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Identifiziere dich nicht mit deinem Prana, der Lebensenergie

Wer bin ich? Bin ich mein Prana? Nein, ich bin nicht mein Prana. Auch wenn viele Menschen, gerade die Hatha Yoga und Kundalini Yoga üben, sich stark darüber definieren. „Ah, dieses Gefühl in den Fingern und dieses Strahlen und diese Weite im Herzen und die Lichter, die ich sehe vor meinem dritten Auge. Oder diese unglaubliche Schwingung, die ich dort überall wahrnehme, wenn ich Kapalabhati übe oder einfach nur die Augen schließe und so diese Energie fühle.“ Und dann kommt vielleicht mal eine Krankheit oder irgendwo eine Notwendigkeit, mehr Seva zu üben. Oder manchmal, auch ohne irgendwas zu ändern, plötzlich ist diese ekstatische Erfahrung weg. Wer bin ich? Immer noch ich. Ich bin nicht das Prana.

Teil 84 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Vedanta Analyse: Bin ich der Körper?

Wir gehen aber jetzt weiter. Ich habe jetzt sehr lange Zeit mit äußeren Dingen, mit denen man sich identifiziert, verbracht und diese Prinzipien können wir dann relativ einfach auch verwenden für anderes. Nämlich die Frage, „Bin ich meine Hand?“ Antwort, „Nein, ich bin nicht meine Hand. Ich kann meine Hand sehen. Ich kann sie riechen. Ich kann sie schmecken. Ich kann sie hören.“ Es gibt den Zen-Koan, das wäre das Klatschen einer Hand. Also, ich kann darüber nachdenken, aber ich bin nicht die Hand. Angenommen, ich würde die Hand bei einem Unfall verlieren, wer bin ich? Immer noch ich. Angenommen, ich würde sagen, „Ich mag meine Hand nicht. Narendras Hand mag ich lieber.“ Dann sagt Narendra, „Das trifft sich gut, ich hätte auch mal gerne eine andere Hand.“ Und angenommen, irgendjemand würde uns dann viel Geld geben, müssten wir in irgendein anderes Land fahren, die würden die Hände ändern. Wer bin ich jetzt? Niemand anderes. Ich bin immer noch ich. Angenommen, ich hätte ein Herzproblem und bekäme dann ein Affenherz, wer wäre ich? Immer noch ich. Es gibt bestimmte Studien, die zeigen, dass durchaus, nachdem man eine Herztransplantation hatte, dass man irgendwie emotional und die Persönlichkeit anders ist als vorher. Manche sagen sogar, der Charakter ändert sich in die Richtung, wie der, dessen Herz man hat. Wird manchmal bezweifelt. Manchmal wird gesagt, so eine leicht signifikante Sache könnte dort sein, man überlegt, warum, aber das Ich ist weiter gleich. Mit Narendras Hand, mit einem Affenherz, mit einer Schweineleber, einer Ziegenniere, mit Bluttransfusionen von drei anderen Menschen, wer bin ich? Immer noch ich. Ich werde vielleicht sagen, „Früher war ich anders, aber jetzt bin ich so.“ Angenommen ich denke, ich war jetzt schon die Hälfte meines Lebens Mann, wäre doch mal schön, das Leben als Frau zu erfahren. Ein paar Hormone, ein paar Operationen, dann bin ich nicht mehr Sukadev, sondern Sukadevi, werde dann vielleicht ein paar Locken dort gedreht haben, etwas andere Kleidung, wer bin ich? Immer noch ich. Ich werde mich vielleicht anders fühlen und anders reagieren, aber ich werde immer noch ich sein. All das kann sich verändern. Und Narayani hat auch ein paar Fotos mitgebracht, wie man das halt so macht, wenn man sich einmal im Jahr sieht. Dann hat sie auch Bilder von vor 25 Jahren gezeigt und da sage ich dann, „Ah, da bin ich.“ Sie hat sogar Fotos gezeigt von vor 30 Jahren, sie und Swami Vishnu. Da habe ich erst geguckt, „Und das bist du?“ Was heißt das, dass ich sage, „Das bist du.“ Das ist ein Stück Papier, „Das bist du.“ Inzwischen hat sie mehr weiße als graue Haare, damals hatte sie nur dunkelbraune Haare, damals hat sie noch ein paar Kilo weniger gehabt, obgleich sie ja weiter schlank ist. Was ist gleich geblieben? Letztlich, „ich“ bleibt weiter gleich. Das Bewusstsein bleibt gleich. Gehen wir noch weiter. Bin ich mein Prana? Viele Menschen definieren sich über ihr Prana. Oder vielleicht noch mal beim Körper. Angenommen, man definiert sich sehr stark über seinen Körper, z.B. die wunderbar glatte Haut. Was passiert im Alter? Irgendwann ist sie nicht mehr so wunderbar glatt. Man kann dann zwar noch ein bisschen Botox spritzen und die ein oder andere Creme, aber irgendwann klappt das auch nicht mehr. Oder angenommen, man definiert sich über seine wunderschönen blonden Haare, irgendwann sind die weiß. Man kann sie zwar blond färben, aber irgendwo ist es nicht das Gleiche. Oder man definiert sich über seine Sportlichkeit, dass man Marathon laufen kann. Irgendwann ist das auch vorbei. Oder es gibt einen kleinen Unfall. Oder man hat nicht mehr genügend Zeit, kann ja auch mal passieren. Man kann nicht mehr jeden Tag zwei Stunden laufen. Also, wenn man sich darüber definiert, dann wird man immer irgendwann unglücklich. Alles, was mit dem Körper zusammenhängt, ist in Veränderung begriffen oder könnte sich verändern. Manche Eigenschaften bleiben vielleicht bis zum Ende und manchmal stirbt man vielleicht, ohne vorher krank zu sein. Man kann auch einen Unfalltod oder plötzlichen Herztod sterben, aber die Möglichkeit ist immer da. Nicht identifizieren, als Instrument sehen und nutzen als Gabe Gottes, temporäre Leihgabe Gottes und wissen, „Was auch immer wir dort haben, das bin ich nicht wirklich.“

Teil 83 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Wichtiger Vedanta Tipp: Identifiziere dich mit nichts

