verschiedene Dichtigkeitsstufen, physisches, astrales, kausales Universum. Es gibt verschiedene Einzelseelen, mit denen wir kommunizieren.

Teil 102 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Die Zeit ist subjektiv

Auch die Zeit ist nicht gleich, wie ihr wisst. Es gibt keine gleichmäßig fließende Zeit. Angenommen, ihr wartet eine Stunde am Flughafen und ihr trefft dort euere beste Freundin aus der Jugendzeit. Ihr habt euch lange nicht gesehen und ihr versteht euch weiter besonders gut. Ihr habt jetzt 60 Minuten, um miteinander zu sprechen. Wie lange dauern die 60 Minuten? Sie gehen sehr schnell vorbei. Und angenommen, ihr seid dort am Flughafen und ihr trefft dort jemanden, die Nervensäge von früher, die euch schon damals gelangweilt hat und ihr könnt dem aber nicht entgehen, mindestens meint ihr das. Wie lange dauern diese 60 Minuten? Ewig, subjektiv. Aber es geht auch noch weiter, wer sich mit Einsteinscher Relativitätstheorie mal beschäftigt hat. Ereignisse, die der eine… Nehmen wir an, es gibt zwei Ereignisse, A und B und A ist die Vergangenheit, B ist die Zukunft. Der eine sieht, dass erst A passiert und dann B und ein anderer sieht erst B und dann A. Das gibt es tatsächlich als Gedankenexperiment von Einstein. Irgendwo mehrere gehen in nahe Lichtgeschwindigkeit aneinander vorbei und dann sieht der eine das eine Ereignis zuerst und dann das andere und der andere umgekehrt. Oder es gibt auch die subatomaren Teilchen, die Antimaterie, die verhält sich so, als ob sie in der Zeit rückwärts fließt. Also angenommen, wir würden mal einen Moment lang innehalten und uns mit einem subatomaren Teilchen unterhalten und vielleicht bilden ja die subatomaren Teilchen auch Körper und die könnten vielleicht sogar sprechen und dann könnten die uns erzählen, was als nächstes passiert und wir könnten denen erzählen, was als nächstes bei ihnen passiert. Und dann ist sogar denkbar, die subatomaren Teilchen kommen vom Tod, sind erst sehr groß, schrumpfen immer weiter und irgendwann verschwinden sie im Mutterleib, muss ja nicht nur andersherum gehen. Wenn wir darüber nachdenken, was ist jetzt wirklich?

Teil 101 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Moderne Physik und Vedanta Jnana Yoga

Es ist noch wichtiger, zu sehen, ein objektives Universum gibt es auch nicht in soweit, dass wir es nur interpretieren und vielleicht auch zum Teil schöpferisch verändern und schöpferisch gestalten, sondern man kann noch weiter gehen. Wenn wir jetzt nämlich z.B. die Physik noch weiter treiben, da gibt es keine Materie, es gibt keine Atome im Sinne von unteilbaren Partikel – Atomos heißt ja unteilbar – sondern alle Atome bestehen aus Elektronen, Neutronen und Protonen. Und die Elektronen, Neutronen, Protonen wiederum entstehen aus anderen subatomaren Partikeln. Und das sind aber letztlich keine Partikel, sondern in der Interpretation der Quantenphysik sind letztlich diese subatomaren Teilchen Wahrscheinlichkeitswolken, dass da eine Energie ist oder auch nicht ist. Also manchmal ist da etwas und manchmal ist auch nichts da. Das ist das Faszinierende. Es gibt ja dieses Buch „Der Tao der Physik“ oder „Die tanzenden Wu-Li-Meister“, inzwischen sind die ja in der zigsten Auflage und auch noch mit neueren physikalischen Erkenntnissen noch mal aktualisiert, aber letztlich, es gibt nicht wirklich eine Materie, es gibt auch nicht wirklich eine feste Schwingung und eine feste Energie, es gibt nur Wahrscheinlichkeitswolken. Also es könnte sein, dass plötzlich Narendra dort nicht sitzt. Die Wahrscheinlichkeit ist aber sehr gering, denn irgendwann sind die Partikel da und wieder nicht da und über so viele subatomare Energieladungen ist es dann doch unwahrscheinlich, dass plötzlich alle mal verschwinden. Aber vom Mathematischen her ist es nicht undenkbar. Es ist daher durchaus auch denkbar, dass Menschen mal ganz unsichtbar werden. Es ist auch denkbar, dass man durch Wände durchgehen kann. Überhaupt, dass sind alles nur subatomare Ladungen im Nichts, also eigentlich, hier ist nichts Festes, sondern da sind irgendwelche subatomare Ladungen. Des Weiteren, wir nehmen die Welt wahr in Zeit, Raum und Kausalität. Wir interpretieren immer, dass irgendetwas eine Ursache von etwas anderem ist. Z.B., ihr könnte jetzt gerade mal gucken. Was ist die Ursache, warum eine Hand in die andere Richtung geht? Es sieht aus, ab ob die eine Hand die andere schubst, oder? Aber das Schubsen allein bewirkt gar nichts. Es ist einfach, man schreibt diese Kausalität zu. Also, unser Geist stellt immer wieder Ursache-Wirkungsverhältnisse fest, die es so nicht gibt.

