Archiv der Kategorie: Shankara

Viveka Chudamani Vers 4 – Verpasse keine wertvolle Chance und praktiziere Yoga Vedanta

„Wem die schwer erhältliche menschliche Geburt irgendwie zuteil geworden ist und dazu noch eine mannhafte Natur, wer den tiefen Sinn der heiligen Schriften kennt, verblendeten Geistes aber nicht nach Erlösung seiner Seele strebt, der tötet letztlich seine Seele, der richtet sich zugrunde, er hält am Unwirklichen fest.“
Im Kommentar heißt es, jetzt nimmt Sankaracharya den Vorschlaghammer zur Hand. Irgendwo will er uns ein bisschen durchrütteln. Er will die Dinge in die richtige Perspektive setzen. Jetzt haben wir menschliche Geburt und ihr habt auch alle, was hier übersetzt wird als mannhafte Natur, also eine mutige Natur. Ihr seid auch fähig, etwas in die Hand zu nehmen und etwas zu bewegen. Ihr seid nicht einfach nur deprimierte, ängstliche Menschen. Ihr habt schon mal was von den Schriften gehört. Ihr habt alle eine Yogalehrerausbildung gemacht und wenn ihr jetzt nicht nach der Erlösung strebt, dann richtet ihr eigentlich das Tiefste, was in euch ist, zugrunde und haltet euch fest an dem Unwirklichen.
„Wer aber ist so töricht, dass er das eigene Interesse missachtet, nachdem er den schwer erlangbaren menschlichen Körper erhalten hat.“
Das eigene Interesse ist eigentlich welches Interesse? Selbstverwirklichung. Wenn wir das schon haben, einen menschlichen Körper, außerdem die Natur, die nach dem Höchsten strebt oder streben könnte und auch die Fähigkeit dazu, weil man irgendwo Kraft dazu hat, wäre doch töricht, jetzt nicht danach zu streben und es wäre töricht, sich immer wieder ablenken zu lassen. So viele Dinge macht man, um sich abzulenken. Und ich erlebe das so häufig unter spirituellen Aspiranten. Manchmal ist das auch so ein kleines Problem sogar hier im Haus. Wir bieten diese vielen Seminare an. Eigentlich sind sie so gedacht, dass zum einen Menschen aus allen verschiedenen Interessenlagen hierher kommen. Zum anderen, dass Menschen ein breites Arsenal bekommen, um anderen zu helfen. Auch, dass Menschen in verschiedenen Interessenlagen dorthin kommen. Dann erlebe ich es oft, Menschen haben eine Aspiration, haben ein spirituelles Interesse und dann plötzlich sind sie nur noch interessiert, wie man Pranaheilung macht und wie man Magen-Darm-Krankheiten heilt und wie man mit psychischen Beschwerden umgeht usw. Und vergessen, worum geht es? Verwirklichung. Oder dann stellt man plötzlich fest, da gibt es noch eine andere Energietechnik und eine andere Meditationstechnik, dann gibt es noch diese Sache und jene Sache und natürlich gibt es auch außerhalb von Yoga Vidya noch weitere spirituelle Schlaraffenländer, wo man alles so findet. Und wenn man das alles in Perspektive sieht, ist es ja gut. Man kann von verschiedener Warte aus immer wieder nach dem Höchsten streben. Und es ist gut, Verschiedenes zu kennen, um anderen helfen und dienen zu können, deshalb bieten wir es ja auch an. Ich will ja jetzt nicht über unser Programm schimpfen, das ich ja letztlich zu verantworten habe. Ich könnte ja sagen, das wird nicht mehr gemacht. Wir machen nur noch Anfängerkurs, Mittelkurs, Fortgeschrittenenkurs, Yogalehrerausbildung und ab da nur noch Streben nach dem Höchsten. Alle anderen Kurse, Seminare, Ausbildungen sind Ablenkungen, werden abgesetzt, dann wäre wir vielleicht kleiner, aber dafür feiner. Aber so ist es ja nicht. Die haben ja alle ihren Sinn und es ist gut, auf viele Weisen Menschen helfen zu können und Yoga in verschiedensten Kontexten unterrichten zu können. Wir müssen nur aufpassen, dass es uns nicht ablenkt von dem, worum es wirklich geht.

20. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Der Yoga Guru – wertvoller Schatz

Und das letzte der 3 wertvollen Schätze ist Mahapurusha Samshrayaha. Samshrayaha ist die liebevolle Fürsorge und Mahapurusha, von einer großen Seele. Also letztlich einen spirituellen Meister, eine spirituelle Meisterin zu haben, ist der dritte der drei großen Schätze. Meister gibt es in verschiedenster Form. Es gibt eben die Meister, die nicht mehr im physischen Körper sind, wie Swami Sivananda, Swami Vishnu-devanandadevAnanda, Sharkaracharya. Zu ihnen kann man eine intensive Beziehung aufbauen und fühlt sich von ihnen geleitet. Swami Sivananda habe ich persönlich nie gesehen. Er hat seinen Körper verlassen im gleichen Jahr, wo ich diesen Körper hier angenommen habe. Aber meine Beziehung zu Swami Sivananda ist sehr, sehr eng. Und ich fühle mich wirklich von ihm ständig geführt und gehe davon aus, dass alle Herausforderungen, die kommen, irgendwo auch Aufgaben von ihm sind und dass ich daran wachse. Und das ist vielleicht das Wertvollste, was ich mir vorstellen kann, diese Erfahrung zu haben. Ich hatte natürlich noch den großen Vorteil, mit einem Meister zusammen sein zu können, der auch im physischen Körper war, der Swami Vishnu-devanandadevAnanda. Bei ihm war ich ja auch einige Jahre. Ich sage immer, ich war zwölf Jahre bei ihm, aber nicht zwölf Jahre physisch bei ihm, sondern zwölf Jahre in seinen Zentren, wo er ja auch sehr gegenwärtig war. Ich habe ihn jedes Jahr zwei- oder dreimal gesehen und war ja auch eine ganze Weile sein persönlicher Assistent. Auch etwas sehr, sehr Wertvolles. Aber hier ist es auch oft so, viele, die bei einem Meister leben, die schätzen ihn gar nicht so. Die suchen dann immer noch bessere Meister woanders. Ich hatte das große Glück, dass ich der Überzeugung war, Swami Vishnu-devananda ist ein großer Meister und führt mich.
Ich lese jetzt einfach noch mal diesen Vers. Eigentlich ist es eine ganze Strophe.
„Für die einzelnen Seelen ist eine menschliche Geburt schwer zu erlangen. Noch schwerer zu erreichen ist eine mannhafte Natur.“ Was auch immer das sein mag. „Schwieriger noch ist die Gabe der Weisheit. Noch schwieriger die Berufung für den Weg der vedischen Gesetze. Höher als dies ist das Verstehen dieser Gesetze. Unerreichbar ohne gute Werke in hunderten von Millionen Geburten ist die Fähigkeit, zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst zu unterscheiden, richtige Erkenntnis, das Verweilen im Wesen der absoluten Wirklichkeit und endgültige Erlösung.“
Das ist eine recht freie Übersetzung. In dem dritten Vers fasst er das noch mal zusammen. Es ist nicht so frei. Sein dritter Vers ist das, was ich eigentlich kommentiert habe.
Im dritten Vers sagt er:
„Eine Geburt als Mensch, Manushyatam, Sehnsucht nach Befreiung, Mumukshutvam und Zuflucht zu einer großen Seele, Mahapurusha Samshrayaha, diese drei Dinge sind schwer und nur durch die Gnade Gottes zu erlangen.“
Also, das sind die drei Wertvollsten. Im Vers vorher hat er noch sehr viel mehr genannt. Also, es ist schon mal schwierig, eine menschliche Geburt zu erlangen. Dann sagt er, „eine mannhafte Natur“. Da nehmen wir mal an, jemand, der mutig ist, der auch bereit ist, was in die Hand zu nehmen, etwas zu tun. So viele Menschen sind das Gegenteil. „Schwieriger ist die Gabe der Weisheit. Noch schwieriger die Berufung für den Weg der vedischen Gesetze. Höher als dies ist das Verstehen der Gesetze. Und unerreichbar ohne gute Werke, in hunderten von Millionen Geburten, ist die Fähigkeit, zwischen dem Selbst und dem Nicht-Selbst zu unterscheiden, richtige Erkenntnis und das Verweilen im Wesen der absoluten Wirklichkeit und die endgültige Erlösung.“ Da bringt er das in Perspektive. Die meisten Menschen denken, wertvoll ist es, viel Geld zu haben, ein schönes Haus, ein dickes Auto, ein gutes i-Phone, das ist irgendein vornehmes Handy, eine schöne Frau, schönen Mann, gute Kinder. Was braucht es eigentlich noch? Ich glaube, guter Fernseher noch, schöne Kleidung, den richtigen Schönheitschirurgen. Was kann man sich noch einfallen lassen? Er sieht es anders. Das, was er beschreibt, sind die wertvollen Dinge.

19. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Mumukshutwam – Ein Juwel für den Yoga Aspiranten

So weit sind wir noch gar nicht. Ich bin immer noch bei Manushyatam und eigentlich bin ich schon über Manushyatam zu Mumukshutvam. Mumukshutvam, der intensive Wunsch nach Befreiung. Den zu haben, gilt auch wieder als etwas sehr Wertvolles. Also, intensiver Wunsch nach Befreiung. Die Mehrheit der Menschen hat das nämlich nicht. Wenn ihr beispielsweise mal mit eurer Familie sprecht oder Großvater oder Väter, Mütter, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen, „Wie wichtig wäre es dir, Gott zu erfahren? Wie wichtig wäre es, dein wahres Selbst zu erfahren? Wie wichtig wäre es dir, dein reines Bewusstsein jenseits von Körper und Persönlichkeit zu erfahren?“ Was erntet ihr dann? Im besten Falle ein müdes Lächeln, im anderen Fall werdet ihr angeschaut wie jemand von einem anderen Planeten und im nächsten Fall in eine bestimmte Ecke gesteckt. Mumukshutvam gilt aber als etwas Wertvolles. Und weil Mumukshutvam etwas Wertvolles ist, kann man auch überlegen, „Wie bin ich zu Mumukshutva gekommen?“ Das hilft einem manchmal, mit seinem Leben irgendwo besser ins Reine zu kommen. Denn manche Menschen kommen über Krankheit zu Mumukshutva. Manche kommen über einen Unfall zu Mumukshutva. Manche Menschen haben als Kind ganz schlimme Sachen erlebt. Man hatte eine Kindheit, die man nicht als Manushyatam bezeichnen kann. Also, es gibt Missbrauch und vieles andere, wo dieses Manushyatam in keinster Weise erfüllt ist. Und manche Menschen hat es dazu gebracht, dass sie nicht ein normales Leben geführt haben und sich immer wieder gefragt haben und alles Mögliche in Frage gestellt haben und auf diese Weise ist Mumukshutva erwacht. Und da Mumukshutva als etwas sehr Wertvolles gilt, kann man manchmal auch sagen, „Ja, ich bin dankbar für all die, die so bösartig zu mir waren. Sie haben mich dazu gebracht, dass ich eine der wertvollsten Dinge, eine der drei Schätze habe, nämlich Mumukshutvam, den Wunsch nach Befreiung.“ Man kann auch etwas tun. Man kann etwas tun für Manushyatam und man kann etwas tun für Mumukshutvam. Für Manushyatam kann man grundsätzlich etwas tun. Zum einen, man kann auch so ein bisschen für die Zukunft vorsorgen. Aber zum anderen können wir auch etwas tun für positives Karma, indem wir uns um andere kümmern, anderen Gutes tun. Wenn man gesegnet ist mit bestimmten Mitteln, ob das finanzielle oder andere sind, teilt man die mit anderen oder man bringt einen Teil seiner Arbeitszeit seine Talente und Fähigkeiten zum Wohl anderer und dann heißt es, das hilft auch, dass wir längere Zeit selbst in Manushyatam sind. Ich sage das so ein bisschen mit halbem Herzen, denn eigentlich sollte man anderen Gutes tun, nicht deshalb, damit man nachher auch künftig, vielleicht im nächsten Leben, ein schönes Leben hat, sondern eigentlich sollte man anderen helfen, um anderen zu helfen, ohne irgendwas dafür haben zu wollen, einfach aus Nächstenliebe. Vom Jnana-Yoga-Standpunkt sowieso. Wir sind alle eins, wir sind alle das gleiche Selbst und eine der effektivsten Weisen, diese Einheit zu spüren, ist, für andere etwas Gutes zu tun. Und letztlich, es sollte auch kommen einfach von selbst, von Liebe aus. Aber auf einer anderen Ebene, ganz so erheblich ist es auch nicht, aus welchem Grund man etwas Gutes tut, es ist wichtig, dass etwas Gutes getan wird. Manchmal hören Menschen auf, etwas Gutes zu tun, weil sie denken, ich bilde mir was darauf ein, dass ich was Gutes tue, deshalb mache ich lieber gar nichts Gutes. Und dann, um ihr eigenes Ego nicht zu füttern, lassen sie andere Menschen kaputtgehen. Auch eine Logik, aber keine sehr mitfühlende Logik. Aber noch wichtiger, für Mumukshutva können wir etwas tun und um Mumukshutva zu entwickeln, kann man eben zum einen nachdenken, „Wie wäre es, verwirklicht zu sein?“ Wir können die Biographien großer Meister lesen. Heutzutage brauchen wir auch nicht nur zu lesen, wir können uns auch Filme anschauen. Es gibt auf DVDs verschiedenste Videos über die großen Meister. Es geht sogar noch kostenlos. Im Internet gucken, inzwischen gibt es so viele Videoportale, wo man inspirierende Videos haben kann. Schriften lesen, die von dem Höchsten sprechen. Ein Aspekt. Ein zweiter Aspekt ist, auch zu schauen, was in dieser Welt nicht so positiv ist. Da wird Sharkaracharya noch mal an einer anderen Stelle darüber sprechen, denn er spricht jetzt hier über Mumukshutvam als Teil dieser drei Schätze. An einer anderen Stelle spricht er über Mumukshutva als Teil von Sadhana Chatustaya.

18. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Viveka Chudamani Vers 2 – Fortsetzung: Was heißt es Mensch zu sein?