Wir brauchen jetzt keinen Guru, der uns allen Besitz wegnimmt und nachher sagt, „Du kriegst ihn als Verwalter.“, es ist nämlich schon so. Nichts gehört uns. Alles gehört auf einer relativen Ebene betrachtet Gott, wir sind die Verwalter und es kann uns jederzeit weggenommen werden. Das ändert schon eine ganze Menge. Diese Sache allein kann dazu führen, dass wir verhaftungsloser handeln. Könnt ihr darüber nachdenken und immer dann, wenn ihr merkt, dass ihr euch über einen Verlust ärgert oder immer dann, wenn etwas nicht so ist, wie ihr es gerne hättet, könnt ihr euch überlegen, „Ja, es gehört nicht mir.“ Aber dann, wenn ihr daran denkt, „Es gehört eh nicht mir, es ist mir ganz egal.“, dann könnt ihr auch wieder sehen, „Ja, aber verantwortungsbewusst gilt es trotzdem zu handeln.“ Das besagt auch das Karma. Verantwortungslos handeln führt nur dazu, dass man die Aufgabe nochmals bekommt. An diesem banalen Beispiel des Besitzes kann man auch noch etwas anderes sehen. Denn, wenn man sich über etwas definiert, dann will man auch, dass andere das besonders anerkennen. Z.B. angenommen, man definiert sich ganz besonders über sein neues, tolles Auto, was will man dann? Das andere sagen, „Oh, du hast aber ein tolles Auto. Ein Elektroauto oder Biogaselektroauto, das nur aus nachwachsenden Rohstoffen ist. Dein Umweltbewusstsein, das möchte ich auch haben.“ Also angenommen, man definiert sich so, dann freut man sich. Wehe, man fährt das Auto und niemand bemerkt es und man erzählt so wie beiläufig, dass man sich jetzt ein Elektroauto gekauft hat und keinen interessiert es. Und warum will man eigentlich dafür anerkannt werden? Warum braucht man das? Die Jnana Yogis haben dafür eine tiefe Begründung, nämlich, tief im Inneren wissen wir, „Eigentlich habe ich mit diesem Auto nichts zu tun. Eigentlich habe ich mit meinem Hemd nichts zu tun. Eigentlich habe ich mit meiner Frisur nichts zu tun. Ich brauche deshalb Bestätigung.“ Ohne äußere Bestätigung kann diese Identifikation schwierig aufrechterhalten werden. Wir brauchen also Leute, die uns bewundern für unseren Besitz, die den anerkennen, damit wir irgendwo daraus Zufriedenheit haben. Denn tief im Inneren wissen wir, „Es stimmt nicht. Ich bin nicht meine Kleidung. Ich bin nicht mein Haus. Ich bin nicht meine Frisur. Ich bin nicht mein Auto.“ Und deshalb brauchen wir andere, die uns dafür anerkennen. Es ist nicht immer so. Sicherlich ist es nicht immer so. Als ich nachher nicht wusste, „Was mache ich denn jetzt?“ und dann habe ich gesagt, „Was findest du denn am besten?“ und dann hat sie gesagt, „Das ist eine schöne Uhr.“, das hat mich gefreut. Wenn sie jetzt gesagt hätte, „Keine schöne Uhr.“, dann hätte ich sie trotzdem getragen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich das eine schöne Uhr findet, denn sie kennt mich dann auch. Bei so persönlichen Dingen fällt es mir schwierig, was zu entscheiden, denn letztlich ist mir das auch ziemlich egal, was ich für eine Uhr habe. An Dingen erfreue ich mich nicht wirklich dran. Es gibt andere Sachen, die mir große Freude schenken, aber irgendwo, dass sie gesagt hat, „Das ist eine schöne Uhr., war doch ein richtiger Kauf. Das ist selbstverständlich gut. Es mag vielleicht auch irgendwo etwas geben, gerade wo du dich mehr definierst, als wo du dich einfach nur kurzfristig daran erfreust, wo du vielleicht auch hoffst, dass andere das auch anerkennen. Vielleicht. Vielleicht bist du aber auch schon so weit Yogi, dass du dich mit nichts identifizierst und den Ananda-Aspekt von Gott im Universum öfters genießen willst, aber weißt, es ist temporär, „Jetzt genieße ich es, wo es ist, wenn es nachher vergeht, ist es vorbei, macht mir auch nichts aus.“ Das wäre z.B. typische Freude eines Jnana Yogis. Er freut sich, solange es einem gegeben wird, wenn es verschwindet, ist nicht weiter tragisch. Ich will jetzt aber zum nächsten Schritt gehen, aber du hattest dich schon eine Weile gemeldet. Man sagt ja, Marketing funktioniert danach, dass man nach Sehnsucht nach Anerkennung geht, wo dann in der Werbung gezeigt wird, die Kinder sind der Mutter dankbar. Dann hofft man, wenn man den Kindern das kauft, sind die Kinder dankbar usw. Noch eine Frage. Gerade für Kinder ist das ganz besonders. Als spirituelle Aspiranten wollen wir irgendwie darüber hinausgehen. Das heißt nicht, dass nicht unsere Psyche vielleicht Lob und Anerkennung weiter gebrauchen kann. Nur, wir sollten uns nicht damit identifizieren. Wenn wir nämlich abhängig werden davon, dass Menschen uns loben oder anerkennen, dann ist unser Glück sehr stark von anderen abhängig. Und auch noch mehr, andere können uns auch manipulieren. Vielleicht gerade auch noch eine andere Anekdote, wo mir dieses Prinzip klar geworden ist. Als ich irgendwann mal in Los Angeles ein Yogazentrum geleitet habe, ich war da gerade 22 Jahre, und irgendwie damals war so die Zeit, wo Mastercard und Kreditkarten begonnen haben und gerade in Amerika fingen die Leute alle an, mit Kreditkarten zu bezahlen. Da wollten wir für das Yogazentrum auch, dass wir das Merchant Agreement für Kreditkarten bekommen konnten. Weil die Bank aber dort letztlich bürgen muss und man könnte ja auch theoretisch von Kreditkarten dort mehr Geld abziehen als eigentlich verlangt ist, dann könnte man weglaufen, dann muss die Bank irgendwie ein Vertrauen haben. Und jedenfalls, wir haben das beantragt und die Bank hat es abgelehnt. Dann habe ich noch mal den Bankberater persönlich gesprochen und der hat gesagt, geht nicht. Und dann habe ich das einem unserer Yogalehrer gesagt, der war gleichzeitig Rechtsanwalt und der hat mir gesagt, „Ich zeige dir das, wie das geht.“ Und der hat dann so ein Konferenz-Call gemacht, also, wo er mich am Telefon hatte und den Bankdirektor und er hat vorher so ein paar Erkundigungen eingezogen über den Bankdirektor und dann hat er erstmal angefangen, „Hallo, ich möchte mal mit Ihnen sprechen und mich Ihnen vorstellen. Ich bin Yogalehrer in dem und dem Yogazentrum.“ Er hat bewusst auf Rechtsanwalt verzichtet, er wollte mir nämlich noch zeigen, dass das geht, auch ohne, dass er Rechtsanwalt ist. Und er sei dort Yogalehrer und die Bank, wir seien ja schon lange Kunden dort und jetzt sei er der neue Leiter dieser Bank und er hätte ja schon viel Gutes über ihn gehört. Und irgendwo so ein paar Sachen, was der schon für positive Dinge beeinflusst hätte und die Schalterbeamten würden schon ein bisschen anders aussehen und es sei sehr viel organisierter, man würde schon sehen, wenn man reinkommt, ist es sauberer. Also, er hat ihm Honig in den Mund geschmiert. Ich bin vor Scham fast versunken hinter meinem Hörer. Vermutlich so würde es in Deutschland nicht funktionieren, da müsste man sich vermutlich etwas anderes einfallen lassen. Aber jedenfalls, nachher hat er dann gesagt, so ganz beiläufig, er wollte jetzt ja auch noch mal sagen, das Zentrum, das würde ja jetzt besonders gut laufen, da gäbe es jetzt auch einen neuen Leiter und das würde er sicherlich in seinen Bankauszügen sehen, es würde dort florieren und hätte Umsatzsteigerung von dreißig Prozent und jetzt wäre dort halt auch nötig, dort so ein Merchant Agreement zu haben und irgendein Schalterbeamter, vermutlich noch vom alten Leiter, der hätte dort einen Fehler gemacht. Da könnte er ja mal hingucken und vielleicht wäre es doch schön, wenn er da noch mal gucken könnte. Das war alles. Drei Tage später, ohne weitere Sachen, die gemacht werden mussten, kam das Merchant Agreement unterschrieben zurück und wir hatten die Möglichkeit, Kreditkarten anzunehmen. Da habe ich aber auch gedacht, muss ich aufpassen. Das ist ja das Gabelstaplerprinzip. Kennt ihr das? Jemanden hochheben, dann kann man ihn dort hintransportieren, wo man ihn gerne hätte. Das wird durchaus in Amerika häufiger verwendet als in Deutschland. In Deutschland hat man mehr das „Tritt in den Hintern“-Prinzip. Man tritt jemanden so lange, bis man ihn da hat, wo man ihn gerne hätte. Eigentlich hat das amerikanische Gabelstaplerprinzip mehr Charme, meine ich, als das, was in Deutschland doch häufiger angewendet wird. Aber wir sollten uns weder vom einen noch vom anderen manipulieren lassen. Und wir sollten nicht abhängig sein vom Lob anderer. Aber natürlich, wir können andere – jetzt, wir wollen andere nicht manipulieren – aber natürlich, ihr lernt ja auch als Yogalehrer, es gilt, positives Feedback den Teilnehmern zu geben und dann werden sie auch Yoga lieben und mögen.

Teil 82 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Wer bin ich?