Teil 100 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Welt

Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Welt. Jeder lebt in seinem eigenen Universum. Und vielleicht haben die Universen, die wir haben, gewisse Gemeinsamkeiten und so können wir miteinander kommunizieren. Sie haben sicherlich vieles Getrenntes voneinander und das macht es letztlich faszinierend. Es ist einer der faszinierenden Beschäftigungen, meine ich mindestens, Menschen zu verstehen in ihrem eigenen Universum. Wobei die Behauptung, Menschen zu verstehen, ist eine Anmaßung. Meint ihr, man kann einen anderen Menschen Hundertprozent verstehen? Preisfrage. Wer von euch versteht sich selbst Hundertprozent? Ich versuche seit 35 Jahren, mich zu verstehen. Ich bin mir bis heute immer wieder für eine Überraschung gut. Immer dann, wenn ich glaube, jetzt habe ich wieder einen essentiellen Bestandteil meines Denk-, Reaktions- und Fühlschemata verstanden und kann das künftig besser voraussagen, läuft es wieder anders. Wenn man sich selbst nicht verstehen kann – und es ist auch nicht nötig, sich vollständig zu verstehen. Es ist hilfreich, sich in groben Zügen zu verstehen und seine eigenen Reaktionen irgendwie einschätzen zu können, wertschätzen zu können, vielleicht nicht Sklave davon zu werden, aber letztlich auch wissen, so ganz hundertprozentige Herrschaft über unseren eigenen Geist ist weder möglich noch notwendig. Und das macht es vielleicht faszinierend. Ähnlich auch mit anderen Menschen. Es ist faszinierend mal so ein bisschen das andere Universum kennen zu lernen und da möchte ich euch durchaus ermutigen. Das hilft dem Jnana-Yoga-Verständnis, wenn man sieht, verschiedene Menschen, gleiche Situation, unterschiedliches Erleben. Angenommen z.B., ich würde euch jetzt den Nachmittag sagen, ihr habt zwar frei, aber jetzt schreibt mal vier Stunden genau, wie war die Erfahrung dieser Woche für euch. Was habt ihr wahrgenommen? Wie war es? Was waren eure emotionalen Reaktionen darauf? Wie findet ihr das Ganze? Was ist sonst noch gelaufen. Wir hätten dort festgestellt, so viele faszinierende Universen. Und man sollte sein eigenes Universum dort nicht so ernst nehmen. Swami Vishnu-devananda hat so zwei Sachen manchmal gesagt, „Don’t trust your mind.“ Und das zweite ist, „Don’t take yourself too seriously.“ Also, „Traue deinem eigenen Geist nicht.“ Das klingt jetzt vielleicht nicht ganz so positiv, aber das ist eben gemeint. Denke nicht, dass so, wie du die Welt wahrnimmst, dass sie so ist, sondern lächle darüber, „Aha, ich habe das jetzt so und so wahrgenommen. Ich denke, der Mensch meint das so und so.“ Im Grunde genommen, ein Zeichen für einen Schizophrenen ist, dass er fest der Überzeugung ist, „Das ist so und so und nicht anders und wenn andere etwas anderes behaupten, dann haben die Unrecht.“ Zeichen eines reifen Aspiranten ist, er nimmt die Welt so und so wahr, mag irgendwo hilfreich sein, die Welt so und so wahrzunehmen, er weiß, andere nehmen sie anders wahr und die haben auch ihren Grund. Natürlich, man muss dann auch handeln. Man kann jetzt nicht einfach nur verharren in dieser wunderbaren Faszination, dass jeder Mensch alles anders sieht, manchmal muss man auch Entscheidungen treffen. Also z.B., Vater von einem Teenager wird feststellen, „Mein Universum ist so, das Universum meines Sohnes ist so. Der mag seine Gründe haben, sein Universum so wahrzunehmen. Ich habe meine Gründe, mein Universum so wahrzunehmen. Ich bin der Erziehungsberechtigte. Ich werde jetzt bestimmen, wo es langgeht. Im vollen Bewusstsein, dass das, was ich da sage, im Universum meines Filius zu Schmerzen und Rebellion führen wird.“ Versteht ihr, was ich meine? So müssen wir dann irgendwie handeln und eben sagen, „Ich bin halt jetzt dein Vater und ich bestimme das in der Situation.“ Ob das immer geht, ist eine andere Sache. Ab Teenager-Alter vielleicht noch weniger. Aber manchmal, diejenigen die Teenager haben – die sehe ich mit einem besonders melancholischen Lächeln hier – die haben so etwas schon öfters versucht. Aber es ist ein Unterschied, ob man sagt, „Die Jugend von heute, keinen Benimm mehr. Zu meiner Zeit war es ganz anders. Die verbringen jetzt heute die ganze Zeit in „world of warcraft“ oder irgendwo jettend im Computer oder Anschauen von zweifelhaften Seiten. Zu meiner Zeit war das ganz anders.“ Nur, wer sich noch erinnern kann an seine Jugend, der weiß, was die Eltern damals gesagt haben. Und ihr könnt euch bewusst sein, was die Großeltern euren Eltern zu ihrer Jugend gesagt haben. Und mit die ältesten schriftlichen Zeugnisse der Menschheit sagen, früher war alles besser und die Jugend von heute taugt nichts. Es ist also beständig seit 3000 v. Chr. schlechter geworden, in der Wahrnehmung von denen, die über die Teenagerzeit hinausgegangen sind. Objektiv wissen wir, es ist nicht schlechter geworden. Die Zeit heute ist besser, als die vor 70 Jahren. Überlegt mal, was da war. Die Zeit heute ist besser, als vor 90 Jahren, wer ein bisschen Geschichtsverständnis hat. Und besser als vor 200 Jahren, behaupte ich jetzt hier in meinem geistigen Universum. Aber wenn andere anderes meinen, haben die ihr Universum. Wir leben also in verschiedenen Universen und wir können, wenn wir mit anderen Menschen zu tun haben, durchaus eben sagen, „Du wohnst in einem anderen Universum, ich kann es ein bisschen verstehen. Dennoch muss ich jetzt sagen, in dem Fall habe ich die Verantwortung und in diesem Kontext ist mein Universum das Entscheidende.