Viveka, die Unterscheidung zwischem dem Wirklichen, der Wahrheit, und dem Unwirklichen, der Täuschung

Viveka-Chudamani, Kleinod der Unterscheidung. Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst, Atma-AnAtmaViveka. Die Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Die Unterscheidung zwischen wahrem Glück und scheinbarem Glück. Gestern bin ich etwas unfangreicher auf die Atma-AnAtmaViveka eingegangen. Heute Morgen will ich etwas eingehen auf die Satya-Mithya-Viveka, also die Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Und dazu wollen wir eine kleine Analyse machen unserer Erfahrung und uns bewusst werden, worauf beruht unsere Erfahrung eigentlich. Was wissen wir von der Welt? Und ich will zunächst mal – das typische Bild, das die meisten Menschen haben, wenn sie über die Wahrnehmung sprechen. Da gibt es also zunächst mal eine objektive Welt und da gibt es einen Beobachter und der sieht oder er hört und so kommt über Sehen und Hören und durch die anderen Sinne Information aus der Welt in unseren Geist und bildet praktisch die Wirklichkeit ab. Ich glaube, dieses Konzept dürfte jedem klar sein. Da gibt es eine äußere Welt, wir nehmen sie wahr mit unseren fünf Sinnen und wir nehmen diese Wirklichkeit allerdings auch nur auszugsweise wahr, denn unsere Sinne haben gewisse Grenzen und wer sich mit Wahrnehmungspsychologie beschäftigt hat, der weiß, da gibt es ganz große Verwirrungen. Zunächst mal, wir sehen nur ein gewisses Spektrum. Irgendwo soundso viel Hz bis soundso viel Hz sehen wir und soundso viel hören wir und das und das riechen wir. Wir nehmen also die Wirklichkeit nur Ausschnittsweise wahr. So könnte man sagen, wenn wir jetzt das, was wir hier widergespiegelt finden, mit der Welt vergleichen, könnte man das erste Modell machen. Das wäre die ganze Welt und wir sind uns dieses Teiles der Welt bewusst. Also, wir sehen einen Ausschnitt der Welt. Aber immerhin sehen wir einen Ausschnitt der Welt. Aber jetzt geht es noch mal etwas weiter. Nämlich, wir sehen einen Teil der Welt und anschließend interpretieren wir diesen Teil der Welt. Wir vergleichen ihn mit unseren bisherigen Erfahrungen und zwei Menschen mögen das Gleiche sehen und etwas ganz anderes wahrnehmen. Nehmen wir mal an, zwei Menschen sehen einen Menschen, der einen starren Gesichtsausdruck hat. Der eine denkt, „Der mag mich nicht, der ist auf mich sauer, ich habe irgendwas falsch gemacht.“ und der andere denkt, „Der ist gerade in tiefen Gedanken.“, er sagt vielleicht sogar, „Er ist in tiefer Wonne, so weit, dass er in höheren Sphären ist.“ Das ist gar nicht so selten, dass Menschen den gleichen Gesichtsausdruck ganz unterschiedlich interpretieren. Wir nehmen also keine Welt so wahr, wie sie ist, sondern wir nehmen die Welt letztlich über unsere Interpretation wahr. Kommen wir zum nächsten Modell. Wir könnten sagen, Teile von dem, wie wir die Welt wahrnehmen, entsprechen der Welt, wie sie ist, und Teile entsprechen ihr wiederum nicht. Jetzt kommen wir noch weiter. Wenn wir jetzt nämlich z.B. die moderne Physik anschauen, dann wissen wir, es gibt keine Farben, es gibt keine Formen, es gibt keine Klänge, es gibt keine Gerüche, sondern was gibt es nur? Schwingungen, Energiewellen. Und all diese Energiewellen, die werden dann interpretiert. Also, wenn wir auf die moderne Physik kommen, dann können wir gar nicht sagen, es gibt eine äußere Welt mit Menschen und Tieren und Pflanzen und wir sehen einen Teil davon, von dem, was außen ist und wir nehmen einen Teil nicht wahr und zum Teil sehen wir es falsch, nehmen wir es falsch war, aber mindestens teilweise nehmen wir es richtig wahr. Letztlich, dass wir eine Welt sehen von Farben und Formen, ist eine Leistung unseres Geistes. Das wird noch klarer. Z.B. angenommen, jemand ist blind, blind geboren. Wie nimmt er oder sie die Welt wahr? Ganz anders. Gerüche sind wichtiger, Geräusche sind wichtiger, Fühleindrücke, Tastsinn wird wichtiger. Jemand, der