Eine der bekannten Analysen, die wir auch in der Viveka-Chudamani finden – wir werden ja nicht durch alle Verse durchgehen können – und zum Herausfinden werden wir jetzt den letzten Vers nehmen, „Jivo Brahmaiva Naparah“, ist herausfinden, „Wer bin ich?“ mit Hilfe der so genannten Subjekt-Objekt-Analyse. Viele von euch haben das vielleicht schon sehr häufig von mir gehört, manche haben es noch nicht gehört. Es ist etwas Wichtiges und etwas, was man sich immer wieder sagen kann, dass man bewusst wird. Denn eigenartigerweise, selbst wenn man mal vorübergehend das halbwegs verstanden hat, nachher vergessen wir es wieder. So ähnlich, angenommen, man ist in irgendeinem fremden Land und da ist man eigentlich nur vorübergehend und man hat niemanden sonst, da kann es sein, dass man vergisst, wer man eigentlich ist. Was auch immer dieses „eigentlich“ sein sollte. Aber tief im Hintergrund kommt das öfters mal wieder. Die Subjekt-Objekt-Analyse, eine der Form von Atma-AnAtmaViveka, die Unterscheidung vom Selbst und Nicht-Selbst, beruht eben darauf, es gibt den Wahrnehmenden und es gibt das Wahrgenommene. Der, der wahrnimmt, nimmt etwas wahr, was wahrgenommen wird. Und da beginnt man dann erstmal mit dem Grundaxiom, derjenige, der wahrnimmt, dass ist das Bewusstsein, das, was wahrgenommen wird, ist etwas anderes zunächst mal. Natürlich, vom höheren Vedanta-Standpunkt aus ist alles Brahman und da Brahman Atman ist, bin ich sowieso auch alles. Aber jetzt für die Zwecke dieser Analysen gilt es erstmal, sich zu lösen von begrenzten Identifikationen. Also, Subjekt, der Wahrnehmende, Objekt, das Wahrgenommene. „Ich bin derjenige, der wahrnimmt. Ich bin nicht derjenige, der wahrgenommen wird.“ Wir können einfach anfangen mit meinem Lieblingsbeispiel. Bin ich diese Uhr? Antwort offensichtlich, nein. Warum bin ich nicht diese Uhr? Ich nehme die Uhr wahr. Ich sehe die Uhr, ich kann sie riechen, schmecken, fühlen, hören. Gut, diese Uhren machen normalerweise keinen Lärm, es sei denn, man stellt sie irgendwo ein, aber man kann sie einstellen, dann machen sie auch Lärm. Also, ich nehme diese Uhr wahr. Ich bin jemand anderes als diese Uhr. Das ist erstmal ein extrem banales Beispiel und so fangen wir an, denn nachher können wir dann etwas schwieriger werden. Ich bin nicht diese Uhr, ich nehme die Uhr wahr. Jetzt auch noch etwas, die Uhr, also das, was wahrgenommen wird, ist in ständiger Veränderung begriffen. Der, der wahrnimmt, ist nicht in ständiger Veränderung begriffen, wir werden dort nachher noch mal darauf zu sprechen kommen. Wenn wir natürlich jetzt sagen würden, „Ich bin eine Persönlichkeit.“ und „Ich bin dieser Körper.“, dann würde man natürlich sagen, „Ich bin schon in Veränderung begriffen.“ Gestern habe ich mit Narayani und Eva-Maria zusammen bei uns im Appartement gegessen und dann haben wir von der guten alten Zeit gesprochen und tatsächlich, vor 27 Jahren, als wir uns erstmals gesehen hatten, waren wir jünger gewesen. Oder irgendwann mal habe ich mit Narayani zusammen Asanas vorgemacht in einer Yogavorführung. Ist inzwischen auch 24 Jahre her. Aber der, der wahrnimmt, im Sinne von Bewusstsein, bleibt immer noch gleich. Also derjenige, der wahrnimmt, im Sinne von Bewusstsein, bleibt gleich, aber das lassen wir noch erstmal. Aber das Wahrgenommene, das verändert sich in jedem Fall. Jetzt gibt es ein Problem und zwar das Problem, was genannt wird, Identifikation und Besitz. Denn das ist nicht irgendeine Uhr, sondern das ist meine Uhr. Wieso ist das meine Uhr? Weil sie noch nicht geklaut wurde, das ist eine sehr gute Antwort. Ich muss da jetzt aufpassen. In dem Fall habe ich sie irgendwo im Internet bestellt und habe sie dann irgendwo bezahlt und deshalb kann ich sagen, das ist meine Uhr. Andererseits angenommen, ich hätte die Uhr gefunden, wäre es dann meine Uhr? Vielleicht juristisch nicht, aber vom subjektiven Gefühl schon. So hier im Haus werden ja eine Menge Dinge verloren und nach einer gewissen Zeit wird dann gesagt, dann können sich die Mitarbeiter aus dem Fundus dort bedienen und wenn man das eine Weile gehabt hat, dann wird man sagen, „Das ist mein.“ Mindestens subjektiv wird man das spüren. Jetzt in dem Moment, wo ich sage, „Das ist meine Uhr.“, dann wird es schon schwierig. Noch mehr als statt „meine Uhr“, kann man sich auch darüber definieren und sagen, „Ich bin der Uhrenträger.“ Jetzt, in dem Moment, wo ich sage „mein“, kommen noch weitere Probleme. Z.B. die Uhr kann geklaut werden. Jetzt angenommen, ich sage, „Das ist meine Uhr.“ und die Uhr wird geklaut, dann tut mir das Herz weh und ich sage, „Wieso wird mir die Uhr geklaut? Warum meine Uhr? Was ist die Welt so schlecht. Dieser Ashram taugt nichts und in diesem Ashram wird eine Uhr geklaut. Wie kann das sein?“ Es gibt ein kosmisches Gesetz, wo viele Menschen zusammen sind, wird viel Karma erzeugt und ausgearbeitet. Wenn ich mich identifiziere, dann fängt das Leiden an. Und da gibt es eben das eine, wo man sagt, „Das ist Besitz. Ich besitze diese Uhr.“ und jetzt wird die Uhr geklaut und dann tut mir das weh, weil es meine Uhr ist. Natürlich, „mein“ ist jetzt nicht nur Geld. Manche Menschen trauern, wenn irgendwas, was ihnen gehört, abhanden kommt, sehr viel mehr als nur der Wert. Da stecken noch Emotionen dran, „meine Uhr“. Für diese Uhr habe ich sogar einigermaßen – sonst habe ich mir die immer relativ schnell gekauft. In ein Geschäft und einfach gesagt, „Darf keinen Krach machen, muss einen Timer haben und die Sekundenzeiger müssen gut sichtbar sein, damit man das Pranayama gut ansagen kann.“ Aber in dem Fall bin ich erst in zwei Geschäfte gegangen, die hatten nicht, was ich wollte. Dann bin ich ins Internet. Also ich habe da einigermaßen dort Forschungsarbeit betrieben, „Was könnte die beste Uhr dort sein?“ Da steckt Zeit dran usw. Wenn die Uhr dann geklaut wäre, dann, „Meine gute Uhr.“ Die hat so einige tolle Funktionen. „Sie wird immer attraktiver.“, ich glaube, jetzt muss ich sehr darauf aufpassen. Allerdings muss ich sagen, ein paar Funktionen, die ich gedacht habe, dass sie hilfreich sind, sind nicht sehr hilfreich. Z.B. die Temperatur. Die zeigt eigentlich die Temperatur an, aber ich habe nicht bedacht, die zeigt die Temperatur meines Handgelenkes an. Nach dieser Uhr haben wir jetzt 27 Grad. Also, diese Funktion nutzt einem nichts. Und dass es 1025 Millibar momentan ist, das sagt jetzt auch nicht übermäßig viel. Wenn man jetzt sagt, „Sie ist mein.“ und sie wird einem genommen oder sie geht kaputt oder jemand steigt drauf und mir ist schon mal eine Uhr kaputtgegangen. Als ich Yogaschüler war, habe ich die Uhr neben meine Matte gelegt und dann ist dort der Yogalehrer draufgetreten und die Uhr war kaputt. Das war in dem Fall besonders tragisch, denn ich war verantwortlich, die Leute morgens zu wecken, da gab es nämlich noch einen Weckdienst. Das war während meiner Yogalehrerausbildung. Aber es hat eine positive Wirkung gehabt. Da habe ich gelernt, ich kann auf Kommando aufwachen. Ich habe so gesagt, „Bitte liebes Unterbewusstsein, lass mich am nächsten Tag dann und dann aufwachen.“ Aber viele Menschen identifizieren sich über ihren Besitz und kriegen dann Probleme. Und jetzt nicht nur identifizieren, sondern sie definieren sich. Angenommen, ich identifiziere mich mit etwas und dann habe ich vielleicht einen besonderen Anzug und eine besondere Brille und eine besondere Uhr und vielleicht noch besondere, was weiß ich noch und jetzt kommt das irgendwie abhanden. Manche Menschen fühlen sich dann wie nackt, weil sie nicht diesen Körperschmuck haben, den sie denken, den sie brauchen. Ein anderes Beispiel. Viele Menschen heutzutage definieren sich über ihre Autos. Ich bin immer noch dabei und versuche herauszufinden, wie sich das anfühlt, denn ich habe noch nie in meinem Leben ein Auto besessen. Ich fahre zwar auch ab und zu mal Auto, denn Yoga-Ashrams haben eben auch ein Auto und dann fahre ich auch mal, aber es war nie meins. Deshalb, für mich ist ein Auto ein Fortbewegungsmittel, das nach Möglichkeit zu vermeiden ist. Wenn irgend möglich, fahre ich lieber mit dem Fahrrad oder mit dem Zug, das ist mir sympathischer, aber notfalls fahre ich auch mit dem Auto, das ist letztlich auch egal. Aber ich habe irgendwann mal so in „Psychologie heute“ einen Artikel gelesen über Mensch und Auto. Früher hatte ich gedacht, nur Männer sind so verrückt, sich mit dem Auto zu identifizieren, da stand drin, Frauen sind mindestens genauso verrückt. Manche kennen die Geschichte, die ich gerne an der Stelle erzähle. Irgendwann, als ich im Westerwald war, haben wir mal ein besonders gutes Auto gehabt. Meistens kriegen wir ja entweder geschenkte Autos, wenn jemand sagt, „Mit dem Auto kann ich nichts mehr anfangen, dann schenke ich es mal Yoga Vidya.“ oder wir kaufen halt irgendwelche Gebrauchtwagen und da ist die Obergrenze, was wir uns als Verein leisten können, relativ niedrig. Also, wir haben meistens alte Autos. Aber irgendwann hat uns jemand ein gutes Auto geschenkt und das war so ein Honda Civic und damals war der irgendwo relativ gut und dort bin ich zu einer Autowaschanlage gefahren und dann kam dort jemand und sagte, „Wie viel Kubikzentimeter haben Sie?“ oder „Wie viel Kubik haben Sie?“ Da habe ich mich umgedreht und habe gedacht, „Soll ich jetzt eine mathematische Rechnung aufstellen? 1,74 Meter mal 30 mal 40.“ Aber der hat gar nicht meine Verwirrung bemerkt. Dann hat er gesagt, „Meins hat soundso viel Kubikzentimeter und so viel Liter.“ und dann, nach einer Weile, habe ich herausgekriegt, der hatte auch einen Honda Civic und offensichtlich gab es da verschiedene Formen davon und die einen haben mehr Kubik und andere haben weniger Kubik. Jedenfalls, er hat weiter auf mich eingeredet und nach einer Weile habe ich dann auch versucht, mich einzustimmen und habe auch irgendwie gesagt… Wir haben uns wunderbar verstanden dann. Ich habe mich richtig fröhlich und beschwingt gefühlt, so eine menschliche Nähe, wie zwei Brüder waren wir dort gewesen in dem Moment und alles nur, weil wir das gleiche Auto hatten. Aber er hat nicht gesagt, „Wie viel Kubikzentimeter hat Ihr Auto?“, sondern „Wie viel Kubik haben Sie?“ und „Ich habe…“ Also, so weit kann Identifikation irgendwo gehen. Und irgendwo hat er sich dann auch gefreut, dass sein Auto offensichtlich ein paar Kubik mehr hatte. Das hat ihn noch etwas gönnerhafter werden lassen und außerdem war offensichtlich, dass er mehr wusste als ich, so war ich sein jüngerer Bruder, dem er jetzt so einige Tipps auch für die Pflege des Autos gegeben hat. Und dann irgendwo, ein paar Tage später, hat ein anderer Mitarbeiter des Ashrams das Auto irgendwo an einer Leitplanke entlang gefahren, so war das Auto schon nicht mehr so gut. Ein anderes Mal ist jemand rückwärts gegen einen Baum gefahren. Und was dann dem Auto den Rest gegeben hatte, irgendwann ist der Bach über die Ufer getreten und das war die einzige Zeit, wo dann der Parkplatz einen Meter unter Wasser gestanden hat und dann ist das Auto abgesoffen. Ich muss zugeben, so ein bisschen traurig war ich auch und ich muss zugeben, seitdem dieses Erlebnis war mit diesen einen Menschen, der mir irgendwo erzählt hat, wie toll ich doch wäre mit meinen Kubikzentimetern und wie viel PS ich habe, hat es mir doch ein bisschen weh getan, jedes Mal als ich gehört habe, dass ausgerechnet dieses Auto wieder irgendwo eine Schramme hatte und dann noch eine größere Schramme und schließlich – den Geist aufgeben, kann man nicht sagen. Man hat aber immer noch einen guten Preis, selbst als der Motor nicht mehr funktioniert hatte, gekriegt. Eines dieser Altautos wäre teurer als was wir für diesen nicht funktionierenden, wo der Motor kaputt war, links und hinten Dellen waren, noch gekriegt haben. Also, Identifikation. Wenn wir jetzt vom yogischen Standpunkt ausgehen, sagen wir, „Ich bin natürlich nicht mein Besitz. Ich bin unanhängig von meinem Besitz. Und mir gehört auch nicht wirklich etwas.“ In meinem Fall kann ich das einfach sagen, weil das Auto gehörte mir ja tatsächlich nicht, es gehörte dem Verein. Aber selbst wenn es einem persönlich gehört, es ist immer nur – ihr erinnert euch – eine Mietsache von unbestimmter Mietdauer, die jederzeit einseitig gekündigt werden kann. Und zwar ohne Schadensersatz. In jedem Moment kann uns alles, was wir denken, was uns gehört, weggenommen werden. Wenn wir das von vorneherein wissen, dann kann man sich sehr wohl erfreuen, wenn man sich an einem Auto erfreuen kann, oder an seinem Fahrrad oder was auch immer man hat, Hose, Hemd, iPhone oder die schöne Wohnung, die schönen Möbel, die schöne Frisur. Man kommt gerade vom Friseur und hat sich die Haar färben lassen und legen lassen und rollen lassen und zusätzliche Strähnen reinbauen lassen und dann kommt irgendwo ein Regen oder noch schlimmer, man kommt in die Wohnung und Farbe tropft runter, weil der Lebensgefährte einem ein besonderes Geschenk machen wollte, das dann aber nicht ganz so ankommt, weil dann die wunderbare Frisur kaputt ist und man jetzt gerade gedacht hat, „Jetzt bin ich ein neuer Mensch.“ Man war beim Friseur gewesen. Also, alles Dinge von beschränkter Mietdauer. Aber wir haben auch eine bestimmte Verantwortung dafür und deshalb gilt es natürlich, mit den Dingen, die uns anvertraut wurden, verantwortungsbewusst umzugehen.