Ich hatte heute Morgen begonnen, über den 2. Vers auch zu sprechen. Der 2. Vers ist einer der bekanntesten, häufig rezitierten. Auch als Swami Yoga SwarupAnanda da war, hat er ihn mal rezitiert. Als Swami MuktAnanda da war, hat er ihn rezitiert. Es ist so wie die Grundlage.
Drei Dinge sind schwer zu erreichen. Manushyatam, Mumukshutvam, Mahapurusha Samshrayaha. Manushyatam heißt, eine menschliche Geburt. Es heißt auch, ein menschenwürdiges Dasein. Und es gibt dort ganz unterschiedliche Interpretationen von diesem Vers. Swami Vishnu-devananda hat es insbesondere als menschenwürdiges Dasein bezeichnet. Man kann auch sagen, es ist erstmal etwas Gutes, überhaupt als Mensch geboren zu werden. Da ist die Frage, „Warum, ein Hund hat es doch auch ganz gut?“ Manchmal denke ich so, ich habe ja auch einen Hund, bzw. meine Frau hat einen Hund, damit habe ich auch einen Hund und der ist eigentlich recht zufrieden. Vermutlich ist der zufriedener als der Durchschnittsmensch. Der schläft seine 16 Stunden am Tag, dann kriegt er was zu fressen, braucht sich dort nicht zu kümmern. Wenn er will, holt er sich seine Streicheleinheiten ab, wenn nicht, verzieht er sich irgendwo. Und dann kommt er mehrmals am Tag raus und irgendwo, warum soll es ein Mensch besser haben als so ein Hund? Natürlich kann man sagen, er hat auch keine einfache Kindheit gehabt, war aus dem Tierheim und als wir ihn gekriegt haben, hat er einige Verhaltensauffälligkeiten gehabt, die darauf geschlossen haben, in welche schwierige Mensch-Hund-Probleme er vermutlich hineingekommen ist. Aber ein Hund scheint das leichter zu verkraften und zu verarbeiten als ein Mensch. Also, warum soll es gut sein, Mensch zu sein? Oder als Ameise, ist vielleicht noch besser. Und da ist natürlich die große Aussage, der Mensch kann nach dem Höchsten streben, der Mensch hat Viveka, mindestens die Fähigkeit dazu, was eine Fähigkeit von Buddhi ist, der Unterscheidungskraft. Der Mensch kann sich fragen, „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ Das kann ein Tier nicht, nehmen wir mindestens an. Und ein Tier hat nicht diese Fähigkeit zur Selbstreflexion. Natürlich, die Fähigkeit zur Selbstreflexion ist ja auch eine wunderbare Weise, sich unglücklich zu machen. Viele Menschen denken ständig, „Was denkt er über mich? Was denkt sie über mich? Was kann passieren, wenn…? Was wird noch alles geschehen?“ Das ist ja auch eine besondere Fähigkeit des Menschen, die auch sein Überleben irgendwo gefördert hat. Und so in der modernen Psychologie geht man sehr viel von Evolutionspsychologie aus, auch als Paläontopsychologie bezeichnet. Also, man nimmt an, vieles, was der Mensch heute macht, hat die Begründung in der Steinzeit. Und z.B. angenommen, es gab in der Steinzeit so ein paar Menschen, die haben gedacht, „Ah, die Natur ist schön. Die Gänseblümchen sind schön. Lass mich dort irgendwo auf der Wiese diese Schönheit genießen.“, dann kam der Säbelzahntiger und hat ihn gefressen. Und dann gab es jemand anderes in der Höhle, der hat überlegt, „Wer weiß, was da passiert? Ich bleibe besser mal da und warte ab und dann gucke ich mal, was diesem glücklichen Menschen passiert und wenn der Säbelzahntiger vollgefressen ist, dann gehe ich raus.“ Also, immer das Schlimmste anzunehmen, war vielleicht irgendwann mal eine gute Überlebensstrategie. Also, wenn ihr euch irgendwann mal entdeckt, ich weiß nicht, ob irgendjemand von euch dazu neigt, wie ihr irgendwo mal negative Dinge erwartet und feststellt, ihr habt dort eine negativere Zukunftserwartung als objektiv gerechtfertigt wäre, dann wisst ihr, das war mal früher eine geeignete Überlebensstrategie. Die Deutschen sind da ja ganz besondere Genies drin. Bei der Wirtschaftskrise, was haben alle erwartet? Es geht alles kaputt. Die ganze Wirtschaft bricht zusammen. 1929 kommt wieder. Und wer weiß, alles geht kaputt. Oder es gibt ein bisschen Erwärmung und dann Klimakatastrophe. Nach dem Mayakalender geht 2012 ein Zyklus zu Ende, was passiert logischerweise? Die Welt geht unter, ganz klar in drei Jahren. Wir brauchen also nur noch drei Jahre zu denken. Das ist übrigens dann schon lange. Irgendwann für das Jahrtausend gab es Endzeitprophezeiungen. Die Italiener, Franzosen und Spanier haben sich da nicht so sehr darum gekümmert, aber die deutsche Kirche ist reich geworden, die katholische. Alle Möglichen haben große Schenkungen an die Klöster gemacht, in der Hoffnung, sich so freizukaufen für die Sünden. Oder wisst ihr, welche Nation die meisten Ablässe gekauft hat? Das waren die Deutschen. Ein Italiener wäre nie auf die Idee gekommen. Die Deutschen haben alle angenommen, sie kommen alle in die Hölle und ihre Vorfahren sowieso, also muss man die freikaufen. Die Italiener haben das anders gesehen, „Wir sind hier öfters in den Gottesdienst gegangen und haben zu Jesus gebetet, er wird uns schon in den Himmel bringen.“ Nur die Deutschen haben alle panische Angst gehabt, dass sie jederzeit in die Hölle kommen könnten. Eine Fähigkeit unseres Intellektes ist, die Zukunft in negativen Tönen auszumalen und das Schlimmste immer zu erwarten. Positiv ausgedrückt hilft es einem ja auch, irgendwie aktiv zu werden, wenn man das auf geschickte Weisen macht. Aber manchmal wird man dann in dem, was man aktiv macht, reagiert man über und schafft dann überhaupt die Probleme. So hat der Mensch diese Fähigkeit, er kann sie nutzen zum Überleben, er kann sie nutzen, um sich Sorgen und unglücklich zu machen, er kann sie aber auch nutzen, um zu fragen, „Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ Und es heißt, unter den verkörperten Wesen kann nur der Mensch die Selbstverwirklichung erreichen. Deshalb ist, in einem menschlichen Körper zu sein, etwas Großartiges. Das klingt jetzt erstmal komisch, denn was haben wir gemacht, um in diesen Körper zu kommen? Vom heutigen Standpunkt aus erstmal nichts. Es ist wie ein Geschenk gekommen. Nur, die alten Inder haben ja noch eine andere Theorie. Es fing nicht in diesem Leben an, sondern so viele Leben schon und wir sind durch 8.400.000 Tierinkarnationen durchgegangen, bevor wir erstmals zum Mensch werden. Es heißt, durch jede Tierart, die es gab, sind wir schon mal durchgegangen. Das muss man nicht unbedingt wörtlich nehmen. Ich finde es nur interessant, dass die heutigen Biologen so annehmen, es gibt zwischen 5.000.000 und 20.000.000 Tierarten und die Inder sind von 8.400.000 ausgegangen. Aristoteles hat übrigens nur von ein paar Hundert gesprochen, zur Zeit, als die Inder von 8.400.000 gesprochen haben. Also schon durchaus eine Weite, die in der Kategorie gar nicht mal so falsch zu liegen scheint. Und dann, das schockiert westliche Menschen auch, aber im indischen Verständnis ist es auch möglich, dass wir im nächsten Leben nicht als Mensch geboren werden. Wir können im nächsten Leben auch als Tier geboren werden. Die meisten Westler hören das nicht gerne, weil für einen Westler ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier kulturhistorisch ein riesengroßer. Z.B. für die Kirche – nach offizieller Theologie – haben Tiere keine Seele. Übrigens im 16. Jahrhundert hatten auch Schwarze und Indianer keine Seele, deshalb konnte man die ja auch so versklaven und misshandeln und das waren zum Teil sehr fromme Menschen, die haben überhaupt keine Hemmungen dort gehabt, denn die hatten keine Seele. Irgendwann haben sie gedacht, wenn man sie bekehrt, vielleicht kriegen sie dann mit der Taufe eine Seele. Gut, aber inzwischen, irgendwann sind auch die Christen dazu gekommen, dass sie sich auf ihr Evangelium besonnen haben und dass es für Jesus keinen Unterschied machte, welche Nation jemand war. Und gerade einige der Gleichnisse mit Samaritern und Zöllnern zeigt ja eben, dass er gesagt hat, er ging jenseits dieser Grenzen. Aber historisch, dann blieb es immer noch lange Zeit und ich glaube sogar bis heute, Tiere haben keine Seele. Deshalb kann man auch, ohne irgendeinen Gewissensbissen, Tierversuche machen und Fleisch essen, also Tiere umbringen, damit man essen kann, obgleich es nicht notwendig ist, in unseren Breiten könnte man genauso gut vegetarisch leben. Und dann auch Descartes. Descartes hat gesagt, ein Tier empfindet noch nicht mal Schmerzen. Wenn ein Hund jault, dann ist das nur wie das Kreischen von einem Uhrwerk. Tier hat kein Bewusstsein. Also von beiden Seiten her denken wir, Mensch ist was grundlegend anderes. Das wiederum haben die Inder nicht gesagt. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier ist, dass der Mensch eine stärker entwickelte Buddhi und Ahamkara hat und die Übergänge sind fließend, deshalb ist es auch denkbar, dass man sich auch mal ins Tierreich wieder zurück inkarnieren kann. Und mindestens die Konsequenz daraus könnte sein, dass man liebevoller mit den Tieren umgeht. Und die moderne Evolutionsbiologie unterstützt diesen Standpunkt, dass es keinen so grundlegenden Unterschied gibt. Die intelligentesten Affen und sogar die intelligentesten Hunde sind intelligenter als die dümmsten Menschen. Die können sogar ein Selbstbewusstsein haben. Es gibt Gorillas und Schimpansen, die die Blindensprache können und die haben sogar Humor, die können sogar Witze machen, die können sich über etwas amüsieren, die können über etwas schimpfen, die können freundlich sein, die können auch betrügen, die können lügen, die können Allianzen erzeugen usw. Also, die Unterschiede sind eher graduell und nicht grundsätzlich. Trotzdem ist es etwas Wertvolles, im Menschen geboren zu werden, der kann nämlich dann nach der Verwirklichung streben. Ob vielleicht manche Delphine, Gorillas und Schimpansen das auch können, weiß ich nicht. Im alten Indien gab es keine Schimpansen, Gorillas und auch keine Delphine, die sind in anderen Teilen der Welt. Aber noch wichtiger als menschliche Geburt, hat Swami Vishnu-devananda gehalten, auch menschenwürdige Geburt. Und menschenwürdig heißt, wir haben was zu essen, wir haben was zu trinken, wir haben ein Dach über dem Kopf und wir müssen nicht mit einer großen Wahrscheinlichkeit befürchten, dass morgen eine Bombe auf unser Haus fällt oder dass alles kaputtgeht oder dass wir in einem halben Jahr nichts mehr zu essen haben. Ich weiß, Menschen befürchten das auch in unseren Breiten und es kann ja auch passieren, dass heute noch ein Flugzeug hier in die Sivananda-Halle hineinfällt und wir alle tot sind. Auch Erdbeben sind denkbar. Vor gar nicht mal so vielen Jahrtausenden gab es ja in der Eifel Vulkanausbrüche und dann, wenn dort die Vulkane ausgebrochen sind, dann ist der Ascheregen hier runter gegangen. Also, könnte auch morgen passieren, ist aber unwahrscheinlich. Nicht alle Menschen auf dieser Welt haben ein menschenwürdiges Dasein. Es gibt sogar viele hundert Millionen Menschen, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder satt kriegen sollen heute und morgen. Wir wissen, es gibt viele Regionen, wo Menschen nicht wissen, ob heute Abend marodierende Banden kommen und alle im Dort umbringen werden. Das ist kein menschenwürdiges Dasein. Und es ist etwas sehr Wertvolles, dass wir das haben. Umso wichtiger natürlich, dass man auch Mitgefühl hat gegenüber denen, die es nicht haben und dass man, wenn man irgendwo Geld hat, etwas dafür gibt, dass andere vielleicht auch irgendwo ein menschenwürdiges Dasein haben und es gibt manche, die dann ja ihre Lebensmission darin finden, dort Unterstützungen zu geben. Ein anderer Aspekt ist aber auch, wenn wir jetzt schon dieses menschenwürdige Dasein haben, dann sollten wir es auch wirklich zum Guten benutzen. Swami Vishnu-devananda hat so gesagt, auf dem spirituellen Weg ist es wichtig, geduldig zu sein, aber noch wichtiger ist es, ungeduldig zu sein. Zum einen, Fortschritt geschieht nicht von heute auf morgen und wir werden auch nicht von heute auf morgen die Selbstverwirklichung erreichen. Und ich nehme an, dessen sind die meisten von euch sich sehr bewusst. Wer von euch ist schon länger als fünf Jahre auf dem spirituellen Weg? In einem solchen Seminar sind doch viele, die schon länger dabei sind. Man kann ja so verschiedene Stadien der spirituellen Entwicklung sehen. Am Anfang ist für viele erstmal Widerstände und Überlegungen und Zweifel und dann irgendwann gibt es das, was man als spirituelle Flitterwochen bezeichnet. Man hat jetzt den Sinn des Lebens gefunden und ist so begeistert und spürt diese Wonne und diese Freude und die Verbundenheit und denkt, „Ja, jetzt muss es nur noch so ein bisschen weitergehen, dann sind alle Probleme verschwunden.“ und dann rutscht man vielleicht irgendwann in ein Loch und irgendwann stellt man fest, manchmal sogar ohne die spirituellen Flitterwochen, es schien nur irgendwo verlockend, dort hin zu gehen, dann stellt man fest, so schnell klappt es nicht und dann irgendwann werden dann viele Menschen träge und sagen, „Ja, Verwirklichung ist ja ganz nett, aber ich sorge dafür, dass ich einigermaßen gesund lebe, einigermaßen freundlich mit mir und meinen Mitmenschen umgehe und lerne, ein bisschen gut Yoga zu unterrichten. Aber Verwirklichung und Einheit, vielleicht in zehn Leben oder so.“ Also, es gibt viele Menschen, die so in ihrem spirituellen Streben nachlassen. Und dann natürlich sich neue Interessen finden. Dann muss doch ein neues Haus her, dann lernt man eine neue Heiltechnik, die man kennen lernen will oder man ist plötzlich fasziniert, mit allen Problemen seiner Kindheit und sich damit beschäftigen. Oder man findet noch verschiedenste andere Beschäftigungen und die haben ja auch alle ihren Sinn und die mögen alle gut sein, nur die wichtigste Beschäftigung versinkt dann oft. Und die wichtigste Beschäftigung ist Gott, Streben nach dem Höchsten, Streben nach der Verwirklichung.
Als nächstes dort kommt Mumukshutva. Und Swami Vishnu-devananda war jetzt keiner, der uns Angst gemacht hat. Im Gegenteil, er hat mehr probiert, uns mit positiven Dingen dort zu inspirieren. Aber er hat auch gesagt im engeren Kreis, „Ihr habt keine Garantie, dass ihr im nächsten Leben wieder Manushyatam habt.“ Wir denken alle, im nächsten Leben würden wir wieder in der westlichen Zivilisation inkarnieren und irgendwo wird die Erde o.k. sein. Wissen wir nicht. Wir können genauso gut in einem Kriegsgebiet inkarnieren. Wir können genauso gut in einer Zeit der Klimakatastrophe inkarnieren. Und wir brauchen auch gar nicht so lange warten. Auch wenn ich jetzt mir selbst regelmäßig widerspreche, kann auch in zehn Jahren tatsächlich die Klimakatastrophe sein. Es kann auch im einzelnen Menschen sein, dass er morgen Krebsdiagnose bekommt. Zwar senkt die Praxis von Yoga und vegetarischem Leben tatsächlich die Wahrscheinlichkeit für viele Krankheiten, aber wie ich sage, es senkt die Wahrscheinlichkeit. Das heißt, gerade vor ein paar Wochen habe ich von drei oder vier Frauen, die Yogalehrerinnen sind, gehört, die Brustkrebs diagnostiziert bekommen haben. Oder auch letzte oder vorletzte Woche was jemand, die sogar in einem Zentrum unterrichtet hat und die ist an Krebs gestorben. Also, das Leben kann schnell zu Ende sein. Oder ein Unfall und dann querschnittsgelähmt oder auch bewusstseinsgetrübt, all das ist möglich. Daher, solange wir Manushyatam haben, dann sollten wir…

17. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Viveka Chudamani – 2. Vers dieses Jnana Yoga Vedanta Textes

Der zweite Vers ist einer der bekannten Verse, der letztlich auch ein Kommentar ist zu einer Manu Smriti. Sri Kartikeyan hat, als er hier regelmäßig war, keine Vortragsreihe ausgelassen, ohne darüber zu sprechen. Er sagte, es gibt drei wertvolle Dinge in dieser Welt: manushyatam mumukshutyam mahapurusha samshreya. Das Werk heißt ja Viveka Chudamani und Chudamani heißt Kleinod. Und jetzt sagt er eben gleich: Was sind die drei wertvollsten Dinge in diesem Universum?

Manushyatam: man kann es übersetzen als menschenwürdiges Dasein.
Mumukshutyam: der Wunsch nach Befreiung
Mahapurusha samshreya: die liebevolle Fürsorge durch ein Maha Purusha, in diesem Kontext heißt es, durch eine großartige Seele, also die liebevolle Fürsorge von jemandem, der einen auf dem spirituellen Weg begleitet. Was das genau bedeutet, darüber schreibt er in den nächsten Versen.

Teil 16 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Swami Vishnu-devananda und seine Schüler

Ich habe ja Swami Vishnu-devananda selbst gekannt und ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die dort in den Ashram gekommen sind. Verschiedene Menschen haben verschiedenes gesehen. Die einen haben gesehen: Da ist so ein Inder mit dunkler Hautfarbe, übergewichtig und haben dann gefragt, warum ist ein Yogalehrer übergewichtig? Das war ihre wichtigste Frage. Weiter als bis dahin sind sie gar nicht gekommen. Dann gab es Andere, die haben ihn gesehen als jemanden, der so ein überschäumendes Temperament hatte, dessen Freude ansteckend sein konnte, der aber auch, wenn Schüler nachlässig waren, auch mal schimpfen konnte. Diese Menschen haben dann nur dieses gesehen und fanden das entweder gut oder dachten, wie kann es sein, dass ein Meister auch mal lauter wird. Andere wiederum haben gesehen, dass von Swami Vishnu-devananda ein unglaubliches Prana ausgeht, wenn man in seiner Nähe ist, wenn man sich auf ihn eingestimmt hatte, man brauchte einfach nur vor ihm zu sein. Wenn man dann vor ihm saß – es gibt jetzt keine Prana-Einheit – aber nehmen wir mal an, der Prana-Level, den man subjektiv empfinden kann, ist zwischen null und hundert und man hatte vorher einen Prana-Level von fünf, also ziemlich ausgelaugt. Dann brauchte man sich bloß vor ihn hinzusetzen und ihn anzuschauen und sich zu öffnen, dann war der Prana-Level innerhalb von einer halben Stunde auf 50-60 gestiegen. Es bedurfte aber eines Einstimmens darauf. Aber es funktionierte auch anders. Ich habe es so oft erlebt, wenn er mit dem Taxi irgendwo hingefahren wurde und der Taxifahrer am Anfang grummelnd und schlechter Laune war, hat Swami Vishnu-devananda ein paar Worte mit ihm gesprochen, manchmal auch nicht, aber es war interessant: wenn sie Swami Vishnu-devananda aus dem Taxi rausgelassen haben, hat ihr Gesicht gestrahlt und sie waren irgendwie glücklich. Sogar auch, wenn er gar kein Wort gesprochen hat, hat seine Energie ausgestrahlt. So gab es Menschen, die das Prana von Swami Vishnu-devananda gesehen haben. Er war einfach ein Kraftwerk, dem die Energie nie ausgeht. Ich habe bis heute keinen Menschen getroffen, der annähernd eine solche Energieausstrahlung hatte wie Swami Vishnu-devananda und ich kenne durchaus eine Reihe von großen Yogameistern. Natürlich ist das subjektiv geprägt. Ich hatte mich ja besonders auf Swami Vishnu-devananda eingestimmt. Vermutlich wird es andere Schüler geben, die das genauso von ihrem Meister behaupten. Aber ich behaupte trotzdem, Swami Vishnu-devananda war dieses unglaubliche Pranahaus, das er ausgestrahlt hat und ich möchte sogar sagen, er strahlt es bis heute aus. Wenn man mal wenig Energie hat, braucht man bloß das Foto von Swami Vishnu-devananda anzuschauen. Man kann darum bitten, dass Energie in einen einströmt, dann strömt die Energie auch.

Swami Vishnu war aber auch eine Manifestation von Bhakti und von Hingabe. Aber am wichtigsten war, dass Swami Vishnu-devananda auch Lehrer der Weisheit war. Verkörperung von Glückseligkeit. Auch das konnte man letztendlich sehen, so viel das andere da war, natürlich dass er dieses Temperament hatte. Aber das sind alles Upadis, Hüllen. Diese Hüllen waren letztlich Lehrer der Weisheit. Swami Vishnu-devananda hat an nichts von dem gehaftet. Erstaunlicherweise hat er mit seinen verschiedenen Upadis, wozu auch die Persönlichkeit, das Temperament mit dazu gehören, gespielt. Das war der Ausdruck davon, das war das Gefäß. Im Tiefsten war er Lehrer der Weisheit, Verkörperung höchster Glückseligkeit. Das kann man erfahren, wenn man jenseits der Gedanken, jenseits der Sinne, jenseits der Persönlichkeit durchgeht.

Teil 15 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Viveka Chudamanani – die ersten Verse

Eines der wichtigsten Werke von SankaraSwami Vishnu-devananda nannte es das wichtigste Werk von Sankara überhaupt – ist das Viveka Chudamani.

Viveka heißt Unterscheidungskraft. Mani heißt Edelstein.
(Ihr kennt ja Manipura Chakra, Mani ist der Edelstein, Pura heißt die Stadt dort und Manipura Chakra ist die Stadt der Edelsteine. Das heißt, Manipura Chakra steht für die Entfaltung der Talente und der Fähigkeiten, den Mut, seine Fähigkeiten auch umzusetzen und in den Dienst anderer zu stellen, auch die Kraft, Einfluss auf andere auszuüben. Das sind alles verschiedene wertvolle Edelsteine – Mani.)

Aber es ist nicht nur Viveka Mani, sondern Chudamani und Chuda ist ein ganz besonderer Edelstein. In dieser Übersetzung hier heißt er Kronjuwel. Chuda ist der wertvollste Edelstein. Die Inder in früheren Zeiten waren sehr schmuckorientiert. Das seht ihr zum Teil, wenn ihr Bilder von Krishna, Ganesha, Lakshmi anseht. Dort haben früher die Menschen ihr ganzes Geld in Gold und Edelsteine gebracht. Aber dort wird ausgedrückt: Der größte Edelstein, den es überhaupt gibt, Chudamani, das ist das Wissen, die Weisheit, die höchste Verwirklichung.

Viveka Chudamani ist im klassischen Vedanta geschätzt als der wichtigste Einleitungstext im Vedanta. Und Swami Vishnu-devananda hat öfter über ihn gesprochen, hat ihn öfter kommentiert, interessanterweise manchmal während der sogenannten Sadhana Intensivseminare, wo Menschen sehr viel Hatha Yoga geübt haben, ist er auch durch das Viveka Chudamani gegangen, damit das viele Prana, das man dort ansammelt, sich auf einer höheren Ebene des Bewusstseins ausbreitet. Damit man nicht einfach nur mehr Prana ansammelt, sondern dass man es auch nutzt, um zur höheren Erkenntnis zu kommen. Ich beginne jetzt mit Vers 1.

Ich verneige mich vor Govinda, dem Lehrer der Wahrheit, der Verkörperung höchster Glückseligkeit, der jenseits der Sinne und Gedanken durch die volle Wahrheit der Vedanta-Philosophie erfahren werden kann.