“ Ich gebe euch ein anderes Beispiel. Ich bin ja hier Leiter des Ashrams und dort habe ich manchmal auch Aufgaben, die nicht nur angenehm sind. Früher habe ich z.B. auch 4-wöchige-Yogalehrerausbildungen geleitet und da gibt es ab und zu mal jemand, der hat gesagt, „Ich bin hier in der Natur und da sind so schöne Bäume. Ich finde es viel besser, als morgens dort zu sitzen und den ganzen Tag zu sitzen, dort morgens einen Spaziergang zu machen und dort mit den Vögeln zu kommunizieren und den Bach zu spüren und zur Quelle zu gehen und mich an einen Baum zu setzen. Ist doch viel besser.“ Jetzt könnte ich reagieren oder hätte reagieren können, „Die Yogaschüler von heute. Undisziplinierter Haufen. Zu meiner Zeit vor 28 Jahren war das anders. Als ich die Yogalehrerausbildung gemacht habe, um 4:00 Uhr waren da fünf bis sechs Leute schon aufgestanden. Ich habe Pranayama gemacht erstmal 2 Stunden vor 6:00 Uhr und der andere hat zwei Stunden Asanas gemacht. Der nächste hat zwei Sunden Harmonium gespielt und der nächste hat zwei Stunden meditiert. Die Jugend von heute oder die Schüler von heute, denen muss ich es jetzt zeigen und sagen,  undisziplinierter Mensch, der du bist. Uneinsichtig. Unreif.“ Dann wäre ich selbst unreif. Oder ich kann eben sagen, „Du magst ganz recht haben. Vielleicht ist es für dich schön, morgens spazieren zu gehen. Vielleicht ist es für dich schön, mit Bäumen und Blumen zu kommunizieren. Und vielleicht solltest du in Yogaferien überwechseln. Da kannst du das nämlich sehr gut machen. Du bist jetzt in einer Yogalehrerausbildung und damit gelten die Regeln der Yogalehrerausbildung. So wie die Richtlinien sind und die Richtlinien sind aus gutem Grunde so. Und die Yogalehrerausbildung ist ein eigenes Konzept und sie führt, wenn man sich daran hält, zu einer gewissen inneren Transformation, sie führt dazu, dass man klassisches Yoga in der Tradition von Swami Sivananda und Swami Vishnu-devanandadevAnanda versteht und erfährt.“ Aber deshalb, der andere, der das andere denkt, ist ja deshalb nicht schlecht. Und wenn er dann aussteigt, dann bin ich nicht böse. Ich bedauere es manchmal, denn ich habe es noch nie erfahren, dass jemand nach vier Wochen gesagt hat in der Abschlussrunde oder auch schriftlich, „Ich wünschte, ich wäre nach fünf Tagen ausgestiegen oder nach drei Tagen.“ Aber sehr häufig kommt es, dass sie dann sagen, „Nach einem oder zwei Tagen wollte ich fliehen und habe mir gedacht, wo bin ich hier hineingeraten, aber ich bin mir selbst dankbar, dass ich durchgehalten habe.“ Ich hoffe, ihr versteht, was ich damit meine. Das ist auch so eine Jnana-Yoga-Einstellung. Es gibt keine objektive Wirklichkeit und es gibt letztlich nicht objektiv richtig und objektiv falsch. Was in dem einen Kontext richtig ist, ist in einem anderen Kontext unrichtig. Auch wenn wir z.B. von Ahimsa sprechen, jetzt von der Ethik, ist auch eine Frage. Da gibt es auch wieder Kontexte, wo es richtig ist oder unrichtig. Einen Menschen umzubringen ist richtig oder nicht richtig? Grundsätzlich klar, unrichtig, ethisch falsch. Aber angenommen, dort gibt es jemanden, der hat eine Atombombe und ist auf einem Hochhaus und hat den Zünder und will ihn gerade rausnehmen. Gegenüber hat die Polizei einen Scharfschützen postiert. Ist es jetzt richtig, wenn die Polizei diesen, der gerade die Hand an diesen Zünder hat, erschießt oder ist es falsch? Ich glaube, hier wird fast jeder der Meinung sein, es ist richtig. Es wäre sogar falsch, wenn der Schütze zögern würde. Aber in einem anderen Weltanschauungskontext könnte man es wieder anders sehen. Nur in dem Weltanschauungskontext des Yogas und im Weltanschauungskontext des Rechtssystems der Bundesrepublik Deutschland, die glücklicherweise weitestgehend, mindestens in ihren Grundsätzen, identisch sind, dort gelten diese Prinzipien. Aber das heißt nicht, dass sie in jedem Kontext die richtigen wären. Dennoch, aus einem Kontext heraus muss man Entscheidungen treffen, ohne den anderen zu verurteilen. Das ist durchaus auch etwas, was wir ja in der heutigen Zeit nicht nur in Yogakreisen haben, sondern insgesamt. Menschen haben unterschiedliche Motive, die Motive haben ihre Begründung, Begründungen in der Grundstruktur des Menschen, Begründungen in Genen, Begründungen in ihrer Erziehung, Begründung in wie auch immer. Jeder Mensch hat irgendwelche nachvollziehbaren Gründe, warum er so handelt, wie er handelt, dennoch, im zwischenmenschlichen Zusammenleben ist halt manches angemessen und manches nicht angemessen. All das gehört zur Viveka von Satya und Mithya. Und wenn ihr darüber so ein bisschen nachdenkt, hoffe ich, dass ihr künftig noch mehr von euch selbst abstrahieren könnt. Never trust your mind, also, trau deinen eigenen Geist nicht. Also nicht im Sinne, alles was man denkt, dass man das gleich für wahr hält und jede Emotion, die geschieht, für angemessen hält, das ist der eine Aspekt. Never trust your mind and don‘t take yourself zu seriously, nimm dich selbst nicht zu ernst. Das, was man denkt und fühlt, ist eine Möglichkeit der Wahrnehmung. Durchaus in seinem Kontext auch eine gute, aber manchmal muss man auch nicht danach handeln. Und das ist eben auch wieder das, was der Jnana Yogi kann, auch in dieser Viveka Atma-AnAtma, er kriegt eine Wahrnehmung, die auch emotional sein kann und er sagt, „O.k., das sagen mir jetzt also meine Gedanken, das sagen mir meine Emotionen, aber ich bin das nicht. Ich habe eine gewisse Freiheit dem zu folgen oder nicht zu folgen und ich habe auch die Freiheit zu sagen, das glaube ich jetzt nicht, dass das so korrekt ist.“ Die Unterscheidung geht aber noch weiter. Also, Interpretation, Wahrnehmung, Reflexion im eigenen Universum.