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Wer bin ich? Die Geschichte von Janaka und Ashtavakra

Es gibt dort eine schöne Geschichte von Janaka und Ashtavakra, eine meiner Lieblingsgeschichten. Ashtavakra war ein großer Heiliger, Janaka war König von Videha und der Janaka ist für eine Weile in den Ashram von Ashtavakra gegangen, um dort über Vedanta zu lernen. Und am Ende des Kurses sagte Janaka, „Was hättest du gerne als Dakshina?“ Dakshina ist so die Gabe, die man dem Lehrer gibt. Im alten Indien war nicht üblich, dass man vorher einen Preis bezahlt, sondern am Ende der Lehrperiode gibt man dem Lehrer ein Dakshina. Und je nachdem, wie vermögend jemand war, konnte das mehr oder weniger sein. Jetzt der Janaka wusste, der Ashtavakra, weil er ein sehr bekannter und großer Lehrer war, der hatte eigentlich mehr, als er gebraucht hat und der hat alles, was er bekommen hat, auch gleich wieder weitergegeben. So im alten Indien, die großen Lehrer, das war wie so eine Umverteilungsinstitution. Die reichen Leute haben viel gegeben, als Dankbarkeit für die Lehren, und die haben das dann verteilt an die Armen. Und der Janaka wusste jetzt nicht, was kann er dem Ashtavakra geben und sagte, „Du kannst dir aussuchen, was du haben willst. Was auch immer es sei, ich werde es dir geben, wenn es mir irgendwie möglich ist.“ Ashtavakra schaute ihn an und sagte, „Alles, egal, was ich will?“ Janaka, der diesen Blick von Ashtavakra kannte, hat geschluckt und sagte, „Ja“, er atmete zweimal und sagte, „Mein Wort gilt.“ Und dann sagte Ashtavakra, „O.k. überschreibe mir dein Königreich.“ Janaka atmete fünfmal durch und sagte, „O.k., mein Wort gilt.“ Dann sagte Ashtavakra, „O.k.“ und zu seinen Schülern, „Bringt mir Pergament“ – oder was es auch immer damals dort gab – „und Siegelwachs.“ und dann kam der König und hat dort unterschrieben, „Hiermit überschreibe ich mein ganzes Königreich auf Dauer dem Ashtavakra.“ Dann sagte Ashtavakra, „O.k., danke dir. Du kannst gehen.“ Gut, Janaka ging. Als er fast außer Sichtweite war und fast außer Hörweite, schrie Ashtavakra ihm noch mal zu und sagte, „Janaka, komm zurück!“ Janaka kam langsam zurück, dann sagte Ashtavakra, „Weißt du, was soll ich mit einem Königreich anfangen? Regiere du das Königreich für mich. Und du bekommst eine besondere Aufgabe. Erzähle niemandem davon, dass das Königreich mir gehört. Tue so, als ob das Königreich dir gehört, als ob du der König bist und meine Schüler werde ich auch zum Schweigen verpflichten. Aber ich habe hier dieses Dokument. Es kann jeden Moment passieren, dass ich in dein Königreich gehe und jemand anderes als König einsetze. Und jetzt gehe!“ Der Janaka hat jetzt das Königreich regiert. Er wusste, „Es ist nicht mein Königreich. Es ist das Königreich meines Gurus.“ Und natürlich, da er so große Hochachtung vor seinem Guru hatte, hat er das Königreich so gut regiert, wie er konnte. Er durfte nicht sagen, dass es nicht sein Königreich ist, also hat er so getan, als ob es sein Königreich wäre. Aber tief im Hintergrund wusste er, „Es ist nicht mein Königreich.“ und so konnte er das Königreich verhaftungslos regieren und gilt deshalb als ein gutes Beispiel von jemanden, der Karma Yoga und Jnana Yoga miteinander verbunden hat und dann die Selbstverwirklichung erreicht hat, obgleich er im Luxus eines Königs gelebt hat. Und irgendwo, wenn man König ist, damit man seine Autorität hat, gilt es auch durchaus, die ganzen Insignien eines Königs dann auch zu tragen.