So beginnt er sehr klassisch. Ähnlich wie ja auch die Hatha Yoga Pradipika beginnt. Er ehrt seinen Meister, Govinda. Govinda ist natürlich auch eine Doppelbedeutung. Govinda ist nämlich auch Krishna. Und indem er Govinda verehrt, verehrt er sowohl Gott selbst als auch seinen persönlichen Meister Govinda. Das ist etwas Wichtiges, das ich euch auch immer wieder empfehlen möchte: Wenn ihr meditiert, wenn ihr Yoga übt, wenn ihr eine Schrift zitiert, ruft immer zu Beginn diese Bhakti-Schwingung in euch hervor. Erinnert euch wenigstens ganz kurz an Gott oder den Meister. Macht euch spirituell bewusst, warum ihr das überhaupt übt. Lasst niemals aus eurer Yogapraxis oder eurer Meditation nur etwas Mechanisches werden. Natürlich sind Asanas mechanisch ausgeführt immer noch besser als keine Asanas. Einfach nur da hocken und mechanisch das Mantra wiederholen und zwischendurch den Tag zu verplanen und über das nachzudenken, was war und was sein könnte und was andere über einen denken und was man machen könnte anstatt zu meditieren, das ist immer noch besser als nicht zu meditieren. Eine Schrift zu lesen und sich nur die Hälfte davon bewusst zu machen und zwischendurch abzuschweifen, ist immer noch besser als keine Schrift zu lesen. Das ist zumindest meine Meinung. Es gibt so viele Menschen, die sagen: Ich habe das nur halbherzig gemacht, da lasse ich es lieber ganz weg. Das ist aber die falsche Richtung! Wenn man feststellt, man macht etwas halbherzig, was sollte man dann machen? Es ganzherzig tun! Deshalb ist meine Empfehlung: Macht es eben nicht halbherzig. Aber wenn ihr es halbherzig macht, dann macht deshalb nicht Nichts, sondern ganz-herzig. Und herzig heißt Herz öffnen. Eine der einfachsten Weisen, das Herz zu öffnen, ist sich an seinen Lehrer zu erinnern, an seinen Meister, sich an Gott zu erinnern und sich auch daran zu erinnern, wie Sadguru, Govinda oder eben Swami Sivananda war: er hatte die höchste Wirklichkeit erfahren und auch wir wollen sie erfahren.

Aber Sankara geht hier auch gleich darauf ein, und das ist im Jnana Yoga auch wichtig: Im Jnana Yoga wird nicht der Meister in seiner physischen Form verehrt oder als physischer Körper oder als Persönlichkeit, sondern er ist der Lehrer der Wahrheit, er ist die Verkörperung höchster Glückseligkeit. Auch der Meister von Sankara wird seine Vorlieben gehabt haben, er wird bestimmte Gemüsesorten mehr gemocht haben als andere, er wird aufs Klo gegangen sein, er wird Krankheiten gehabt haben, er wird ein bestimmtes Temperament gehabt haben, er wird bestimmte Emotionen gehabt haben, er wird eine bestimmte Körpergestalt gehabt haben, eine Haarfarbe. Als Swami in der damaligen Zeit hat er sich vermutlich ein Mal im Monat die Haare abrasiert. Vielleicht hat er sie auch nicht abrasiert, sondern sie länger wachsen lassen. Es gibt ja keine verbindlichen Regeln für das Äußere von Swamis. Alles Mögliche ist also auch da, aber es interessiert nicht. Was ihn aber interessiert: er ist der Lehrer der Wahrheit, er ist die Verkörperung höchster Glückseligkeit. Diese höchste Glückseligkeit kann erfahren werden, indem man jenseits der Sinne geht und jenseits der Gedanken.

Teil 14 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Sankara geht auf Wanderschaft um Jnana Yoga und Vedanta zu verbreiten

Das tat Sankara. Er verließ Varanasi. Er reiste durch die verschiedenen Gegenden Indiens – ich hatte euch ja gestern schon einiges erzählt über das, was Sankara alles bewirkt hat als großer Reformator. Er machte alles das in acht Jahren. Mit 32 Jahren verließ er auch seinen physischen Körper. Also ein sehr kurzes Leben, ein sehr intensives Leben und eines mit sehr großem Einfluss.

Teil 13 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Sankara trifft seinen Guru Govinda, erreicht Nirvikalpa Samadhi und schreibt Vedanta Werke

So ging Sankara zu Govindacharya und der nahm ihn als seinen Schüler auf und Sankara lernte von ihm. Er lernte von ihm die wahre Bedeutung der Schriften. Er lernte von ihm, seinen Intellekt zu nutzen. Er lernte von ihm auch die Kunst der vedantischen Analyse und Debatte. Er lernte von ihm Meditationstechniken. Er lernte, sich ganz auf seinen Meister einzustimmen und erfuhr so Nirvikalpa Samadhi etwa im Alter von 20 Jahren. Dann sagte Govindashaya, jetzt gehe nach Varanasi, die großartige Stadt des Lernens und dort schreibe die Kommentare zu Brahmasutra, zu Upanishaden und Bhagavad Gita. Wenn du diese vollendet hast, dann schreibe noch ein paar weitere Werke über Vedanta und mache dann Vedanta bekannt. Aber zunächst geh zu dieser Stadt der Gelehrten, diskutiere auch mit anderen Meistern und dann schreibe deine Kommentare. So verbrachte Sankara die nächsten Jahre damit, seine großartigen Kommentare zu schreiben und einige Grundwerke über Vedanta zu verfassen. Eine Woche, bevor er sein 24. Lebensjahr abgeschlossen war, kam ein alter Mann mit einem langen weißen Bart und langen weißen Haaren nach Varanasi und er hatte eine solche Ausstrahlung, es war, als würde er gar nicht die Erde berühren, während er ging, und es war so, als ob um ihn herum Licht ausstrahlte. Eine erhabene Ausstrahlung. Und so wie er die Straßen entlang ging, hörte aller Lärm auf und alle hörten auf zu tun, was sie gerade taten. Davon ging eine solche Erhabenheit aus. Er ging schnurstracks dorthin, wo Sankaracharya lebte und Sankaracharya sah diesen Mann, verneigte sich vor ihm und dieser Mann sagte ohne weitere Einleitung: Ich habe erfahren, du hast einen Kommentar geschrieben über das Brahmasutra. Ich fordere dich heraus zu zeigen, dass dein Kommentar der richtige ist. Man kann sagen, dass es in Indien üblich war, dass jeder Meister, der etwas auf sich hielt, einen Kommentar über die Upanishaden schrieb, über die Bhagavad Gita und über das Brahmasutra. Das ist bis heute eine Tradition, auch Swami Sivananda hat einen Kommentar über die Upanishaden, über die Bhagavad Gita und auch über das Brahmasutra geschrieben. Auch über mehr Schriften, aber diese gelten im Vedanta als die drei Hauptschriften und die müssen auch in jedem Zeitalter wieder neu interpretiert werden. Deshalb soll auch immer wieder ein Kommentar dazu geschrieben werden. Man kann durchaus sagen, dass die Kommentare von Swami Sivananda ähnlich sind wie die von Sankaracharya. Einfacher zu verstehen für Menschen von heute. Aber sehr nah am Sankara-Kommentar.