Teil 99 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Das Bild von Menschen ist subjektiv

Oder ein Beispiel, das der Swami Vishnu-devananda oft gebraucht hat, angenommen, man ist frisch verliebt, dann wird man jede Handlung seines Geliebten, seiner Geliebten toll finden und großartig. Ein paar Jahre später, gleiche Handlung, gleiche Geliebte und es ist vielleicht nicht mehr Geliebte, dann interpretiert man jede dieser Handlungen als nervend auf irgendeine Weise. Das ist auch so eine Sache. Man sagt gerne, der erste Eindruck ist so wichtig. Aber der erste Eindruck, der bestimmt, wie man nachher alle anderen Handlungen des Menschen interpretiert. Oder auch angenommen, man fühlt sich nicht gut und das Wetter ist grau, dann wird man noch trauriger werden. Angenommen, man fühlt sich nicht gut und die Sonne scheint, dann wird man sagen, „Ironie des Schicksals. Ausgerechnet heute, wo ich mich schlecht fühle, muss noch dazu die Sonne scheinen.“ Ihr kennt das alle? Und so ist ein Aspekt von der Viveka, zwischen Satya und Mithya, auch schon mal ein gewisser Abstand zu unserem Geist. Wir sind noch nicht zur essentiellen Viveka, sondern erstmal zur relativen Viveka gekommen, die ja heutzutage Menschen doch relativ – mindestens in der Theorie – vertraut ist. Aber ein Jnana Yogi, auch ein Raja Yogi, wird sich dessen im Alltag bewusst sein und eben sich bewusst sein, „Die Welt, wie ich sie wahrnehme, ist nicht die einzige.“

Teil 98 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Du schaffst deine Welt durch dein Denken und Fühlen

Nicht nur machen wir die Welt sichtbar, sondern auch, unser Geist ändert aktiv unsere Wahrnehmung. Nicht nur macht er sie sichtbar, wie es ja auch z.B. ein Computertomograph macht, der macht auch irgendwelche Messungen sichtbar in netten, farbigen Bildern, aber unser Geist verändert auch die Wahrnehmung so, dass sie dem entspricht, wie es sein sollte. Eine interessante Sache ist auch, der Mensch sieht einzelne Menschen sehr viel besser als andere, also er greift etwas heraus. Wenn ihr euch jetzt z.B. hier so umguckt, dann seht ihr die einzelnen Menschen und ihr seht die viel abgetrennter, als sie eigentlich sind. Das ist immer so ein Unterschied, die wirkliche Welt oder wenn ihr ein Foto anschaut. Wenn man ein Foto eine Weile anschaut, dann ist es doch wieder abgetrennt, aber man sieht nicht einfach nur Farben, sondern man greift sie noch klarer heraus. Oder nehmen wir noch ein anderes Beispiel. Man hat mal amerikanischen Studenten Brillen gegeben, die die Welt auf den Kopf stellen. Und die haben sie Tag und Nacht getragen und einige Tage lang haben sie die Welt dann auf dem Kopf gesehen. Das ist jetzt gar nicht so einfach, sich damit zurechtzufinden. Eines Morgens sind die aufgewacht und hatten gedacht, die Versuchsleiter müssen ihnen über Nacht die Brille gewechselt haben. Denn eines Morgens sind sie aufgewacht und haben die Welt ganz normal gesehen. Also, das Hirn hat irgendwie gesagt, „Die Welt ist nicht so, sie kann nicht so sein, wie ich sie sehe, also muss ich sie anders interpretieren.“ Also hat das Hirn, bzw. der Geist einfach die Welt auf den Kopf gestellt. Und als sie dann die Brille wieder abgenommen haben, dann war die Welt wieder auf den Kopf gestellt und dann hat es wieder ein paar Tage gedauert, bis sie die Welt wieder normal gesehen haben. Eine unglaubliche Leistung. Also letztlich, unser Geist weiß, wie die Welt auszusehen hat und wenn sie nicht so aussieht, dann wird sie geändert, wird die Wahrnehmung geändert, passend gemacht. Ein anderes Beispiel. Das ist eigentlich ein Beispiel, das ich für ein unethisches halte, aber vielleicht, damit die Katzen nicht ganz umsonst gequält worden sind. Katzen sind ja beliebte Versuchstiere und man hat dort Katzen genommen und den optischen Nerv vom Auge direkt gekreuzt mit dem akustischen Nerv. Also, dass Sehreize praktisch ins Hörzentrum gekommen sind und Hörreize ins Sehzentrum. Das heißt, was eine Katze gesehen hat, hat zu Klängen geführt und was eine Katze gehört hat, muss zu Bildern geführt haben. Die meisten Katzen wurden desorientiert und haben auch irgendwann die Nahrung verweigert und sind gestorben. Manche Katzen, nach einer gewissen Anzahl von Tagen, haben sich wieder ganz normal verhalten und haben dann wieder ganz normal gehen können, konnten wieder normal fressen, haben sich offensichtlich in der Welt wieder zurechtgefunden. Also, letztlich das Hirn ist in der Lage gewesen, zu sagen, „So wie ich die Welt wahrnehme, so kann sie nicht sein. Was von den Sinnesreizen, die ich bekomme, ist denn so, wie es Sinn machen würde?“ Die Implikationen sind relativ groß. Das heißt, wir haben eine gewisse Vorstellung, wie die Welt zu sein hat und wir basteln uns die Wahrnehmungen so zurecht, wie wir denken, dass sie sein sollten. Und ihr kennt das natürlich auch aus dem Alltag. Angenommen, ihr denkt, euer Chef – wenn ihr so einen habt oder hattet – der ist irgendwo unsympathisch, dann werdet ihr jede seiner Handlungen wahrnehmen als, er tut gerade etwas Bösartiges. Und angenommen, ihr denkt, er ist ein Guter, dann werdet ihr die Sachen anders interpretieren.