Teil 81 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Die drei wichtigsten Vedanta Lehrsätze

Dann die drei Sätze des Sankara. Die drei großen Sätze der Vedanta. „Brahma Satyam Jagan Mithya Jiva Brahmaiva Naparah. – Brahman allein ist wirklich. Jagad, die Welt, so wie wir sie wahrnehmen ist unwirklich, ist eine Täuschung. Jivo Brahmaiva Napara. Jiva – das Individuum, Napara – ist nichts anderes, Na – nichts, Apara – anderes, Brahma – als Brahman, Aiva – allein. Dieses Selbst ist nichts als Brahman allein.“ Und im Grunde genommen, dieses ganze Werk, Viveka-Chudamani, will uns beschreiben, wieso das eigentlich so ist und auch, wie wir dort hinkommen. Dann ist eben auch die Aussage, solange wir im Relativen gefangen sind, so lange wir uns mit etwas identifizieren, was wir nicht wirklich sind, solange ist Leid da, solange gibt es Unzufriedenheit, solange wissen wir, irgendwas stimmt nicht. Das ist so ähnlich, angenommen, ihr würdet morgens aufwachen, hättet vergessen, wer ihr seid. Irgendjemand erzählt euch dann und irgendwo tief im Hinterkopf wisst ihr die ganze Zeit, irgendwas stimmt nicht. Ihr wisst nicht, was und warum, aber ihr wisst, irgendwie stimmt was nicht. Und nehmen wir sogar an, vielleicht hat euch irgendjemand irgendwelche Drogen gegeben. Und eigentlich seid ihr ein enthusiastischer, kreativer Künstler und jemand gibt euch Drogen. Ihr habt am nächsten Tag vergessen, wer ihr eigentlich seid und dann wird euch am nächsten Tag eingeredet, ihr seid ein Finanzbuchhalter. Und dann müsst ihr Finanzbuchhaltung machen. Irgendwie merkt ihr, da stimmt was nicht. Ihr wisst nicht, warum, ihr wisst nicht, wieso, aber ihr wisst, da stimmt was nicht. Und jetzt könntet ihr alle möglichen Techniken machen, um glücklich zu sein. Jeden Morgen aufwachen und sagen, „Ich bin glücklich.“ Ihr könntet jeden Morgen zehn Runden Kapalabhati machen. Ihr könnt euch noch vieles einfallen lassen, was man noch machen kann, um sich glücklich zu machen. Solange ihr tief im Hinterkopf wisst, irgendwas stimmt dort nicht, solange werdet ihr nicht dauerhaft glücklich sein. So ist es auch, solange wir nicht aufwachen und erkennen, wer wir wirklich sind, solange wir uns mit etwas identifizieren, was wir nicht sind, solange sind wir unglücklich. Es ist deshalb auch nicht irgendwo von theoretischer Bedeutung, sondern es ist von essentieller, wichtiger Bedeutung, zu erkennen, wer man wirklich ist.

Teil 79 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Die 4 Mahavakyas im Vedanta

Ich möchte heute Morgen zunächst ein paar grundlegende Aussagen von Sankaracharya noch mal systematisieren, bevor wir im Viveka-Chudamani fortfahren. Die drei wichtigen Sätze von Sankaracharya, die die ganze Vedantaphilosophie zusammenfassen sind wie? Das sind die vier Mahavakyas. Wir können ja anfangen, erstmal die vier Mahavakyas. Das sind die großen Aussagen, die in den Upanishaden gefunden wurden. „Maha – großartige, Vakyas – Aussprüche“ Wie heißen die noch mal? „Tat Tvam Asi. – Das bist du. Aham Brahmasmi. – Dieses Selbst ist Brahman oder Ich bin (Aham) Ich bin Asmi dieses Brahman.“ Das dritte ist, „Prajnanam Brahman. – Bewusstsein ist Brahman.“ Und das vierte ist, „Ayam Atman Brahma. – Dieses Selbst ist Brahman.“ Da steht meistens „Brahma“. Die Orientalisten und auch die Yogameister haben irgendwann bei der Transkription ins Englische einen Unterschied gemacht zwischen Brahma und Brahman. Brahma ist der Brahma, das ist der Schöpfer, und wenn es im Sanskrti Neutrum ist, „das Brahma“, was aus dem Kontext hervorgeht, dann wurde das eben als Brahman übersetzt. Also, was ihr z.B. in der Yogalehrerausbildung gelernt habt, Brahma ist der Schöpfer und Brahman ist das Absolute, ist eigentlich so eine gewisse Konvention, die man gemacht hat, damit solche, die nicht den ganzen Kontext kennen, wissen, wovon man spricht. Die Mahavakyas sind keine Mantras, die Mantracharakter haben. Man nutzt sie als Denkstütze, aber natürlich, dann würde man sagen, „Ayam Atman Brahma“, kann man auch sagen oder „Prajnanam Brahma“. Das sind also die vier Mahavakyas. Noch mal zusammen. „Tat Tvam Asi. – Das bist du.“ Und dann, „Aham Brahmasmi. – Ich bin dieses Brahman. Prajnanam Brahma. – Bewusstsein ist Brahman.“ und „Ayam Atma Brahman. – Dieses Selbst ist Brahman.“

Teil 78 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Vairagya als Quelle der Gelassenheit im Vedanta

Ein nächstes, was er dann aber sagt, ist, „Losgelöstheit, Vairagya ist der innere Abstand gegenüber den Dingen der Sinneserfahrung.“ Also, wir sind irgendwo gelöst. Man kann sagen, es gibt zwei Grade von Vairagya und das ist jetzt eine Temperamentfrage. Die eine Vairagya ist so weit, dass man so weit losgelöst ist, dass man nicht durch die ganzen Emotionen durchgeht. Und ich kannte auch jemanden, das war ein direkter Schüler von Swami Sivananda, das war so ein reiner Vedantin, ein Swami BrahmAnanda, und der war diese Art von Vedantin. Die Grundemotion von ihm war eine Heiterkeit bis zu einer Amüsiertheit. Ich weiß nicht, ob ihr das nachvollziehen könnt. Er war so ein Verstehender, der konnte alles verstehen und annehmen und er hat nie einen beurteilt oder erst recht nicht verurteilt, aber er war auch von nichts dort berührt. Ich habe ihn gekannt als er irgendwo, ich glaubt, Mitte 80 war er gewesen, aber er hat Vedantavorträge gegeben, er hat über Bhagavad Gita und das Nareshwari und noch eine andere Schrift dort gesprochen. Er hat jeden Morgen und Abend hat er mit uns dort dieses Nirwana Sharakam rezitiert, also die sechs Strophen zur Befreiung, die wir ja gestern auch rezitiert haben. Und er hatte auch schon diverse körperliche Gebrechen und hatte auch irgendwo körperliche Schmerzen gehabt, aber das hat ihm nichts ausgemacht. Manchmal tat es ihm dann irgendwie so weh, dass er irgendwo Assistenten brauchte, auf die er sich stützen musste und das hat ihn irgendwo amüsiert und er hat gesagt, „This body here can‘t walk anymore. Dieser Körper kann nicht mehr richtig laufen.“ und dann fing er an zu lachen und sagte, „This knee hurts.“, dann fing er an zu lachen, „Die Knie hier“ oder „This knee produces pain. Dieses Knie produziert Schmerzen.“ Aber er hat dort keine Schmerzen im Gesicht gehabt, sondern er fing dann an zu lachen. Oder wenn jemand ihm Liebeskummer erzählt hatte, auch das hat man ihm dann erzählt und da hat er dann gefragt, „Frag dich, wer hat Liebeskummer?“, wie ich es euch vorher erzählt hatte. Aber es war nicht so, dass er gesagt hätte, „Wie kommst du dazu, Liebeskummer zu haben, wo du doch ein Vedanta-Schüler bist und schon so viele Vorträge gehört hast?“ Er fand das irgendwo erheiternd. Nicht arrogant erheiternd. Er war auf seine Weise sehr bescheiden, aber dennoch stand er über den Dingen. Also das ist ein Grad von Vedanta. Aber es gibt diesen zweiten Grad von Vedanta und der ist einfacher. Man geht durch die Emotionen, man geht durch Höhen und Tiefen, man empfindet das und parallel, während man da durchgeht, hat man ein Vairagya und eine Viveka dahinter, wo man weiß, „Spielt auch keine allzu große Rolle. Ich bin es nicht wirklich.“ Und es ist jetzt auch nicht erheblich, „Ich muss nicht ständig gleichmütig sein.“, auch daran kann man hängen, an der Emotion des Gleichmuts. Selbst daran müssen wir nicht hängen. Wir müssen auch nicht an der Belohnung hängen, dass jedes Mal, wenn wir die Yogastunde machen, dass wir genauso toll uns fühlen. Und jede Meditation ist so großartig. Natürlich, noch weniger muss man an dem Thema der Yogastunde hängen. Da haben einige gestern Morgen irgendwo eine unfreiwillige Lektion bekommen. Ich hoffe, dass ihr nicht die gleiche Lektion wiederholt habt. Anscheinend hat gestern Morgen die fortgeschrittene Gruppe nicht die Mahavakyas gehabt. Und es ist ja dann auch gut, dass ihr es mir dann sagt. Aber wenn man so darauf ist und dann nachher noch Tage danach wettert, das wäre nicht gut. Ein bisschen enttäuscht zu sein, ist auch gut. Darüber zu lächeln, dass man sieht, „Mein Geist ist enttäuscht.“, ist auch gut. Es dann zu sagen, damit künftig die Sachen besser organisiert werden, ist auch gut. Denn angenommen, man würde nichts sagen, dann hätten vielleicht heute auch wieder mindestens eine Gruppe, eine ganz andere Yogastunde gehabt. Ich hoffe, ihr versteht, wie das Ganze gemeint ist mit diesem Vairagya.