Dieser alte Mann forderte Sankara jedenfalls heraus und jetzt fingen sie an, jeden einzelnen Vers zu diskutieren und Sankara musste jeden Kommentar zu jedem Vers kommentieren und letztlich rechtfertigen. Das war eine solch großartige Debatte auf einem solch hohen intellektuellen Niveau, gleichzeitig verständlich und mit einer hohen spirituellen Ausstrahlung, dass immer mehr Menschen dort hin strömten und dem zuhörten. Langsam kam das Leben in der Stadt zum Erliegen. Alle wollten zuhören. Eine solche Debatte hatten sie noch nie gehört. Sie ging von morgens bis abends. Das Eigenartige war – es war ja eine Zeit, bevor es solche Mikros gab – auch die Menschen, die weiter entfernt waren, haben das irgendwie verstanden und gehört. Nach einer Woche hatte ein Schüler von Sankara plötzlich eine Vision. Er hieß Padmapada. Er hatte plötzlich die Vision, dass dieser alte Mann Vyasa selbst war, der das Brahmasutra selbst geschrieben hat. Er verneigte sich vor Sankara und Vyasa und sagte: Oh ihr großen Meister, ihr diskutiert hier über das Brahmasutra – der eine ist der Autor und eine Inkarnation von Vishnu und der andere kommentiert darüber und ist eine Inkarnation von Shiva. Wenn ihr weiter so diskutiert, wird das ganze Leben im Land zum Stillstand kommen. Sankara verneigte sich vor Vyasa, Vyasa verneigte sich vor Sankara. Vyasa sagte: Ich bin zufrieden mit deinem Kommentar, du hast recht kommentiert und du weißt auch, deinen Kommentar gut zu begründen. Ich schenke dir noch weitere acht Jahre. In diesen acht Jahren mache Vedanta zur vorherrschenden Philosophie Indiens. Reformiere die Spiritualität im ganzen Land. Reise durch alle Städte und durch alle Landstriche. Du hast jetzt diese hohen intellektuellen Kommentare geschrieben, schreibe auch leichtere Einführungen über Vedanta, damit Menschen das auch noch in der Zukunft verstehen und die höchste Wahrheit erfahren können. Systematisiere auch Puja und Bhakti und gründe einen Mönchsorden, der die höchsten Ideale von Vedanta aufrecht halten kann.

Teil 12 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Sankara trifft den Vedanta Meister Gaudapada

Es gibt ein schönes Gedicht von ihm, in dem er sagt: So oft bist du schon geboren worden, so oft bist du schon gestorben. Jeder, den du triffst, war schon mal deine Mutter, jeder, den du triffst, war schon mal dein Vater, jeder, den du triffst, war schon mal dein Bruder und deine Schwester. Genug, genug, wann hast du endlich genug, die gleichen Menschen in unterschiedlichen Konstellationen immer wieder zu treffen? Triff ihre wahre Natur, ihr wahres Selbst. Erfahre dich als das Selbst von allem.

Gut, das war ein Aspekt war. … Bei einem anderen Aspekt kam Sankara dann tatsächlich später, als seine Mutter auf dem Sterbebett lag und er unterrichtete sie nochmals in Vedanta, er führte sie in tiefe Meditation und auch sie erreichte Nirvikalpa Samadhi, bevor sie starb. Sankara ging jetzt erst Mal auf Wanderschaft, er suchte einen Lehrer. Als erstes kam er zu einem Lehrer namens Gaudapada. Gaudapada fragte ihn: Wer bist du? Woher kommst du? Wohin gehst du? Was willst du? Sankara antwortete mit einer Hymne, die später auch berühmt wurde. Er sagte: Oh großer Meister, du fragst mich, woher komme ich. Oh großer Meister, um das zu erfahren, bin ich zu dir gekommen. Dieser Körper kommt aus dem und dem Dorf an dem und dem See. Aber woher ich wirklich komme, oh großer Meister, das weiß ich nicht. Ich bin zu dir gekommen, um herauszufinden, woher ich eigentlich wirklich komme. Du fragst mich, wer ich bin. Oh Meister, ich will diese Frage erfahren. Ich will herausfinden, wer ich bin. Auf der physischen Ebene hat dieser Körper den Namen Sankara bekommen. Auf der physischen Ebene hatte ich Eltern und die heißen sowieso. Auf einer physischen Ebene stamme ich aus dieser oder jener sozialen Schicht und Familie. Aber ich weiß, ich bin nicht dieser Körper, ich bin nicht diese soziale Schicht. Ich bin weder Mann noch Frau. Ich habe die Schriften studiert und ich weiß, was ich nicht bin. Ich weiß sogar intellektuell, was die Schriften sagen, wer ich bin. Aber um ehrlich zu sein: ich weiß es nicht. Ich bin hierher gekommen, um herauszufinden: Wer bin ich? Du fragst mich, wohin ich gehe. Oh Meister, ich weiß nicht, wohin ich gehe. Sogar auf der physischen Ebene will ich einfach zu meinem Meister. Aber auf einer höheren Ebene? Wohin gehe ich wirklich? Das herauszufinden, dazu bin ich zu dir gekommen. Du fragst mich, was ich will. Oh Meister, ich kann es nicht formulieren, was ich will. Ich weiß nur, was ich nicht will. Ich weiß, dass ich nicht Vergnügen suche. Ich weiß, ich suche keine Anerkennung oder Geld. Ich habe so viel gesehen, obgleich ich so jung bin. Aber ich habe in meinem Dorf, wo ich war, erkannt, dass dort so viele Menschen sind, so viele unterschiedliche Lebensumstände und niemand ist wirklich zufrieden. Die Armen beneiden die Reichen, die Reichen beneiden die noch Reicheren, während die ganz Reichen die Adligen beneiden oder die Kshatriyas. Die wiederum beneiden den König des Landes und ich habe mir sagen lassen, der König ist todunglücklich. Ich habe Menschen gesehen, die kinderlos sind und sie beneiden die, die Kinder haben. Die, die wenige Kinder haben, beneiden die, die mittelviele Kinder haben. Die, die mittelviele Kinder haben, beneiden die, die sehr viele Kinder haben und die, die sehr viele Kinder haben, sind todunglücklich. So erzählte er noch ein bisschen weiter und sagte dann: Daher weiß ich, ich will etwas Höheres. Es heißt, Glück ist zu erfahren, wenn man seine wahre Natur erfährt. Glück ist zu erfahren, wenn man das erfährt, was wirklich ist. Oh Meister, aber ich weiß nicht, was wirklich ist. Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin. Bitte lehre mich, das zu erfahren, dessen Erfahrung wirklich dauerhafte Zufriedenheit bringt.

Als Gaudapada das hörte, wusste er, dass das nicht einfach Worte waren. Worte können wir alle formulieren. In früheren Zeiten war ich oft, wenn Gäste angereist sind, vorne an der Rezeption. Im Westerwald habe ich sie auch oft empfangen, ein paar Worte gewechselt. Manchmal habe ich auch gefragt: Woher kommst du? Was willst du hier? Was denkst du, wohin dich das führt? Da war es zwar selten, dass jemand mir solche Antworten gegeben hat. Es gab aber auch mal irgendjemanden, der das mal so gesagt hat. Einfach nur Worte formulieren, ist einfach. Gaudapada erkannte, dass das nicht nur Worte waren. Das war tiefste Sehnsucht. Dann sagte er: Weißt du Sankara, ich bin schon alt. Ich habe einen Schüler, der heißt Govinda, Govindashaya. Geh zu ihm, er wird dich lehren können.

Teil 11 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Sankara nimmt Sannyas und wird ein Entsagter, ein Yoga Mönch

So ähnlich war es auch bei Sankara. Während er dann in diesem See schwamm, kam plötzlich ein Krokodil. Das Krokodil biss ihn und hatte das ganze Bein in seinem Maul. Krokodile sind langsame Tiere, sie können sehr schnell sein, aber wenn sie ihre Beute haben, dann kann es eine Weile dauern, bis es weitergeht. So war also das Bein von Sankara im Maul des Krokodils und Sankara schrie so laut er konnte „Mutter, Mutter!!“ Aber nicht „Hilfe“, wie andere es vielleicht rufen würden. Er rief „Mutter, Mutter! Erlaube mir jetzt zu entsagen!“ Denn es heißt, bevor man den physischen Körper verlässt, sollte man allem entsagt haben. Oder wie Swami Vishnu-devananda es manchmal gesagt hat: Better quit before you are fired. Kündige, bevor dir gekündigt wird. Das ist im Amerikanischen, im Deutschen ist es ja umgekehrt. In Amerika macht es sich im Lebenslauf ausgesprochen schlecht, wenn man gekündigt wird und es macht sich ausgesprochen gut, wenn man selbst gekündigt hat. Egal, was in den Zeugnissen drin steht – wenn dort steht, dass der Arbeitgeber jemandem gekündigt hat, macht sich das nicht gut. Deshalb wird typischerweise ein freundlicher Arbeitgeber sagen: Wir sind nicht zufrieden mit ihrer Arbeitsleistung, wir würden ihnen kündigen – aber sie haben noch die Chance, selbst zu kündigen. Dort gibt es ja auch kein Kündigungsrecht oder so was. Bei uns ist allerdings eher umgekehrt: Wenn man überlegt, dass man gerne den Job wechseln möchte, bittet man den Arbeitgeber um die Kündigung, dann kriegt man wenigstens Arbeitslosengeld. Das ist eine andere Mentalität.