Teil 97 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Viveka, die Unterscheidung zwischem dem Wirklichen, der Wahrheit, und dem Unwirklichen, der Täuschung

Viveka-Chudamani, Kleinod der Unterscheidung. Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst, Atma-AnAtmaViveka. Die Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Die Unterscheidung zwischen wahrem Glück und scheinbarem Glück. Gestern bin ich etwas unfangreicher auf die Atma-AnAtmaViveka eingegangen. Heute Morgen will ich etwas eingehen auf die Satya-Mithya-Viveka, also die Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Und dazu wollen wir eine kleine Analyse machen unserer Erfahrung und uns bewusst werden, worauf beruht unsere Erfahrung eigentlich. Was wissen wir von der Welt? Und ich will zunächst mal – das typische Bild, das die meisten Menschen haben, wenn sie über die Wahrnehmung sprechen. Da gibt es also zunächst mal eine objektive Welt und da gibt es einen Beobachter und der sieht oder er hört und so kommt über Sehen und Hören und durch die anderen Sinne Information aus der Welt in unseren Geist und bildet praktisch die Wirklichkeit ab. Ich glaube, dieses Konzept dürfte jedem klar sein. Da gibt es eine äußere Welt, wir nehmen sie wahr mit unseren fünf Sinnen und wir nehmen diese Wirklichkeit allerdings auch nur auszugsweise wahr, denn unsere Sinne haben gewisse Grenzen und wer sich mit Wahrnehmungspsychologie beschäftigt hat, der weiß, da gibt es ganz große Verwirrungen. Zunächst mal, wir sehen nur ein gewisses Spektrum. Irgendwo soundso viel Hz bis soundso viel Hz sehen wir und soundso viel hören wir und das und das riechen wir. Wir nehmen also die Wirklichkeit nur Ausschnittsweise wahr. So könnte man sagen, wenn wir jetzt das, was wir hier widergespiegelt finden, mit der Welt vergleichen, könnte man das erste Modell machen. Das wäre die ganze Welt und wir sind uns dieses Teiles der Welt bewusst. Also, wir sehen einen Ausschnitt der Welt. Aber immerhin sehen wir einen Ausschnitt der Welt. Aber jetzt geht es noch mal etwas weiter. Nämlich, wir sehen einen Teil der Welt und anschließend interpretieren wir diesen Teil der Welt. Wir vergleichen ihn mit unseren bisherigen Erfahrungen und zwei Menschen mögen das Gleiche sehen und etwas ganz anderes wahrnehmen. Nehmen wir mal an, zwei Menschen sehen einen Menschen, der einen starren Gesichtsausdruck hat. Der eine denkt, „Der mag mich nicht, der ist auf mich sauer, ich habe irgendwas falsch gemacht.“ und der andere denkt, „Der ist gerade in tiefen Gedanken.“, er sagt vielleicht sogar, „Er ist in tiefer Wonne, so weit, dass er in höheren Sphären ist.“ Das ist gar nicht so selten, dass Menschen den gleichen Gesichtsausdruck ganz unterschiedlich interpretieren. Wir nehmen also keine Welt so wahr, wie sie ist, sondern wir nehmen die Welt letztlich über unsere Interpretation wahr. Kommen wir zum nächsten Modell. Wir könnten sagen, Teile von dem, wie wir die Welt wahrnehmen, entsprechen der Welt, wie sie ist, und Teile entsprechen ihr wiederum nicht. Jetzt kommen wir noch weiter. Wenn wir jetzt nämlich z.B. die moderne Physik anschauen, dann wissen wir, es gibt keine Farben, es gibt keine Formen, es gibt keine Klänge, es gibt keine Gerüche, sondern was gibt es nur? Schwingungen, Energiewellen. Und all diese Energiewellen, die werden dann interpretiert. Also, wenn wir auf die moderne Physik kommen, dann können wir gar nicht sagen, es gibt eine äußere Welt mit Menschen und Tieren und Pflanzen und wir sehen einen Teil davon, von dem, was außen ist und wir nehmen einen Teil nicht wahr und zum Teil sehen wir es falsch, nehmen wir es falsch war, aber mindestens teilweise nehmen wir es richtig wahr. Letztlich, dass wir eine Welt sehen von Farben und Formen, ist eine Leistung unseres Geistes. Das wird noch klarer. Z.B. angenommen, jemand ist blind, blind geboren. Wie nimmt er oder sie die Welt wahr? Ganz anders. Gerüche