Teil 76 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Engagement ist gut – und besser noch gepaart ohne Anhaften

Engagiert sein, ist gut. Und ein engagiertes Leben ist gut. Intensive Erfahrungen manchen – oder es muss auch nicht intensiv sein – aber Erfahrungen machen ist gut. Patanjali hat ja auch diesen Ansatz, obgleich auch er dann irgendwann von Viveka Khyati spricht, als eine der Mittel zur Befreiung. Aber es geht eben darum, nicht an den Früchten zu hängen. Also z.B., irgendwo sich zu engagieren und seine Partnerschaft zu entwickeln, ist gut. Wenn sie trotzdem in die Brüche geht, dann ist es halt so. Dann hat man eine Weile Liebeskummer, eine Weile Trennungsschmerz und danach geht es dann auch weiter. Diese Erfahrung von dem Leiden in der Trennungsphase war auch eine wichtige Erfahrung. Man soll auch nicht daran hängen, dass es immer nur schön ist. Oder man hat ein Kind und das Kind geht irgendwann aus dem Haus. Ist auch normal, dass man dann vielleicht ein bisschen trauert oder vorübergehend vielleicht froh ist und dann kommt doch die Trauer wieder rein. Gut, manche hoffen, dass der 30-jährige Sohn endlich irgendwann das Haus verlässt. Muss auch gar nicht sein. Mehrgenerationenhaushalte waren durchaus auch in früheren Zeiten sehr üblich. Aber dann anschließend loslassen. Oder Belohnung. Jetzt hat man in diesem Leben so viel Gutes getan und hat sich um sein Kind so gekümmert und jetzt ist man 70, 80 Jahre und undankbare Menschen. Ist nicht einfach für Mütter und Väter. Und diejenigen von euch, die Kinder haben, die wissen, was ihre Eltern für einen gemacht haben, denn man weiß ja, was man selbst für die Kinder gemacht hat und so viele andere Dinge, die man macht. Und eben noch nicht mal daran hängen, dass wir dann mit gutem Karma belohnt werden. Manchmal fragen Menschen, „Warum ich? Ich war in meinem ganzen Leben so freundlich und dann passiert mir so was Schlimmes.“ Noch schlimmer natürlich z.B., ihr habt ein Yogazentrum aufgebaut, ihr habt einen Schüler gehabt, der war hoffnungslos kaputt bei der ersten Yogastunde. Ihr habt viele Stunden auch Einzelberatungen gemacht, so vieles. Ihr habt, weil er wenig Geld hatte, ihm irgendwo die Kursgebühren reduziert und alles ermöglicht und persönlich assistieren lassen, Yogalehrerausbildung vielleicht sogar machen lassen und dann macht ausgerechnet der, zwei Blöcke weiter, ein eigenes Yogazentrum auf. Und kurz vorher spricht er mit allen euren Schülern und versucht, die noch dazu mitzunehmen. Das passiert gar nicht mal so selten. Erwartet keine Dankbarkeit. Undankbarkeit ist der Welten Lohn. Glücklicherweise nicht nur, Dankbarkeit gibt es auch, aber so häufig erlebt man eben auch Undankbarkeit. Und viele sagen dann, „Nie mehr werde ich mich um jemanden kümmern.“ Oder ein bisschen banaler, irgendwann hatte ich so jemanden in der zweijährigen Yogalehrerausbildung. Sie hat gesagt, sie hat kein Geld und außerdem hat sie aber auch nicht die Möglichkeit, mitzuhelfen. Wir haben ja in den Yoga-Vidya-Zentren oft die Möglichkeit, gegen Mithilfe zu begünstigten Kursgebühren. Ich hab mich breitschlagen lassen und irgendwo hat sie es dann für die Hälfte gekriegt und nach einem Jahr hat sie mir dann stolz irgendwo erzählt, jetzt hätte sie sich einen Pelzmantel gegönnt und das wäre sie sich wert gewesen. Mehrere Tausend Euro. Die gleiche Frau, die mir gesagt hat, sie hätte kein Geld. Daneben, dass ich es für unethisch halte, sich einen Pelzmantel zu kaufen. Ich muss zugeben, das hat mich geärgert. Schon ein paar Tage. Und es hat dazu geführt, dass ich niemandem mehr die Yogalehrerausbildung so stark vergünstigt gegeben habe, ohne dass er mindestens mithilft. Aber trotzdem, nicht hängen an allem. Also, das ist Vairagya. Und Vairagya hilft, man kommt auch darüber wieder weg und weiß, so ist halt die Welt. Und wir wollen keine Löhne erwarten für etwas. Wir helfen noch nicht mal anderen, um ein gutes Karma zu bekommen. Könnte man ja auch machen. Aber Krishna sagt das ja in der Bhagavad Gita, „Wer anderen Gutes tut, um deshalb belohnt zu werden, entweder in diesem Leben, im nächsten Leben oder zwischen zwei Leben, der hat seinen Lohn darin.“, aber spirituell wachsen tun wir nicht. So drückt es ja auch Jesus aus, wo er irgendwo sagt, wer irgendwo Spenden gibt und damit groß rumposaunt. Das ist nichts Schlechtes. Besser, man gibt Spenden und posaunt damit rum, anstatt man gibt keine Spenden. Und irgendwo ein gutes Karma kriegt man auch, nur spirituell wachsen tut man nicht übermäßig.

Teil 75 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Vairagya, Nichtanhaften, im Jnana Yoga

Vairagya ist der innere Abstand gegenüber den Dingen der Sinneserfahrungen, die vergänglich sind und gesehen, gehört oder sonst wie wahrgenommen werden, vom Körper bis zum Schöpfergott.“ (Viveka Chudamani von Sankaracharya)
Sankara hat ein paar Verse vorher noch mal Vairagya anders definiert, nämlich, „Gleichgültigkeit darüber, ob man in diesem Leben oder im Jenseits in den Genuss der Früchte für Mühen und getaner Arbeit kommt.“ Das halte ich noch mal für eine besonders schöne Definition. Also, nicht an den Früchten hängen, ist Vairagya. Also, wir können ein sehr engagiertes Leben führen und gerade Meister des ganzheitlichen Yogas, wie Swami Sivananda und Swami Vishnu-devanandadevAnanda, haben ja diesen engagierten Yoga auch gelehrt. Und hier wiederum kommt Patanjali ins Spiel, der ja sogar sagt, wir kommen deshalb in dieses Leben, zum einen, um Erfahrungen zu machen und zum anderen, um die Kräfte zu erfahren, also zum einen, verschiedenste Erfahrungen zu machen und zum anderen, die Kräfte zu erfahren, die in uns stecken und in der Prakriti. Patanjali hat ja durchaus so einen modernen Ansatz, es geht darum, sich zu entfalten, mehr zu tun und zu schauen, „Was steckt noch in mir drin?“ und das dort umzusetzen. Also, Patanjali ist das Gegenteil von, sich aus allem zurückziehen, „Ich will nicht diesen Stress im Beruf haben und Stress in der Familie, auch keinen Stress, ein Yogazentrum zu leiten. Ich mache drei Stunden am Tag ein bisschen irgendetwas, ansonsten lebe ich von Sozialhilfe, Erbschaft, von dem, was mein Mann nach Hause transportiert oder wie auch immer.“ Ich habe gestern jemanden mit starker Kaphastörung erlebt. Habt ihr das alles mitgekriegt die drei? Ich glaube, alle konnten irgendwo genial mit Vata-, Pitta- und Kaphaübersteuerung… Also, das ist nicht das, was das ganzheitliche Yoga lehrt, sich aus allem zurückzuziehen. Gut, ein reiner Jnana Yogi könnte das vielleicht auch machen.

74. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

Die vier Vivekas im Vedanta Jnana Yoga

Also noch mal zusammenfassend die vier wichtigen Vivekas. Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Das ist vielleicht die schwierigste und die betont Sankara hier zunächst mal als erstes. Aber die zweite, vielleicht noch wichtigere, die Unterscheidung zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen, die Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst, die Unterscheidung zwischen Vergnügen und wahrer Wonne. Letztlich sind alle Unterscheidungen verschiedene Unterscheidungen des Gleichen. Ewig und vergänglich, Ananda und Sukha, Selbst und Nicht-Selbst, ist ja letztlich alles das Gleiche. Das, was ewig ist, ist das Selbst, ist das, was Ananda ist und das ist die Wahrheit. Also, im Grunde genommen sind es eigentlich vier Weisen, wie man die gleiche Sache unterscheiden kann. Und ihr könnt das selbst überlegen, was euch am meisten liegt. Glücklicherweise muss man nicht alle vier machen. Und es gibt manche Menschen, die irgendwo einen Zugang besser zu einem haben, aber zu dem anderen haben sie keinen Zugang. Da wäre mein Tipp, entwickelt vor allem diese Viveka, zu der ihr am leichtesten Zugang habt, denn es bleibt, wie du eben gesagt hast, das Ewige ist letztlich das Wirkliche, ist Ananda und ist das Selbst. Manchen liegt eine Unterscheidung besonders zu machen und andere nutzen verschiedene Formen der Unterscheidung je nach Lebensumständen.
Wir sind jetzt beim 21. Vers von über 500. Aber ich meine, es ist gut, sich an diesen Teilen etwas aufzuhalten, wir werden dann nachher irgendwann ein bisschen beschleunigen und letztlich gilt es, dass ihr die Viveka-Chudamani auch dann selbst lest und nutzt. Aber wenn ihr diese Grundlagen habt, fällt der Rest leicht. Auf einer gewissen Weise kann man ja auch sagen, ihr habt ja auch schon alle Grundlagen. Vermutlich habe ich euch bis jetzt nichts Neues erzählt. Das ist der Nachteil beim Jnana Yoga. Eigentlich heißt es, „In drei Sätzen sei es verkündet, was man in Tausend Büchern findet, Brahman ist wirklich, die Welt ist Schein, das Selbst ist nichts als Brahman allein.“ Alles andere ist Zugabe. Aber um in der Viveka sich zu vertiefen, dazu ist es notwendig, von allen möglichen anderen Gesichtspunkten, das immer wieder zu hören.

73. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

Sukha Ananada Viveka – Unterscheidung zwischen vergänglichem und ewigem Glück

Wir hatten bis jetzt behandelt: Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Unterscheidung zwischem zwischen dem Ewigen und dem Vergänglichen. Unterscheidung zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst. Jetzt fehlt noch eine Unterscheidung. Zwischen dem, was dauerhaft glücklich macht und dem, was nur vorübergehend glücklich macht. Letztlich die Unterscheidung zwischen Sukha und Ananda, wobei die Ausdrücke nicht immer so konsequent getrennt sind. Also wir finden z.B. in der Pratama Sotra „Sat Chit Sukham“ als Ausdruck des Selbst. Also „Sukha“ kann je nach Kontext auch wie „Ananda“ verwendet werden. Aber zwischen Vergnügen und Wonne. Die Wonne ist letztlich unsere wahre Natur, Vergnügen ist gespiegelte Freude und weil es gespiegelt ist und letztlich das Objekt, das es spiegelt vergänglich ist, ist auch die Freude vergänglich. Freude an sich ist eigentlich ein Ausdruck unseres höchsten Wesens. Und angenommen, man schaut eine Rose an und freut sich, die Freude an sich ist einfach eine Widerspiegelung der Freude, die wir selbst haben oder man kann auch sagen, die Freude, die hinter allem ist, auch die Rose. Aber angenommen, man bräuchte bloß eine Rose, um dauerhaft glücklich zu sein, dann müssten wir einfach ein paar Rosen dort hinstellen und eine Rose gibt ein Glücksgefühl, zwei Rosen doppelt soviel Glück und wenn wir dann hundert Rosen hinstellen, dann hundertfaches Glück. Klappt das so? Ihr wisst alle, nein. Vielleicht erinnern sich manche daran, euer Liebster hat euch zum ersten Mal in euerem Leben eine Rose gebracht. Wie war das? Himmlisch. Und angenommen, er bringt dann jeden Tag eine neue Rose und vielleicht sogar jeden Tag eine mehr. Wie ist das? Irgendwie langweilig, er könnte sich auch mal was anderes einfallen lassen. Also, äußere Objekte können vorübergehend einem Freude geben und die vedantische Interpretation von Freude ist ja, dass sie einem vorübergehend Gedankenstille beschert und deshalb strahlt die Freude des Selbst hervor. Also auch die Rose, die man kriegt von seinem Freund. Oder angenommen, euer Mann hat euch seit zwei Jahren keine Rose mehr geschenkt, ihr kommt nächsten Sonntag nach Hause – oder er holt euch sogar hier ab. Er kommt mit dem Auto hierher gefahren und bringt euch zwanzig rote Rosen, dann seid ihr? Es hängt jetzt von der Art der Beziehung ab. Aber jetzt nehmen wir an, ihr habt nicht dieses gesunde oder ungesunde Misstrauen, dann seid ihr erstmal glücklich. Ist jetzt das Glück von den Rosen oder wegen dem Mann oder wegen was ist es? Yogis würden sagen, in dem Moment sind die Gedanken ruhig. Weil die Gedanken ruhig sind, strahlt Ananda, Wonne dort hervor. Und das ist unsere wahre Natur. Wenn man sich Sorgen macht, dann verhüllen die Gedankenwolken das innere Glück. Sind dann vorübergehend die Sorgen weg, dann kann die Freude des Selbst von sich aus ausstrahlen. Und wenn wir das wissen, dann können wir zum einen die Freuden auch genießen. Dann freut man sich über eine Rose, dann freut man sich, wenn einer einem einen Gefallen tut, ein Kompliment macht, wenn ein Wunsch in Erfüllung geht. Aber wir brauchen nicht daran zu hängen, es ist nicht, dass unser Glück jetzt daran hängt. Angenommen, ihr kommt dann am nächsten Sonntag nach Hause, ihr habt erwartet, dass ihr irgendwo freundlich willkommen geheißen werdet und stattdessen steht so ein Zettel auf dem Küchentisch und da steht, „Ich bin heute Abend zu Freunden gegangen. Vorräte findest du im Kühlfach.“ Dann ist man natürlich typischerweise erstens enttäuscht und zweitens vielleicht misstrauisch. Es lag immerhin ein Zettel da und immerhin ist wenigstens im Gefrierfach irgendwas Essbares. Vielleicht nicht das, was einem schmeckt, nachdem man vielleicht neun Tage oder neun Jahre von Frischkost gelebt hat, aber immerhin hat jemand noch gedacht. Auch hier wird man dann weiter Emotionen haben, aber es ist jetzt nicht so, dass man weiß, „Mein Glücksgefühl hängt jetzt dauerhaft daran.“, sondern, „Meine wahre Natur ist Satchidananda. Bleibt wieder, bleibt so.“ Und letztlich, vom Raja Yoga wissen wir dann, es reicht aus, wenn wir unseren Geist konzentrieren auch auf etwas. Wenn wir unseren Geist konzentrieren auf etwas, in dem Moment sind wir glücklich. Und so ist es durchaus auch o.k., auch ein solches vorübergehendes Glück zu haben, wenn einem irgendetwas Spaß macht. Z.B., ihr seht, ich nehme hier ja alles Mögliche auf und ich muss zugeben, irgendwie amüsiert mich das jetzt alles und angenommen, das funktioniert jetzt, dass mit diesem Mikro die Videoaufnahmen endlich mal einen gescheiten Sound haben und dieses Hintergrundrauschen weg ist. Das ärgert mich irgendwo, dass immer noch keine Möglichkeit gefunden worden ist, dass die Videoaufnahmen wirklich einen guten Sound haben. Angenommen, das wird funktionieren und ich stelle das fest, dann bin ich glücklich. Angenommen, ich stelle nachher fest, dass die ganze Aufnahme verhunzt ist, denn das ist jetzt ein neuer Versuch und ich hatte nicht die Zeit, das vorher auszuprobieren, dann bin ich tatsächlich in dem Moment unglücklich. Aber ich weiß, mein Glück hängt jetzt nicht dauerhaft davon ab und ich werde jetzt nicht explodieren. Oder angenommen, ich stelle nachher fest, die Kabelverbindung, die Steckverbindung hat nicht richtig gesessen. Und wenn ich dann die Kopfhörer aufsetze und die linke Seite ist schön und aus dem rechten kommt dieses Rauschen, dann weiß ich, die Katrin hat den Stecker nicht richtig hineingesteckt, dann werde ich mich erstmal ärgern, denn letztlich, wenn eine Aufnahme nicht funktioniert hat, kann ich ja nicht das Ganze irgendwo hineintun und vermutlich dieses werde ich auch nicht ganz öffentlich zur Verfügung stellen können, aber irgendwo so eine ganz Viveka-Chudamani-Reihe auch als Video, wäre doch ganz schön. Oder zur Verbesserung, dass die Audioaufnahmen besser sind für Mantras, habe ich mir eigentlich vor drei Wochen so ein neues MP3-Gerät angeschafft. Ich bin bis heute nicht dazu gekommen, es auszuprobieren. So ein bisschen was ärgert mich das. Und angenommen, in einer Woche werde ich ja nicht mehr ganz so viel unterrichten, da hoffe ich, dass ich die Zeit habe, das auszuprobieren und mich irgendwie dort hinzusetzen. Und angenommen, ich stelle dann fest, es klappt, dann bin ich auch erstmal glücklich. Angenommen, ich stelle fest, es ist ein Fehlkauf, wie irgendein anderes Mirko für eine Videokamera, dann bin ich erstmal vorübergehend unglücklich. Aber das sind alles harmlose Spielereien. Also, nichts von dem macht mich jetzt dauerhaft glücklich oder unglücklich. Ich muss zugeben, angenommen, ein Teamleiter sagt mir, „Ich will Yoga Vidya verlassen.“, das trifft mich etwas stärker. Oder ein langjähriger Mitarbeiter, muss noch nicht mal Teamleiter sein, einen, den ich noch dazu längere Zeit kenne, der mich schon öfters um Rat gefragt hat, der in den ersten Reihen sitzt, wenn ich Vorträge gebe, da entsteht auch eine bisschen stärkere auch emotionale Nähe, das trifft dann schon stärker. Das ist dann nicht eine Spielerei, sondern da kann ich auch ein, zwei Tage oder eine Woche irgendwo ein emotionales Leiden dort spüren. Bei all dem ist dennoch im Hinterkopf, wo ich weiß, das sind Erfahrungen, die kommen und die Erfahrungen gehen. Hinter allem bleibt eines gleich, nämlich Ananda, Wonne. Die bleibt gleich. Satchidananda bleibt. Die anderen Erfahrungen sind auch da. Sie mögen auch kommen und gehen und wir brauchen nicht zu warten, bis wir all unsere Emotionen und Gedanken unter Kontrolle haben, bis wir die Kundalini vollständig erweckt haben und ins Sahasrara Chakra gebracht haben, wir brauchen nicht so lange warten, wir können jetzt diese Unterscheidung üben und diese Unterscheidung kann einem gleich schon eine gewisse Ruhe geben, einen gewissen Gleichmut und letztlich eine gewisse Bewusstheit, Moksha ist jetzt schon da. Wir brauchen nicht die Verwirklichung auf in hundert Leben zu verschieben. Auch nicht, „Wenn ich noch dreißig Jahre ausreichend die Luft anhalte, dann bin ich glücklich. Letztlich kann diese Viveka und das ist das Schöne am Jnana Yoga, letztlich genauso wie im Bhakti, beim Bhakti kann man auch sagen, „Alles ist Gott. Ich bringe alles Gott dar. Gott ist immer da.“ Gestern hat mir auch noch jemand gesagt, „Muss es denn entweder Jnana oder Bhakti sein?“ Antwort, das kann auch beides zusammen sein. Mensch ist ausreichend vielschichtig. Auf der einen Ebene können wir sagen, „Sarvam Kalvidam Brahman. Alles ist wahrhaftig Brahman.“ Und wir können auch sagen, „Neti Neti. Ich bin nicht dieses und ich bin nicht jenes.“ Auf einer anderen Ebene können wir sagen, „Alles ist wahrhaftig Gott. Alles ist für Gott. Alles tue ich für Gott. Ich lasse alles los. Alles, was kommt, ist Gott. Die schönen, wie auch die weniger schönen Dinge sind Gott.“ Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen platt, wenn ich es jetzt so sage, „Gott liebt mich, egal, was ich mache.“

72. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

Erlebte, erfahrene Unterscheidungskraft als Vedanta Mittel

Man würde sagen, es ist eine erfahrene und erlebte Unterscheidung. Also einfach nur, intellektuell das zu erkennen, reicht ja nicht aus. Das wäre sehr einfach. Ich kann sehr wohl unterscheiden, aber dennoch im nächsten Moment vergisst man all das. Swami Sivananda würde manchmal sagen, die machen intellektuelle Gymnastik und sich selbst und anderen machen sie etwas vor. Aber es ist tatsächlich, eigentlich der Jnana-Yoga-Weg in Reinstform wäre, man fragt sich, „Bin ich das? Bin ich das nicht?“ Ramana Maharishi hat ja diesen reinen Jnana-Yoga-Weg gelehrt. Wenn da jemand mit Liebeskummer zu ihm hingegangen ist, hat er ihm gesagt, „Frage dich, wer hat Liebeskummer? Bist du der Liebeskummer? Bist du die Emotionen? Frage dich, wer bin ich? Wer ist es, der sich des Liebeskummers bewusst ist? Wer ist derjenige, der sich dieser Emotionen bewusst ist? Wer ist derjenige, der zu mir hinkommt und jetzt Hilfe für den Liebeskummer braucht?“ Oder wenn jemand zu ihm hingegangen ist und gefragt hat, „Meister, ich habe Krebs. Was soll ich tun?“ „Frage dich, wer ist es, der Krebs hat? Überlege, was hat überhaupt Krebs, du oder dein Körper? Und dann frage dich, wer ist es, der denkt, dass er Krebs hätte? Wer ist es, der denkt, dass er der Körper ist, der Krebs hat?“ Das ist der Jnana-Yoga-Weg und indem man sich das immer wieder fragt, wird es irgendwann nicht nur intellektuell. Und dadurch, dass es dann nicht mehr nur intellektuell ist, plötzlich kann man tatsächlich sich davon lösen. Und immer weniger identifiziert man sich dann mit seinen Emotionen, immer mehr kommt man zu dieser Unterscheidung. Vielleicht auch noch eines. Der ganzheitliche Yogi bemüht sich ja, den Körper gesund zu halten. Aber dann gibt es Menschen, die dann, wenn jemand krank ist denken, Yoga funktioniert nicht. Und dann hat man wieder ein Problem. Die Aufgabe des Yogas ist nicht, den Körper ewig leben zu lassen. Die Aufgabe ist, mit Yoga sorgen wir dafür, dass der Körper länger gesund ist und einen weniger von der Meditation abhält und einen irgendwie ein bisschen wohler fühlen lässt. Aber jetzt zu probieren, den Körper ewig leben zu lassen, ist unsinnig. Oder Yoga hilft einen, mehr Prana zu haben. Aber wir werden trotzdem nicht immer soviel Prana haben, wie wir wollen. Yoga hilft uns, dass wir uns irgendwie wohler fühlen. Aber wenn es uns jetzt ständig darum geht, „Wie kann ich mich wohl fühlen lassen?“ kommen wir nie zu dem, worum es eigentlich geht. So ähnlich wie, es ist gut, sich um sein Fahrrad zu kümmern, dann braucht man nicht ständig die Reifen zu wechseln und dann braucht man nicht ein neues Fahrrad auszusuchen. Also, wenn man sich vorbeugend um die Gesundheit des Fahrrads kümmert, hat man längere Zeit, dann kriegt man nicht irgendwann, 70 Kilometer vom Ashram weg, platzt der Reifen und man weiß jetzt nicht, wie kommt man zurück. Also, wenn man vorher immer darauf aufgepasst hat. Aber jetzt zu probieren, das Fahrrad dauerhaft leben zu lassen – vielleicht mit dem Fahrrad geht es sogar noch, man kann ja die Teile leichter austauschen als bei diesem Körper, aber es wäre ein unsinniges Bemühen.

 

71. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.