In den Schriften heißt es: Wenn man vermeiden will wiedergeboren zu werden, dann ist es gut, man entsagt selbst. Darum bat Sankara seine Mutter: Bitte erlaube mir jetzt, bevor ich sterbe, allem zu entsagen. Die Mutter, aufgelöst vor Schmerzen und voller Trauer und Verzweiflung bei dem letzten Wunsch ihres Sohnes, sagte natürlich: Ja, natürlich kannst du jetzt entsagen. So gab Sankara sich selbst die Einweihung als Swami, als Mönch. Es steht auch in den Schriften, wie das alles geht und es ist auch ganz legitim. Normalerweise braucht man jemanden, der einen einweiht. Aber in Notsituationen kann man sich auch selbst einweihen. Dazu gehören bestimmte Mantras und bestimmte Gelübde. Das fing so an: Om Bhur Sanyaste Maya. Ich entsage allen Vergnügungen aus der physischen Welt. Om Bhurva Sanyaste Maya. Ich entsage allen Vergnügungen aus der Astralwelt. Om Swar Sanyaste Maya. Ich entsage allen Vergnügungen aus der Kausalwelt. Om Bhur Bhurvaswar Sanyaste Maya. Ich entsage allen Vergnügungen und Verhaftungen in allen drei Welten. Damit das auch ganz konkret klar wird, sagt er noch: Ich entsage dem Wunsch nach Nachkommen. Ich entsage dem Wunsch nach Partnerschaft. Ich entsage dem Wunsch nach Geld und Ruhm. Ich entsage allem. Dann anschließend – das war jetzt der eine Aspekt von Sannyas, man entsagt allem – folgt der zweite Aspekt: er wiederholte die Sannyas Mantras.

Om soham hamsa paramam hamsa parAtma shinmayoham satchidAnanda swarupo ham soham brahma om

Soham, ich bin DAS
Hamsa, vollkommen frei wie ein Vogel
Paramam hamsa, höchste Freiheit
Paramatma, höchstes Selbst
Shinmayoham, ich bin reines Bewusstsein
Satchidananda swarupo ham, meine wahre Natur ist Sein, Wissen und Glückseligkeit
Soham, ich bin DAS
Brahma Om, dieses reine Brahman

Soham hamsa paramam hamsa parmaatma shinmayoham satchidAnanda swarupo ham soham brahma om

Dann das Paramam hamsa Gayatri

Dann folgen die vier Mahavakyas:
Tat twam asi, DAS bist du
Aham Brahmasmi, ich bin dieses Brahman

Normalerweise sagt hier der Lehrer neun Mal Tat twam asi und der Schüler wiederholt Aham Brahmasmi. Tat twam asi, du bist DAS. Du bist nicht der physische Körper, du bist nicht die Emotion, du bist nicht die Persönlichkeit, sondern Tat, DAS Unendliche. Tat twam asi, aham brahmasmi. Und so wiederholte Sankara das für sich selbst, neun Mal. Wir können das auch mal machen. Ich wiederhole Tat twam asi und ihr wiederholt Aham brahmasmi.

Darin ist eigentlich alles enthalten, aber es gibt noch zwei weitere Mahavakyas:

Ayam Atma brahman, dieses Selbst ist Brahman
Pratyanam brahman, Bewusstsein ist Brahman, Brahman ist Bewusstsein

Zwei Sachen habe ich noch vergessen. Zu Anfang geht man in einen Fluss oder See – da  war Sankara schon drin – als Symbol, dass alles weggewaschen wird, dann wird ein Haarbüschel ausgerissen oder abgeschnitten, am besten werden alle Haare abrasiert und da Sankaracharya schon das Leben eines Brahmachari geführt hatte, hatte er nur einen Zopf hinten, den er sich einfach ausriss. Damit war er auch kahlköpfig. Als er dann das letzte Mantra wiederholt hat „Pratyanam brahman“ hatte er alle Mantras abgeschlossen und damit war er Swami. Im nächsten Moment hat sich dieses Krokodil, denn bis dahin war ja sein Bein im Maul des Krokodils, das Krokodil hat sich aufgelöst und man sah einen riesigen Shiva oberhalb des Sees. Shiva saß, wie ihr ihn hier gemalt seht und hob eine Hand und sagte: Du hast entsagt und wenn man entsagt, wird einem ein neues Leben geschenkt. Ich gebe dir acht weitere Jahre.

Sankara schwamm an das Ufer. Seine Mutter war zum einen überglücklich und zum anderen todtraurig – zum einen hatte ja ihr Sohn wieder überlebt, die alte Prophezeiung hatte sie natürlich auch wieder vergessen gehabt. Zum anderen aber wusste sie, dass Sankara sie jetzt verlassen würde. So verabschiedete Sankara sich von seiner Mutter. Er versprach ihr aber etwas, was für einen Swami unüblich ist. Er versprach ihr: Wenn du stirbst, werde ich wieder zu dir kommen und wenn ich bis dahin Nirvikalpa Samadhi erreicht habe, werde ich dir helfen, auch Nirvikalpa Samadhi vor deinem Tod zu erreichen. Es ist deshalb unüblich, weil ein Swami normalerweise seine Eltern vor dem Sterbebett nicht wieder trifft, sondern er will eher alle Verhaftungen loswerden.

Teil 10 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Die Jugend von Sankara, des großen Yoga Meisters

Sankara wurde dann zum Dorflehrer. Er lehrte andere Kinder und auch Jugendliche, sogar die Lehrer selbst lehrte er. Aber er entwickelte auch den Wunsch, nicht nur zu lehren, sondern er entwickelte den Wunsch, auch zu entsagen, das Höchste zu erreichen. Denn er dachte: Was nützt mir alles Wissen der Schriften? Was nützt es mir, wenn ich in der Theorie weiß, was Brahman ist? Was nützt es mir, wenn ich die Upanishaden verstehe, wenn ich sie nicht voll verwirklicht habe?

So wollte er einen Guru finden, einen spirituellen Lehrer. Aber seine Mutter sagte zu ihm: Du, du bist jetzt das Einzige, was ich noch habe. Du kannst jetzt nicht weggehen. Warte und bleibe bitte bei mir, solange ich noch lebe. So blieb Sankara dort und trug letztlich zum Lebensunterhalt der Familie bei über das Lehren und die anderen Gaben, Dakshina, also Gaben für den Lehrenden. So verbrachte er die nächsten Jahre. Als die 16 Jahre um waren – ihr erinnert euch, die Mutter hatte das inzwischen längst wieder vergessen – schwamm Sankara in dem örtlichen See. Er war zwar hochweise, aber er war auch ein Junge und er liebte es zu schwimmen und zu rennen und verschiedene Dinge zu machen.

Ich kann mich  auch noch an meine Yogalehrer-Ausbildung erinnern: Ich war relativ jung, 18 Jahre. Aber ich war nicht der Jüngste, wir hatten ein Mädchen dabei, die war 12 Jahre und hat die Vierwochen-Intensivausbildung gemacht. Wir hatten auch noch jemand anderes, der war 16 und jemand 17-jähriges. Die Mutter der 12-jährigen war kürzlich in Ashrams gewesen und das Mädchen war von Kindheit an mit Yoga aufgewachsen und sie kannte mit ihren 12 Jahren schon fast alles, was wir behandelt haben und war eine derjenigen, die mit die beste Abschlussarbeit gemacht hat. Sie war äußerst diszipliniert, hat alles mitgemacht. Aber in der Mittagspause hat sie Fußball gespielt.

Teil 9 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.