sind wichtiger, Geräusche sind wichtiger, Fühleindrücke, Tastsinn wird wichtiger. Jemand, der blind ist und jemand, der taub ist, die leben in gänzlich verschiedenen Welten. Faszinierend, aber es sind letztlich für die beiden, die Erfahrung ist gänzlich unterschiedlich. Oder noch ein anderes Beispiel. Angenommen, jemand ist einfach nur rot-grün-blind, dann sieht er keinen Unterschied zwischen rot und grün. Da wird es dann keinen Unterschied geben zwischen dem Gewand von Krishna – z.B. hier gibt es rechts und links Blumen, die sind rot-grün. Die würden nicht sehen, dass das Laub eine andere Farbe hat, als die Blüten. Wer hat jetzt Recht? Der dort rot und grün sieht oder der, der das alles als eine Farbe sieht. Beide haben Recht. Man könnte sagen, der, der rot-grün sieht, der hat ein weiteres Wahrnehmungsspektrum. Er hat mehr Informationen. Aber ob mehr Informationen immer wirklicher sind, ist eine andere Frage. Nehmen wir noch ein weiteres Beispiel. Wenn wir die Wahrnehmung von Tieren sehen, z.B. für einen Hund. Ein Hund – ich weiß jetzt gar nicht, wie sieht der? Also, man behauptet, dass der Hund schwarz-weiß sieht. Woher weißt du, dass er schwarz-weiß sieht? Vielleicht sieht er rot-grün, vielleicht sieht er gelb-blau. Vielleicht ist das ein ganz anderes Bild, was er dort sieht. Vielleicht sieht er da gar nicht so wie wir. Die Sinneswahrnehmung seines Auges heißt noch lange nicht, dass er tatsächlich Bilder sieht. Vielleicht interpretiert sein Hirn das, was er sieht, ganz anders als Bilder. Wissen wir nicht. Dafür riecht ein Hund sehr viel genauer. Und er hört auch, ich weiß nicht, wie viel mal besser als ein Mensch und auch sehr viel lauter als ein Mensch. Wie ist jetzt die Wahrnehmung von jemandem, der hauptsächlich riecht. Ein Hund riecht sogar Entfernungen. Wie macht man das? Oder ich habe mich mal intensiver beschäftigt mit der Psychologie eines Pferdes. Ich hatte euch ja schon mal erzählt, dass ich mal gedacht habe, ich will mal die Welt wahrnehmen, wie mein Pferd. Wenn ich mein Pferd verstehen will, sollte ich die Welt wahrnehmen wie ein Pferd und dort habe ich eine Weile zur Übung gemacht, ohne Wortgedanken die Welt wahrzunehmen. Das hat mich in verschiedene transzendente Bewusstseinszustände, veränderte Bewusstseinszustände, Einheitsgefühle geführt als Teenager. Und dann habe ich aber mal ein Buch gekauft über die Psychologie des Pferdes und spätestens da wusste ich, dass der Versuch, die Welt wahrzunehmen wie ein Pferd, gänzlich unsinnig ist. Vielleicht nicht unsinnig, aber er kann nicht von Erfolg gekrönt werden. Dort hieß es nämlich auch, das Pferd sieht nur schwarz-weiß. Ich habe mich schon damals gefragt, woher wissen die, dass das Pferd schwarz-weiß sieht und nicht rot-grün oder in Braunschattierungen. Jedenfalls kann ein Pferd Farben nicht wirklich unterscheiden, sondern nur Helligkeit. Pferd, laut diesem Buch – ich weiß nicht, ob es noch dem heutigen Stand der Wissenschaft entspricht – laut diesem Buch, sieht es auch keine Entfernungen, sondern ein Pferd hört Entfernungen. Pferd funktioniert mit Echolot, weshalb es dann manchmal auch diesen Pfrrr-Laut ausstößt, wenn es nicht mit den Hufen Lärm macht und dann kann das Pferd hören, wie weit es weg ist. Wenn man einem Pferd die Ohren so zu macht, dass es nichts mehr hört, dann wird es auf der Weide gegen Bäume rennen und gegen die Zäune. Wenn man dagegen einem Pferd die Augen verdeckt, wird es weiter grasen und gehen, aber nirgendwo anstoßen. Außerdem riecht ein Pferd wiederum anders. Jetzt, wie ist eine solche Wahrnehmung? Man hört Entfernungen, man sieht aber keine Entfernungen und man sieht auch keine Farbunterschiede. Noch weiter. Jetzt könnte man weiter sagen, wir haben Sinne, die auf unterschiedliche Weise die Welt interpretieren und sichtbar machen. Es ist aber doch irgendwo noch objektiv, aber irgendwo machen wir die Welt sichtbar. Und jetzt geht es aber noch weiter.