blind ist und jemand, der taub ist, die leben in gänzlich verschiedenen Welten. Faszinierend, aber es sind letztlich für die beiden, die Erfahrung ist gänzlich unterschiedlich. Oder noch ein anderes Beispiel. Angenommen, jemand ist einfach nur rot-grün-blind, dann sieht er keinen Unterschied zwischen rot und grün. Da wird es dann keinen Unterschied geben zwischen dem Gewand von Krishna – z.B. hier gibt es rechts und links Blumen, die sind rot-grün. Die würden nicht sehen, dass das Laub eine andere Farbe hat, als die Blüten. Wer hat jetzt Recht? Der dort rot und grün sieht oder der, der das alles als eine Farbe sieht. Beide haben Recht. Man könnte sagen, der, der rot-grün sieht, der hat ein weiteres Wahrnehmungsspektrum. Er hat mehr Informationen. Aber ob mehr Informationen immer wirklicher sind, ist eine andere Frage. Nehmen wir noch ein weiteres Beispiel. Wenn wir die Wahrnehmung von Tieren sehen, z.B. für einen Hund. Ein Hund – ich weiß jetzt gar nicht, wie sieht der? Also, man behauptet, dass der Hund schwarz-weiß sieht. Woher weißt du, dass er schwarz-weiß sieht? Vielleicht sieht er rot-grün, vielleicht sieht er gelb-blau. Vielleicht ist das ein ganz anderes Bild, was er dort sieht. Vielleicht sieht er da gar nicht so wie wir. Die Sinneswahrnehmung seines Auges heißt noch lange nicht, dass er tatsächlich Bilder sieht. Vielleicht interpretiert sein Hirn das, was er sieht, ganz anders als Bilder. Wissen wir nicht. Dafür riecht ein Hund sehr viel genauer. Und er hört auch, ich weiß nicht, wie viel mal besser als ein Mensch und auch sehr viel lauter als ein Mensch. Wie ist jetzt die Wahrnehmung von jemandem, der hauptsächlich riecht. Ein Hund riecht sogar Entfernungen. Wie macht man das? Oder ich habe mich mal intensiver beschäftigt mit der Psychologie eines Pferdes. Ich hatte euch ja schon mal erzählt, dass ich mal gedacht habe, ich will mal die Welt wahrnehmen, wie mein Pferd. Wenn ich mein Pferd verstehen will, sollte ich die Welt wahrnehmen wie ein Pferd und dort habe ich eine Weile zur Übung gemacht, ohne Wortgedanken die Welt wahrzunehmen. Das hat mich in verschiedene transzendente Bewusstseinszustände, veränderte Bewusstseinszustände, Einheitsgefühle geführt als Teenager. Und dann habe ich aber mal ein Buch gekauft über die Psychologie des Pferdes und spätestens da wusste ich, dass der Versuch, die Welt wahrzunehmen wie ein Pferd, gänzlich unsinnig ist. Vielleicht nicht unsinnig, aber er kann nicht von Erfolg gekrönt werden. Dort hieß es nämlich auch, das Pferd sieht nur schwarz-weiß. Ich habe mich schon damals gefragt, woher wissen die, dass das Pferd schwarz-weiß sieht und nicht rot-grün oder in Braunschattierungen. Jedenfalls kann ein Pferd Farben nicht wirklich unterscheiden, sondern nur Helligkeit. Pferd, laut diesem Buch – ich weiß nicht, ob es noch dem heutigen Stand der Wissenschaft entspricht – laut diesem Buch, sieht es auch keine Entfernungen, sondern ein Pferd hört Entfernungen. Pferd funktioniert mit Echolot, weshalb es dann manchmal auch diesen Pfrrr-Laut ausstößt, wenn es nicht mit den Hufen Lärm macht und dann kann das Pferd hören, wie weit es weg ist. Wenn man einem Pferd die Ohren so zu macht, dass es nichts mehr hört, dann wird es auf der Weide gegen Bäume rennen und gegen die Zäune. Wenn man dagegen einem Pferd die Augen verdeckt, wird es weiter grasen und gehen, aber nirgendwo anstoßen. Außerdem riecht ein Pferd wiederum anders. Jetzt, wie ist eine solche Wahrnehmung? Man hört Entfernungen, man sieht aber keine Entfernungen und man sieht auch keine Farbunterschiede. Noch weiter. Jetzt könnte man weiter sagen, wir haben Sinne, die auf unterschiedliche Weise die Welt interpretieren und sichtbar machen. Es ist aber doch irgendwo noch objektiv, aber irgendwo machen wir die Welt sichtbar. Und jetzt geht es aber noch weiter.

Teil 96 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

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