Teil 96 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Ego, Ich, Ichbewusstsein, Ahamkara im Licht von Vedanta

„Das Ichbewusstsein, das sollte man wissen, bezieht alles auf sich selbst, erlebt sich als Handelnden und Erfahrenden und erfährt in Verbindung mit den Grundeigenschaften der Natur, Sattwa, Rajas und Tamas und den drei Zuständen, Wachen, Träumen und Tiefschlaf.“ (Sankara im Viveka Chudamani)
Ich lese jetzt aus einem bestimmten Grund die Verse über Ahamkara. Ich habe praktisch das übersprungen, was über Chitta, Buddhi und Manas geht. Ahamkara ist das Ego und das ist ein Teil vom Antarkarana. Das ist jetzt eine interessante Geschichte. Antarkarana ist das innere Instrument und ein Instrument ist ja nichts Schlechtes. Und zu dem inneren Instrument gehört auch Ahamkara, also das Ichgefühl, wo auch das Selbstwertgefühl dabei ist, das Selbstbewusstsein, Identifikation usw. Und das ist Teil des Antarkarana. Wenn es Teil des Antarkarana ist, das Antarkarana, das innere Instrument, und das innere Instrument letztlich was Gutes ist, ist also auch das Ego erstmal nichts Schlechtes. Denn wir müssen ja realistisch sagen, um in dieser Welt handeln zu können, brauchen wir mindestens etwas Ahamkara. Schon wenn ich hier jetzt so sitze – angenommen, ich hätte jetzt gar kein Ahamkara, dann würde der Körper hier sitzen und ich würde mich als das universelle Selbst hinter allen fühlen, könnte man vielleicht kurz mal fühlen, den Körper von Narendra, mal kurz den Körper von Suguna, mal kurz in den Körper von Raphaela, mal kurz in den Körper von Peter und von der Anna, aber dann gäbe es die Frage, „Warum soll ich mit diesem Körper irgendwas machen? Ich bin das Bewusstsein hinter allem. Was soll ich mit diesem Körper hier anstellen?“ Also, ein bisschen Ahamkara ist nötig, damit ich die Aufgaben erfüllen kann. Und so, dieses unendliche Selbst spiegelt sich in Ahamkara wider und so brauche ich so ein bisschen, mindestens eine kleine sattvige Identifikation mit diesem Körper, um dort handeln zu können. Das ist erstmal gut so. Problematisch wird es nur, wenn dieses Ahamkara sehr fest und klebrig wird. Das ist wie, ihr erinnert euch an die Analogie eines Schauspielers. Angenommen, ihr würdet Wallenstein spielen, ein Schauspiel von Schiller. Ihr würdet jetzt Wallenstein spielen in Schillers Schauspiel „Wallenstein“. Da müsst ihr so ein bisschen euch wie Wallenstein fühlen. Ihr müsst euch in ihn hineinversetzen. Und wenn ihr die Rolle spielt, dann müsst ihr wirklich so spüren, wie hat Schiller diesen Wallenstein gemeint. Also, ein bisschen Wallenstein-Ahamkara braucht man dort. Aber angenommen, dass Schauspiel wäre zu Ende und ihr würdet euch weiter verhalten wie Wallenstein, zu Astrologen gehen und machtgierig sein, über Leichen gehen und was der sonst noch alles an Eigenschaften hatte, dann würdet ihr nicht sehr beliebt werden in eurer Familie. Und letztlich wird man euch vielleicht sogar in die geschlossene Anstalt einweisen. Jemand, der denkt, „Ich bin Wallenstein.“, aber nicht Wallenstein ist, ist doch verrückt. So ähnlich auch, wir sind hier, um unseren Part zu spielen, aber wir sind alle irgendwo verrückt geworden. Wir denken, „Ich bin der und der.“ Spirituelle Menschen sagen noch, „Ich habe ein höchstes Selbst. Ich bin eins mit Gott.“ Versteht ihr, wo der Fehler dort liegt? „Ich habe ein höheres Selbst. Ich habe zum einen einen physischen Körper, zweitens habe ich ein höheres Selbst.“ Und wer bin ich? Da gibt es ein Selbst und da gibt es ein Ich und „Ich habe das Selbst.“ Oder, „Ich spüre die Verbindung mit Gott.“ Da gibt es Gott, da gibt es mich und da gibt es eine Verbindung. Wie wäre es korrekt? „Ich bin das unsterbliche Selbst. Und ich habe einen Körper. Und ich habe eine Persönlichkeit. Und ich bin eins mit Gott.“ oder „Ich bin Gott.“ Klingt jetzt dumm. Können wir so nicht sagen, ohne dass es komisch klingt. Sagen wir, „Ich bin Brahman.“, da bewegen wir uns nicht auf Glatteis und emotionaler und religiöser und theologischer Schwierigkeiten. „Ich bin Brahman und dieser Brahman scheint jetzt vorübergehend widergespiegelt zu sein.“ Und dieses Widergespiegeltsein und diese Identifikation damit, ist erstmal nicht ganz so schlecht. Die Schwierigkeit ist, sie wird zu krass. Und diese Identifikation kann noch dazu tamasig sein und sie kann rajasig sein. Wir identifizieren uns mit diesem Körper und mit diesem Geist und sagen, „Ich bin nicht gut genug. Keiner mag mich. Ich bin hässlich, ich bin dick, ich bin faltig, ich bin, was noch. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Außerdem bin ich müde und träge, in einem falschen Film.“ Tamasiges Ego. Der ein oder andere erinnert sich an solche Zeiten, wo es das mal gegeben hat. Und dann gibt es ein rajasiges Ego. „Was bin ich doch für ein toller Hecht. Ich bin viel klüger als andere.“ oder vielleicht nicht klüger, aber, „Ich bin spiritueller als andere. Andere sind noch nicht so weit.“ oder „Ich bin demütiger als andere. Ich identifiziere mich weniger als andere. Ich bin eine bessere Yogalehrerin, ein liebevollerer Mensch, ein verhaftungsloserer Mensch.“ All das ist rajasiges Ego. Vielleicht ein bisschen besser als ein tamasiges Ego. Vielleicht ein bisschen leichter, dort herauszukommen, denn gerade das rajasige Ego kriegt ja ausreichend schnell irgendeine Nadel hineingestochen und dann hat sich die Sache erstmal wieder. Dann tut es weh und dann begibt man sich entweder wieder ins tamasige Ego oder vielleicht gelingt es einem, dass man dann durch den Rückstoß des Ballons vorübergehend ein bisschen in Brahman katapultiert wird. Dann gibt es noch ein sattviges Ego, dann gibt es noch mal verschiedene Grade von sattvigen Ego, aber so ein leichtes, sanftes sattviges Ego, wo man irgendwo sich erinnert, „Ich bin das unsterbliche Selbst. Im Wachbewusstsein spiele ich jetzt den Part. Ich heiße sowieso und mache das und das.“ und mit einem gewissen Abstand, Heiterkeit, kann man dann durch alles durchgehen. Vielleicht wird man sich dann so richtig hineinsteigern, wie ein guter Wallenstein-Schauspieler auch, aber danach weiß man, „Ich bin es nicht wirklich.“ und man ist dann auch gegenüber den anderen Schauspielern nicht böse, denn die spielen auch nur ihren Part im kosmischen Drama. Und danach meditieren wir, verlassen die Identifikation. Wir müssen auch nicht warten bis zur Meditation. Man kann ja zwischendurch mal innehalten oder auch beim Spazieren, ein bisschen amüsiert sehen, „Körper geht, Atem atmet und ich bin das unsterbliche Selbst hinter allem.“ „Hand nimmt die Nahrung, Mund beißt, Magen verdaut. Ich bin das Bewusstsein hinter allem.“ „Körper ist in einer Asana. Atem läuft. Prana schwingt. Ich bin das Bewusstsein hinter allem.“ Und im Alltag wird man manchmal nicht diese Art von Bewusstheit haben, manchmal muss man sich voll hineinbegeben und so tun, als ob man sich identifiziert, danach kommt man wieder raus. Und wann kommen wir spätestens raus aus dieser Identifikation mit dem physischen Körper? Glücklicherweise müssen wir nicht solange warten, bis zum letzten Atemzug. Im Moment, wo wir einschlafen, ist die Identifikation mit dem physischen Körper vorübergehend weg.
Und das führt uns zu einer anderen Analyse, die wir morgen machen werden, nämlich Jagan Mithya, die Welt ist unwirklich. Und um das zu verstehen, ist auch wieder Wach-, Traum-, Tiefschlafzustand, geänderte Bewusstseinszustände hilfreich. Und letztlich auch die moderne Physik und Wahrnehmungspsychologie kann uns auch helfen, zu verstehen, was heißt Jagan Mithya. Es heißt eben nicht, dass es keine Welt gibt, aber es heißt, so, wie wir die Welt wahrnehmen, so ist sie nicht. Und es ist möglich, das wahrzunehmen, was wirklich ist.

 

95. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

Der Geist, die Psyche, im Lichte von Vedanta

„Das Gemüt, das in den Augen und anderen Organen wohnt, leuchtet nur als Widerschein des höchsten Lichtes, weil es den Körper fälschlicherweise für das Ich hält.“ (Viveka-Chudamani, Vers 103)
Ich habe jetzt auch wieder einige Verse übersprungen, wo er über Antarkarana spricht, über das innere Instrument, über unseren Geist und dann sagt er, unser Geist ist eine Widerspiegelung des höchsten Lichtes. Also alles, was wir innerlich dort handeln und tun und unsere beschränkte Bewusstheit, ist eine Widerspiegelung des höchsten Lichtes. Und dann identifizieren wir uns noch dazu mit diesem Körper. Und dann geht es ja noch weiter. Und dann identifizieren wir uns mit unserem Besitz. Und wir identifizieren uns auch noch über unsere Mitmenschen. „Mein Mann, mein Kind, meine Mutter, mein Chef, meine Schüler, mein Lehrer, mein usw.“ Auch hier, ich hatte gerade vorher über Liebe gesprochen, wenn wir uns zu sehr identifizieren, gibt es wieder ein Problem, denn wir identifizieren uns ja noch nicht mal mit der Person, so wie sie ist, sondern wir identifizieren uns mit dem Bild der Person. Z.B. in der Zweierbeziehung gibt es am Anfang eine Wahrnehmungsverschiebung. Es gibt irgendwelche Hormone, die werden ausgeschüttet, die sorgen dafür, dass man sich ähnlicher wahrnimmt, als man ist und dann denkt man noch, „Gut, achtzig Prozent sind wir gleich, zehn Prozent faszinierend anders und das ist auch gut so, und die restlichen zehn Prozent, die krieg ich auch noch hin.“ So in der Vorstellung, „Den anderen werde ich schon noch erziehen.“ Und das denken dann beide. Konsequenz ist – muss nicht gleich Trennung sein. Ich muss erstmal eine Langfristperspektive eröffnen. Aber Konsequenz ist, nach einer Weile ist diese Wahrnehmungsverschiebung vorbei, diese verschiedenen Verliebtheitshormone sind weg, die Pranaverbindung nicht mehr ganz so intensiv, die Erinnerung an frühere Gemeinsamkeiten aus früheren Leben, derer man sich nicht bewusst ist, dass es aus früheren Leben ist, verblasst etwas und beide verändern sich etwas. Und plötzlich ist man stärker anders und der andere weigert sich, allen Erziehungsversuchen zu folgen. Und deshalb, wenn die Identifikation sehr stark ist, gibt es dann Probleme. Oder wenn einer sich nur über den anderen definiert. Es heißt, dass es in früheren Zeiten bei Frauen so war, dass sie sich nur über den Mann identifiziert haben. Andererseits, wenn man Romane aus der Zeit von Goethe und Schiller liest, das hat auch schon damals nicht gestimmt. Aber mindestens denken manche so, dass das mal so gewesen ist. Aber wenn man diese Art von enger Identifikation hat, dann ist es eben Liebe, die zu Leid führen muss. Oder genauso auch bei Kindern, genauso auch bei Eltern, die sind eigenständige Persönlichkeiten. Und wenn man noch  dazu auf einer relativen Ebene sagt, „Jeder, den ich sehe, war schon mal meine Mutter.“ Ich weiß nicht, habt ihr schon mal darüber nachgedacht? Ich habe euch das jetzt schon mehrmals erzählt. Habt ihr schon mal rumgeguckt, „Aha, Mami vom früheren Leben. Papi vom früheren Leben. Sohn, Tochter, Bruder, Schwester.“ Bei Millionen von Leben und wo es noch dazu heißt, dass wir durchaus in ähnlichen Clustern uns wieder inkarnieren. Also jeder, mit dem wir jetzt zu tun haben, war schon mal Mutter oder Vater. Wenn ich euch das so oft erzähle, dann versuche ich euch ja tatsächlich zu animieren, mal zu überlegen, „Ah, Mami, Papi.“ So innerlich. Das hilft dann auch. Verbundenheit und es hilft einen auch etwas, sich von Verhaftungen zu lösen. Natürlich, wer jetzt in diesem Leben tatsächlich Kinder ist, hat man eine besondere Verantwortung. Also, viele Identifikationen sind möglich und wir wollen uns davon lösen.

Teil 94 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <