Archiv der Kategorie: Shankara

Ist Selbverwirklichung egoistisch?

Frage: „Ist es nicht egoistisch, aus dem Kreislauf von Geburt und Tod austreten zu wollen und die anderen im Leid schmoren zu lassen?“
Nicht wirklich. Denn sie könnten sich wieder inkarnieren, wenn sie das wollten zum Wohl anderer. Das ist so eine Frage. Mal angenommen, du bist aus deinem Traum aufgewacht. Könntest du dich jetzt wieder in den Traum inkarnieren, um den anderen im Traum zu helfen? Du könntest dich natürlich hinein versetzen, dich hinlegen und genau die Traumbilder von der Nacht vorher dir vergegenwärtigen. Dann würdest du vielleicht in den gleichen Traum hineinschlafen, triffst vielleicht die gleichen Leute und könntest ihnen helfen. Aber wäre das sinnvoll? Wenn du weißt, alle Menschen im Traum sind nur Traumgestalten des einen Bewusstseins und wenn ich aufgewacht bin, dann sind die anderen damit eigentlich auch aufgewacht.

Frage… Ich weiß nicht, ob ihr es bis hinten gehört habt. Wir hier freuen uns ja, wenn hier selbstverwirklichte Weise kommen und uns lehren. Genauso freuen die sich vielleicht auch, wenn da im Traum jemand ist, der ihnen hilft im Traum. Das sind jetzt alles Argumente aus dieser relativen Welt. Es gibt zwar im Buddhismus das Konzept von Bodhisattwa, es gibt auch das Konzept von den Siddhas, denjenigen, die auf einer subtileren Ebene weiter existieren und immer weiter da sind und Menschen erscheinen, wann immer sie Hilfe brauchen. Aber es ist letztlich im Relativen und es heißt auch, die großen Meister hinterlassen Gedankenformen, durch die Ishvara hindurch wirkt, um uns führen zu können. Es ist auch immer die große Frage: Einerseits heißt es, Swami Sivananda war selbstverwirklicht, er hat also nach dem physischen Tod jede Persönlichkeit aufgegeben und ist deshalb eins mit dem Unendlichen. Dennoch haben viele Menschen regelmäßig Visionen von Swami Sivananda. Ich spüre also seine Gegenwart. Es gibt kaum eine Stunde, in der ich nicht spüre, dass er irgendwo da ist. Und er ist irgendwo hinter allem und führt mich. Wenn es Schwierigkeiten gibt, ist er da und wenn es besonders schön ist, ist er auch besonders da. Er ist dann einfach da und manchmal merke ich, er sagt das und das und dann sollte ich das auch tun. Das ist zu machen. Wie ist das jetzt aber unter einen Hut zu bringen? Die ehrlichste Antwort ist: Das kann man nicht erklären. Dieses Universum ist letztlich multidimensional. Aber die logische Erklärung, die die Meister geben ist, wenn ein Meister stirbt, dann hinterlässt er eine Gedankenform und durch diese Gedankenform wirkt dann Ishwara. Und da jeder Mensch letztlich auch nur eine Manifestation von Brahman ist, existiert der Meister auf eine subtile Weise weiter und erscheint den Menschen. Aber er existiert nicht als jemand, der dem Karma unterworfen ist, der dem Leiden unterworfen ist und der Wünschen unterworfen ist. Er wird in seiner Form zur Manifestation Gottes und Gott führt einen in der Gestalt des Meisters weiter. Dazu ist es nicht nötig, dass sich ein konkreter Meister immer wieder inkarniert.

Teil 43 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Was ist Moksha? Was ist Selbstverwirklichung?

An einer späteren Stelle wird Sankara auch sprechen über die höchste Befreiung. Aber Selbstverwirklichung, Gottverwirklichung heißt wirklich Moksha und Selbstverwirklichung. Dann ist die Frage, was heißt Moksha? Was heißt Selbstverwirklichung? Ist dort wirklich jeder Anschein einer eigenartigen Gewohnheit vorbei? So kann man es nicht sehen. Der Körper hat seine Grenzen, das Hirn hat seine Grenzen, die Psyche hat ihre Grenzen. Wir dürfen nicht denken, dass Vollkommenheit heißt, dass man auf irgendeiner physischen, emotionalen und geistigen Ebene eine wie auch immer geartete Vollkommenheit erreicht hat. Es heißt, wir sind aufgewacht. Es heißt, wir wissen: Ich bin das unsterbliche Selbst. Ich bin der Atman. Man ist so weit aufgewacht, dass man sich nicht mehr inkarnieren muss. Es ist die Befreiung oder Nirvikalpa Samadhi oder Selbstverwirklichung. Gottverwirklichung heißt: Ich weiß, ich bin Satchidananda. Ich bin Sein, Wissen und Glückseligkeit. Aham Brahmasmi, ich bin Brahman. Ayam Atma Brahman, dieses Selbst ist Brahman. Wir wissen das und es ist ein dauerhaftes Wissen, es verlässt uns auch niemals mehr. Egal, was passiert, Harahalame Almasta Sat Chid Ananda Hum. Was auch immer passiert, ich weiß das.

Ich bin deshalb auch nicht gebunden von irgendwelchen Problemen oder Neurosen, einem Trauma und so weiter. Das löst sich damit auf. Deshalb heißt es in Nirvikalpa Samadhi werden eine Menge von Samskaras verbrannt. Es wird deshalb auch als Nirbija Samadhi bezeichnet, es werden also Bijas verbrannt. Und alles Karma, das nicht begonnen hat, Früchte zu tragen, wird auch verbrannt. Also Sanchita Karma, Agami Karma wird verbrannt. Wir brauchen nicht noch mal wiedergeboren zu werden. Wir sind auch nicht mehr in der Lage, egoistische Handlungen zu führen. Das klingt jetzt so ein bisschen negativ: Aber wir sind nicht mehr in der Lage, egoistische Handlungen auszuführen, die dann zu neuem Karma führen würden. Sondern wir fühlen: Ich bin das Bewusstsein hinter allem, auch wenn ich noch durch diesen Körper hindurch wirke, auch wenn ich dort weiter Karma habe.

Was weiter bleibt, ist das Temperament. Selbstverwirklichte Heilige, auch die, die volles Nirvikalpa Samadhi erreicht haben, sind keine wandelnden Statuen. Sie haben ein Temperament, sie haben eine Persönlichkeit, sie haben Gewohnheiten, sie haben sogar Lieblingsgerichte. Es gab bestimmte Dinge, die hat Swami Sivananda lieber gegessen als andere. Es wird auch irgendwo geschrieben über Sankara, in der Dhyana Shloka, dass er irgendeine Frucht auch besonders gemocht zu haben scheint. Aber natürlich hat es Swami Sivananda oder auch Sankara auch nichts ausgemacht, wenn sie das nicht bekommen haben, was sie gerne hätten. Sie würden deshalb also nicht wild werden oder böse werden.

42. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Befreiung, Erlösung und Selbstverwirklichung

Frage: Der Wunsch nach Befreiung und der Wunsch nach Selbstverwirklichung, ist das das gleich oder etwas Unterschiedliches?
Vom vedantischen Standpunkt ist der Wunsch nach Selbstverwirklichung und Befreiung das Gleiche. Letztlich, der Wege sind viele, der Wahrheit ist eins. Worte sind viele, aber Wahrheit ist eins. Selbstverwirklichung, Erlösung, Moksha, Nirvikalpa Samadhi, höchste Erkenntnis, Unio Mystica, Nirwana – all das bedeutet das Gleiche. Also, Wunsch nach Befreiung, Wunsch nach Gottverwirklichung, Wunsch nach Selbstverwirklichung, Wunsch nach Nirvikalpa Samadhi – im Grunde ist alles das Selbe, es ist nur Frage der Worte. Manche Menschen wollen nicht den Ausdruck Befreiung, aber Selbstverwirklichung finden sie gut. Manche finden den Ausdruck Selbstverwirklichung nicht so gut, weil er ja auch zwei Hauptbedeutungen hat: Im Kontext der humanistischen Psychologie heißt Selbstverwirklichung irgendwo sich selbst kennenlernen, sich selbst anzunehmen, seine Talente zum Vorschein zu bringen und dem zu folgen, was irgendwo tief im Inneren angelegt ist, ein authentisches, selbstbestimmtes Leben zu führen. Das ist der humanistische Begriff der Selbstverwirklichung. Im Yoga meint man ja damit etwas anderes. Wir wollen unser wahres Selbst verwirklichen und das ist jenseits von allen Talenten und Möglichkeiten und so weiter. In diesem höheren Sinn, im spirituellen Sinn das Wort „Selbstverwirklichung“ verstanden, ist es gleichbedeutend mit dem anderen. Dann ist es eine Frage, wie man es nimmt.

Teil 41 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Frage zum Karma

„Hat die Art, wie man etwas erledigt, einen Einfluss auf das Karma? Wenn man sich durch etwas durchquält, ist das besser oder schlechter, als wenn es einem irgendwo leicht fällt?“
Die Art, wie wir etwas erledigen, hat natürlich einen Einfluss auf unser Karma. Denn mal angenommen, wir haben eine bestimmte Aufgabe und wir erledigen sie halbherzig, dann haben wir unsere Aufgabe nicht erfüllt. Dann kommt sie nachher noch mal wieder und zwar mit Zinseszins. Deshalb sollte man nichts halbherzig machen. Was man macht, sollte man so gut machen, wie man es kann und natürlich, wie es in der Situation angemessen ist. Was wir nicht erledigen, das kommt dann später.

Gut, manches Mal kann man auch sagen: ich hudele es jetzt halt hin und ich weiß, es kommt später noch mal. Aber das ist eben, was ich jetzt machen kann und dann mache ich es das nächste Mal richtig. Das ist ja auch OK. Nur insgesamt gilt es, es richtig zu machen. Zum zweiten, das was wir machen aber auch unter Beachtung der Menschen zu tun, mit denen wir es zu tun haben und der Erde. Wenn wir jetzt etwas erledigen und andere dabei kränken, schaffen wir auch neues Karma. Wenn wir es mit einem dicken Ego erledigen: Ah, ich bin der große Hecht, der das besser macht als alle anderen, dann hat das auch wieder einen Einfluss auf das Karma. Man sagt ja auch: Hochmut kommt vor dem Fall. Glücklicherweise hilft uns das Karma, wenn unser Ego zu dick wird, indem es irgendwann eine Nadel da rein pickst und dann geht die Luft raus.

Ansonsten aber kann man jetzt nicht sagen, mal angenommen, man hat eine unangenehme Arbeit zu tun. Dann macht man sie halt. Das ist dann halt unangenehm. Und ein anderes Mal hat man eine Arbeit zu tun, eine Aufgabe und die macht man sehr gerne. Wenn man beides macht, so gut wie man es kann als seine Pflicht und seine Aufgabe, die man Gott darbringt, wenn es einem irgendwo vielleicht nicht ganz so erheblich ist, ob man es mag oder nicht mag, dann ist beides eine gute Einstellung. Zumindest vom Jnana-Yoga Standpunkt aus. Da ist es ja egal. Man macht Erfahrungen, aber ob da jetzt schöne oder negative Erfahrungen dabei sind, ist jetzt nicht weiter erheblich. Manchmal kann man sogar sagen, es gehört zum Karma dazu, dass man mal positive und mal negative Erfahrungen macht. Und dann ist es ja gut, wenn man jetzt die negativen Erfahrungen hinter sich hat. Also schön, dass sie jetzt da sind. Außerdem lernt man dabei Tapas, Askese-Übungen. Das macht auch den Geist stark. Auf einer anderen Ebene, und das ist dann mehr vom Raja-Yoga her, ist es durchaus auch gut, das zu mögen, was man zu machen hat. Wenn man also eine Aufgabe hat, dann ist es gut, wenn man lernt, es zu mögen. Und es ist jetzt nicht so, dass bestimmte Aufgaben, die man hat, die mag man und die anderen kann man nicht mögen. Sondern man kann sich auch fragen: Wie kann ich die Aufgabe so machen, dass ich sie mag. Wenn man also jemand ist, der gerne freudig im Leben ist, dann kann man überlegen: wie kann ich die Aufgabe machen, dass ich sie mag? Aber nicht jeder Mensch will freudig im Leben sein. Ich habe euch gestern erzählt von dem melancholischen Menschen. Da gehört es irgendwo zum Vairagya dazu, dass man immer wieder erkennt: alles Leben ist Leiden und das durchaus etwas wörtlicher nimmt. Man arbeitet also eben sein Karma ab: das ist zu erledigen und ich mache es so gut, wie ich kann, und das ist zu erledigen und auch das mache ich so gut wie ich es kann. Freude habe ich in der Meditation. Freude habe ich, wenn ich hinter die Dinge schaue. Freude ist auch ein Ansatz und er ist legitim. Für die Mehrheit der Menschen ist es durchaus gut zu lernen, das zu mögen, was man macht, ohne verhaftet zu sein.

 

41. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Wünsche, Leben nach dem Tod, nächstes Leben und Reinkarnation

Frage: „Wenn man sich wünscht, im nächsten Leben einen Porsche zu haben?“
Wenn das ein sehr großer Wunsch ist, würde ich ihn nicht aufs nächste Leben vertagen, sondern ihn in diesem Leben vielleicht mal zwei Stunden mieten oder so ähnlich, dann habt ihr vielleicht den Wunsch hinter euch gelassen, zumindest als spiritueller Aspirant. Außerdem weiß man ja gar nicht, ob es dann noch Porsches gibt. Die Wahrscheinlichkeit ist mit einem guten Lebensstil, dass man noch 40 bis 50 Jahre lebt, dann braucht man noch ein paar Jahre, bis man wiedergeboren ist. Dann noch mal 20 Jahre, bis man den Führerschein hat, oder 18. Und dann vielleicht noch mal 20 Jahre, bis man es sich leisten könnte. Ob es aber in hundert Jahren noch Porsches gibt… Deshalb muss man gut aufpassen auf seine Wünsche.

Wir bekommen das, was wir brauchen. Wir bekommen nicht unbedingt genau das in dem Moment, in dem wir es gerne haben. Wenn dem so wäre, würde sich ja jetzt niemand wünschen, in Afghanistan oder im östlichen Kongo geboren zu werden. Trotzdem werden dort mehr Menschen geboren als hier. Es ist also nicht so wie ein Internet-Webshop, wo man sich das dann aussucht. Sondern wir werden da geboren, wo wir zum einen unsere Wünsche erfüllen können und zum anderen, wo unser Karma kommt, wo wir unsere Lernlektion bekommen, die wir brauchen, um zu wachsen. Auf der einen Ebene haben wir es uns also ausgesucht, aber nicht wie in einem Internetshop und auch nicht wie im Quelle-Katalog.

Teil 40 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Spirituelle Praxis ohne Wunsch nach Befreiung?

Frage: „Was ist, wenn man gerne zurückkommt, also nicht vom Kreislauf von Geburt und Tod befreit sein will“?
Zunächst mal ein Trost: es gibt keine Befreiung wider Willen. Solange man weiter auf die Erde zurückkommen will, solange braucht man keine Angst haben, dass man vorzeitig die Verwirklichung erreicht. Das also zum Trost.

Sankara gibt darauf auch in einer Hymne eine Antwort, die ich euch auch schon mal genannt habe: Wieder wirst du geboren, wieder wirst du aufwachsen, wieder wirst du alt, wieder wirst du sterben, wieder wirst du Kinder in die Welt setzen, wieder wirst du sie verlassen. Jeder, den du siehst, war schon mal dein Vater. Jeder, den du siehst, war schon mal deine Mutter. Jeder, den du siehst, war schon mal dein Kind, dein Bruder, deine Schwester. Wann hast du genug davon?

Wenn man wieder auf die Welt kommt, gibt es erstens keine Garantie, dass man seine Enkel erlebt. Man kann ja auch irgendwo in Afrika geboren werden oder in Australien. Und es gibt keine Garantie, dass die Enkel dann leben. Wenn man dann wiedergeboren wird, wird man nicht unbedingt als deren Großmutter geboren, vielleicht wird man dann als deren Angestellter geboren und wird dann von denen tyrannisiert. All das ist möglich. Das wäre jetzt so eine Antwort.

Man sagt manchmal, wir suchen es uns aus, wo wir wiedergeboren werden. Auf der einen Seite stimmt das, auf der anderen Seite stimmt das nicht. Es stimmt in der Hinsicht: wir suchen es uns aus von einem höheren Standpunkt, so dass wir die Erfahrungen machen können, die wir brauchen, um spirituell zu wachsen. Es heißt auch, dass alle Wünsche, die wir haben, werden irgendwann erfüllt werden. Wenn man also noch mal Enkel haben will, wird man noch mal geboren oder man kann ja so lange leben, bis die Enkel da sind. Man muss ja nicht noch mal wiedergeboren werden für die Enkel, denn wenn man dann wiedergeboren wird, ist man vielleicht jünger als die Enkel. Dann hat man auch keine Freude an den Enkeln. Wenn man mal überlegen würde, ich weiß nicht, ob jemand von euch Enkel hat, stellt euch vor, eure Enkel wären eure Tanten. Ob das dann so toll wäre? Das wäre sicher wieder eine andere Sache. Oder es wäre euer Vermieter oder euer Betriebsratsvorsitzender oder euer Bürgerinitiativengegner. Wir können uns also bemühen, etwas länger zu leben.

Es heißt also tatsächlich, dass wir alle Wünsche, die wir haben, irgendwann auch erfüllt bekommen. Es heißt aber glücklicherweise, nicht alle muss man im physischen Körper erleben. Von manchen Wünschen träumen wir irgendwie und das reicht schon aus. Aber es kann sein, dass wir wegen intensiver Wünsche noch einmal wiedergeboren werden. Umso wichtiger ist es, keine intensiven Wünsche zu haben. Natürlich gibt es Menschen, die sagen, das Leben ist so toll und ich will immer wieder geboren werden. Aber man kann gucken, ob man das so auch noch in 20, 30, 40 oder 50 Jahren denkt.

Teil 39 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Vairagya, innere Entsagung, ist besonders wichtig für Vedanta

„Wo Losgelöstheit und die Sehnsucht nach Befreiung schwach sind, dort sind die sechs Tugenden, wie Stille der Gedanken, Zügelung der Sinne, nichts anderes als eine Sinnestäuschung, wie Wasser in der Wüste.“ (Sankara im Viveka Chudamani)
Wobei Wasser in der Wüste ja auch nicht schlecht wäre. Aber es ist eben die Fata Morgana in der Wüste. Es gibt nicht wirklich Wasser. Und dann, gelingt es, Gleichmut zu haben und so eine unerträgliche Welt zu ertragen und nicht nach Befreiung zu streben, das ist nicht Ziel der spirituellen Praxis.

Teil 38 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Vairagya führt zur Erleuchtung

„Denn nur wo Losgelöstheit, Vairagya, und die Sehnsucht nach Befreiung, Mumukshutva, in hohem Maß vorhanden sind, erfüllen die sechs Tugenden, Shatsampat, ihren Sinn und tragen Früchte.“ (Sankara im Viveka Chudamani 29. Vers)
Das ist auch noch mal etwas Wichtiges. Es ist manchmal ja auch die Frage, „Reicht es nicht aus…“ – ich erweitere jetzt diese sechs Tugenden auf andere – „Reicht es nicht aus, ein ethisches Leben zu führen?“ Und Sankaras Antwort wäre, nein. Ein ethisches Leben ist gut, selbstverständlich und jetzt widerspreche ich dem Papst. Der Papst sagt, „Ein ethisches Leben ohne Gott ist kaum möglich.“ Vor ein oder zwei Jahren hat er so gesagt, „Ein Grund, weshalb Religiosität wichtig ist, damit Menschen ethisch sind. Denn es braucht einen religiösen Glauben, um ethisch zu sein.“ Meine Behauptung ist, stimmt nicht. Es gibt Menschen, die sind vollkommen atheistisch und führen ein sehr ethisches Leben. Vermutlich kennt ihr auch den ein oder anderen. Und es gibt Menschen, die sind sehr religiös und haben einen großen Glauben und führen ein sehr unethisches Leben. Sogar in vielen Fällen werden Menschen egoistisch, wenn sie anfangen, spirituell zu werden. Vielleicht auch das, was du unter Weltflucht dort verstanden hast. Oder vorgestern war der 11. September. Ihr erinnert euch noch, wozu Menschen in der Lage sind aus einem religiösen Fanatismus. Und ich hatte irgendwann mal diesen Brief, den letzten Brief gesehen, den dieser Mohammed Atta an seine Co-Attentäter geschickt hat. Habt ihr den mal gelesen? Spirituell hoch ergreifend. Wunderschön geschrieben. Sehnsucht nach Gott. Es gab ein paar furchtbare Sätze auch drin, aber der größte Teil hat mich fast inspiriert. Gegen meinen Willen. Nicht dass ihr denkt, ich werde jetzt zum Terroristen dadurch. Aber ich konnte das nachvollziehen, was der Geist ist, aus dem sie dort hingehen. Oder irgendwann mal habe ich eines dieser Videos gesehen von Osama bin Laden. Der wirkt überzeugend. Der ist nicht einfach nur ein Schreihals wie Hitler gewesen. Und selbst der hat auf Leute überzeugend gewirkt und hat religiöse Gefühle in ihnen angesprochen. Also, wir müssen dort aufpassen, bevor wir dort sagen, Religion macht Menschen ethisch und Atheisten sind alle unethisch. Das stimmt einfach nicht. Aber um zur Befreiung zu kommen, reicht jetzt ethisches Verhalten allein nicht aus. Um zur Befreiung zu kommen, ist ethisches Verhalten wichtig und das dann gekoppelt mit Wunsch nach Befreiung und das gekoppelt mit Vairagya. Jetzt habe ich diese Shatsampat noch ergänzt eben durch die eigentliche Ethik. Aber man kann auch noch sagen, Shatsampat ist ja jetzt auch nicht Ethik an sich. Shatsampat können auch Menschen machen, die gar nichts, noch nicht mal mit ethischem Leben zu tun haben. Ruhe, Gleichmut bewahren. Es gibt ja diesen Stoizismus als Philosophie der Antike. Die Shatsampat, könnte man sagen, die Stoiker haben ein solches Leben geführt. Wobei die Stoiker jetzt durchaus auch eine Philosophie dort hatten, aber es war jetzt keine religiöse Philosophie. Es war im Altertum zum Teil auch als Schimpfwort gebraucht. Jemand, der sich nur äußerlich beherrscht und nirgendwo engagiert ist. Das sind die Shatsampat in der ersten Interpretation, von nichts berührt zu sein. In der zweiten Interpretation heißt es, man kann Emotionen und alles haben, aber weiß, „Das bin ich nicht.“ und ist in der Lage, auch mal jenseits dessen zu gehen. Also, Shatsampat allein ist noch keine Spiritualität. An Shatsampat zu arbeiten, das zu koppeln mit Vairagya, Viveka und Mumukshutva, dann können wir zur Befreiung hingehen.

Teil 37 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Vairagya, Verhaftungslosigkeit, wichtig für den Yoga Aspiranten

„Auch wenn der Wunsch nach Befreiung, Mumukshutva, nur schwach oder mäßig ist, wird er durch Losgelassenheit, Vairagya, die sechs Tugenden, wie Stille der Gedanken und Selbstbeherrschung und die Gnade des Meisters größer und stärker und trägt Früchte.“ (Sankara im Viveka Chudamani Vers 28)
Also, jetzt sagt er noch, auch wenn der Wunsch noch nicht so stark ist und selbst Sankara muss also Schüler gehabt haben, bei denen der Wunsch nicht so stark gewesen ist, sagt er, Vairagya. Und Vairagya heißt, das kann man eben auch üben. Also Nachdenken über Probleme hier. Oder auch indem wir an den sechs Tugenden arbeiten. Wir probieren also Gelassenheit usw. Und das hilft durchaus, dass man sich ein bisschen lösen kann. Und auch durch die Gnade des Meisters und die Gnade des Meisters empfängt man natürlich besonders, wenn man einem Meister dient, bei einem Meister ist, über einen Meister nachdenkt und damit ist das auch Satsang und Nachdenken über Brahman.

Teil 36 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Entwickle Mumukshutva, den Wunsch nach Selbstverwirklichung und Befreiung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Mumukshutva, den Wunsch nach Befreiung, wachsen zu lassen. Also, es gibt verschiedene Möglichkeiten, Mumukshutva wieder wachsen zu lassen und die klassischen Weisen sind zum einen Satsang und das zweite, Nachdenken über Probleme und zwar spezielle Probleme und das dritte wäre, Nachdenken über Brahman. Also Satsang . Also jetzt im weiteren Sinne Satsang verstehen, heißt, Zusammensein mit anderen spirituellen Aspiranten. Wenn man mit anderen spirituellen Aspiranten zusammen ist und vielleicht sogar mit solchen, die ein bisschen weiter sind als man selbst oder noch besser mit einem spirituellen Lehrer, noch besser mit einen Selbstverwirklichten, dann wird automatisch der Wunsch nach Befreiung auch stärker. Mindestens die Mehrheit von euch wird jetzt dieser Tage vielleicht öfters eine stärkere Sehnsucht nach Befreiung haben als noch vor acht Wochen oder vielleicht als noch vor zwei Jahren. Das zweite ist, Nachdenken über Probleme. Aber nicht, um in Selbstmitleid zu versinken, sondern bewusst sein, „Ja, die Welt ist relativ und auf die Dauer macht mich das nicht glücklich.“ Und dann kann man sogar glücklich sein über jedes Scheitern. „Ja, ist halt so. Was einen Anfang hat, hat ein Ende. Dauerhaftes Glück gibt es in dieser Welt nicht.“ Oder so wie Patanjali es ausdrückt und das klingt jetzt sehr negativ, „Sarvam Dukham Vivekinaha. Für einen Menschen von Unterscheidungskraft ist alles Leiden.“ So wie Buddha anfängt, die erste der vier edlen Wahrheiten ist, „Alles Leben ist Leiden.“ Dennoch, wenn ihr buddhistische Mönche anschaut, die sehen relativ häufig glücklich aus. Obgleich der Buddhismus mehr als jede andere Religion die Leidhaftigkeit des Daseins betont. Der Patanjali erwähnt es irgendwo im 2. Kapitel halbwegs versteckt. Kaum jemand kennt diesen Vers. In den meisten Büchern, Kommentaren wird er kaum erwähnt, also relativ versteckt. Buddhismus fängt gleich an, erste edle Wahrheit, „Alles Leben ist Leiden.“ Patanjali baut das noch ein bisschen aus. Warum? Weil es Konflikte gibt zwischen verschiedenen Wünschen. Ein Grund. Zweiter Grund, weil es Konflikt gibt zwischen Wünschen und Gunas. Also, wir kriegen nicht alles, was wir wollen. Zum zweiten, nicht alles, was wir wollen, ist miteinander vereinbar. Zum dritten, wegen der Unruhe des Geistes. Was wir heute wollen, ist nicht mehr das, was wir morgen wollen. Und wegen dem Wissen, dass Dinge vergänglich sind. Man weiß, „Was ich heute habe, ist morgen vielleicht schon vorbei.“ Und weil der Mensch die Fähigkeit hat, im Voraus zu gucken. Erinnert euch an den Säbelzahntiger. Das hat ihn ja geradezu überleben lassen, dass er, wenn irgendwas gut geht, er immer erwartet, irgendwas Schlimmes wird auch noch passieren und das, was jetzt gut ist, wird irgendwann verschwinden. So kann man noch nicht mal den Moment so wirklich genießen. Jetzt gibt es aber das Paradox. Weil man nicht erwartet, dass äußere Dinge einem dauerhaftes Glück geben… Wer setzt den Satz fort? …können wir ein glückliches Leben führen. Wenn man nicht erwartet, dass, wenn man nur den Richtigen findet, man dann immer und ewig dauerhaft glücklich ist, so wie im Märchen. „Sie lebten glücklich und zufrieden bis an das Ende ihrer Tage.“ Es gibt Märchen, die enden so. Andere enden, „Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Das ist wenigstens ein realistisches Ende. Da wird einem bewusst, sind höchstwahrscheinlich alle gestorben. Wenn schon die Gebrüder Grimm aus dem 19. Jahrhundert davon erzählt haben, sind sie heute sicher alle tot. Aber, sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage… Oder irgendwo, ich glaube, von Heinz Erhard, es kann aber auch von Eckhard von Roth gewesen sein, „Darum wir beim Happy End stets abgeblendt.“ Von wem ist das? Heinz Erhard. Also, wenn man das nicht erwartet, dann weiß man, der, mit dem man zusammen ist, hat seine Macken und manchmal ärgert man sich oder nicht, dauerhaftes Glück gibt es nicht. Man ist zufrieden und nimmt den anderen so an, wie er ist und guckt nicht ständig nach jemand Neuem, der einem vielleicht die dauerhafte Befriedigung geben kann. So kann man ein glückliches Eheleben führen oder Partnerleben. Man erwartet nicht, dass das allein einen dauerhaft glücklich macht. Und falls es doch nicht auf Dauer bestimmt ist und zwischendurch zu Ende geht, weiß man, auch das gehört zum Leben dazu. So haben es ja die Yogis gesagt, alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Es kann auch ein Ende haben vor dem physischen Tod, spätestens hat es ein Ende mit dem physischen Tod, letztlich relativ. Und dann können wir letztlich auch den Augenblick genießen solange er da ist, denn wir wissen, irgendwann ist er sowieso vorbei. So wie jetzt kann ich genießen mit euch zu sprechen über das Viveka-Chudamani und danach wartet vielleicht irgendeine Büroarbeit auf mich. Meine Sekretärin nickt gerade. Vielleicht fahre ich aber auch Fahrrad. Das ist mein Vorteil, ich kann die Reihenfolge bestimmen. Aber das eine ist schön, das andere ist auch schön, aber man sollte nicht erwarten, das eine macht einen dauerhaft glücklich. Und das ist eben Nachdenken über die Probleme der Welt, das hilft zu Mumukshutva und dann können wir vorübergehendes Glück genießen und vor allen Dingen können wir alles als Manifestation von Brahman ansehen. Das nächste natürlich, Nachdenken über Brahman. Wir wissen, es gibt doch dauerhaftes Glück und es gibt doch dauerhafte Erfüllung. Der menschliche Geist ist nicht mit einer unerfüllbaren, unrealistischen Sehnsucht gefüllt, sondern es gibt es. Wir können darüber nachdenken über Brahman und wir können auch nachdenken über Menschen, die Brahman verwirklicht haben. Man kann Biographien lesen von Swami Sivananda, Biographien lesen von Anandamayi Ma, von Ramakrishna, von Ramana Maharshi, von YogAnanda, von Theresa von Avila, Biographien von Franziskus von Assisi, Biographien von Rumi, dem Sufi-Weisen und dann stellt man fest, „Sie haben daraus gehandelt, sie haben das erfahren, sie haben diese Liebe und dieses dauerhafte Glück gespürt, sie haben es auch gelebt und deren Leben ist wirklich etwas, dem will ich auch nachfolgen. So möchte ich auch leben.“
Sie sagte, es ist vielleicht sogar dann schwieriger für Menschen, die relativ glücklich sind, dort nach Mumukshutva zu streben oder Mumukshutva zu haben. Sie sind ja glücklich in ihrem Leben. Da kann man sagen, glücklicherweise gibt das Leben einem auch Tritte in den Hintern. Also, ich kannte mal jemanden, der hat mir so erzählt, „Ich bin jetzt schon glücklich, ich brauche das Yoga nicht. Und ich genieße mein Leben und es ist alles toll und wenn ich im Meer tauche, dann ist alles gut und wenn ich spazieren gehe und die Schönheit der Natur genieße, dann ist alles toll.“ Irgendwann hat er ein Augenproblem gehabt, Netzhautproblem, kann nicht mehr tauchen, kann auch die Natur nicht mehr richtig sehen, es verschwimmt alles und seitdem ist er unzufrieden geworden. Also, das ist die eine Sache. Aber es gibt auch eine weitere Sache. Wir müssen nicht unbedingt durch Schicksalsschläge hinkommen. Man kann auch tatsächlich sagen, „Ich bin jetzt schon glücklich, aber ich will noch glücklicher werden. Und das Glück, das ich jetzt erfahre, ist eine Gnade Gottes und ich bin Gott dankbar, dass er mir all diese Schönheit gibt und ich möchte jetzt nicht nur die Schönheit Gottes sehen, sondern Gott selbst.“ Eine Sehnsucht nach Befreiung kann eben auch über Nachdenken über Brahman geschehen. Es ist auch eine Temperamentfrage, was davon einem mehr hilft. Und es gibt auch Menschen, die insgesamt schon glücklicher sind und dennoch nach Gott streben. Auch das ist eine Temperamentfrage. Ein gewisses Glücksniveau, kann man sagen, ist Menschen auch schon irgendwo angeboren. Vielleicht von früheren Leben, andere würden sagen, von den Genen her. Tatsächlich, wenn ihr ein glückliches Baby habt, ist es höchstwahrscheinlich noch glücklich, wenn es zum Pflegefall wird mit 80 oder 90. Wenn ein Baby schon mit einem halben Jahr ständig unzufrieden ist und jetzt nicht ein physiologisches Problem dort hinter steckt – manchmal gibt es ein physiologisches Problem, Blähungen oder sonst was und wenn die abgestellt sind, ändert sich der Charakter des Babys. Aber beim Kleinkind kann man es schon eher sagen. Also, ein unglückliches Kleinkind wird höchstwahrscheinlich im Alter auch ein unglücklicher Pflegefall sein. Ich sagte, höchstwahrscheinlich, das heißt nicht, immer. Zum einen können traumatische Erfahrungen Menschen ändern, zum anderen können außergewöhnliche Glückserfahrungen Menschen ändern und jetzt kommt noch die frohe Nachricht, regelmäßige Meditation macht Menschen insgesamt glücklicher und ändert sogar die Hirnstrukturen. Man hat sogar festgestellt, dass Menschen, die glücklicher sind, haben irgendeine Partie im Hirn stärker aktiv als andere und jemand, der regelmäßig meditiert, hat diese Hirnstruktur etwas stärker und so kann man tatsächlich sagen, die empirische Forschung legt nah, langjährige, regelmäßige Meditation macht Menschen insgesamt glücklicher. Das ist doch schon mal gut. Aber insgesamt heißt, über einen großen Durchschnittswert und es ist auch nicht so vehement. Und wir müssen auch nicht unbedingt so glücklich werden im Relativen. Also, wer von euch eher eine Neigung hat, unglücklich zu sein, so ein melancholisch-deprimiertes Grundgefühl zu haben, dann seid dankbar. Das ist sehr gut für Mumukshutva und Vairagya. Fällt leicht. Wenn ihr aber eher diese Glückskinder seid, freut euch auch und strebt vielleicht nach denjenigen, der hinter allem Glück steckt. Jetzt, wenn ihr so ein melancholisches Temperament habt, beneidet nicht die scheinbaren Kinder des Glücks. Es ist eure Weise, wie ihr der höchsten Wahrheit nahe kommt. Manchmal gibt es das auch, dass Menschen ihr ganzes Leben eher unglücklich waren und dann auf den spirituellen Weg kommen, endlich einen Sinn im Leben sehen und dann eher glücklich waren. Ich gehöre ja eher zu denen, die als Kind und Jugendlicher eher unglücklich waren. Als Kleinkind nicht, aber irgendwie, als ich angefangen habe zu denken, ab da, irgendwo 8, 9 Jahre, ab da war ich irgendwo ein unglückliches Kind, weil ich gemerkt habe, es sagt mir nichts, was die anderen so wollen und tun und was die so machen. Und irgendwo habe ich gedacht, ich bin auf dem falschen Planeten und in die falsche Familien geboren. Ich hatte liebevolle Eltern, tolle Brüder, ich hatte eigentlich alles Gute in der Kindheit gehabt, aber dennoch, ich sage, vom früheren Leben her, hatte ich den Wunsch nach Befreiung und dafür gab es da keine Nahrung und was da ansonsten war, hat mich nicht glücklich gemacht. Und dann, als ich irgendwann auf diese spirituelle Philosophie gestoßen bin, habe ich gedacht, endlich macht Leben wieder einen Sinn. Das hat dann die Sichtweise geändert. Aber ich kann mich noch erinnern, als ich 1981 den Namen bekommen habe, Sukadev, und mir gesagt wurde, das heißt Engel der Wonne, da habe ich gedacht, einen falscheren Namen als das hätte man mir nicht aussuchen können. Jahrelang ganz andere Gedanken als Gedanken der Wonne. Irgendwann habe ich aber gemerkt, passt durchaus doch. Obgleich Weltenschmerz auch immer wieder da ist und die Sehnsucht, irgendwann doch vollständig die Befreiung zu haben. Warum lässt mich Gott nicht gänzlich raus aus diesem Schlamassel hier? Er zeigt es mir immer wieder. So ist es und so könnte es sein und das ist deine wahre Natur, aber erst musst du deine Aufgaben erfüllen, bevor du dort ganz hinkommst. Manchmal hadere ich mit ihm.

35. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Mumukshutwa, die Sehnsucht nach Selbstverwirklichung und Erleuchtung

„Sehnsucht nach Befreiung, Mumukshutva, ist der brennende Wunsch, sich durch Erkenntnis des ureigenen Wesens von den Fesseln, wie Ichbezogenheit und Körperverhaftung, zu befreien, die aus Unwissenheit entstanden sind.“ (Sankara im Viveka Chudamani 27. Vers)
Also Mumukshutva. Moksha heißt Befreiung, Mukshutva hieße, Wunsch nach Befreiung und Mumukshutva ist der intensive Wunsch nach Befreiung. Er sagt, „Ist der brennende Wusch, sich durch Erkenntnis des ureigenen Wesens von den Fesseln, wie Ichbezogenheit und Körperverhaftung, zu befreien, die aus Unwissenheit entstanden sind.“ Und dieses Mumukshutva ist in besonderem Maße wichtig. Swami Sivananda hat mal so humorvoll gesagt, Selbstverwirklichung ist eine Sache von Angebot und Nachfrage. Wenn Nachfrage da ist, dann kommt auch das Angebot, nämlich die Selbstverwirklichung. Das ist vielleicht so wie eine kapitalistische Wirtschaft, wenn es eine Nachfrage gibt, dauert es nicht lange, bis irgendein Unternehmen das anbietet. Das ist jetzt natürlich ein bisschen flapsig formuliert. Aber wenn wir wirklich tief im Inneren die Selbstverwirklichung wollen, dann kommt sie auch. Und es heißt, wenn der Wunsch nach Selbstverwirklichung oder nach Befreiung oder nach Einheit stärker ist, als alle anderen Wünsche zusammen, dann erreichen wir das in diesem Leben. Wenn der Wunsch schwächer ist als andere Wünsche, dann in einem späteren Leben. Antoine De Saint – Exupéry hat mal was Ähnliches ausgedrückt: „Angenommen, du willst jemandem beibringen, wie er Seefahrer wird, dann erzähle ihm nicht über die verschiedenen Schiffsarten, Antriebsarten, Segelarten, sondern schwärme ihm vom Meer vor. Er wird dafür sorgen, dass er all das macht, all das lernt, was notwendig ist, um Seefahrer zu werden.“ Und auf eine gewisse Weise macht Sankara das, auf einer gewissen Weise mache ich das ja auch, ich schwärme euch von der Verwirklichung vor. Und Sankara macht es, die großen Meister machen es, zu erzählen, „Brahman, das ist das, worum es geht. Satchidananda, das ist deine wahre Natur. Alles andere ist relativ und vergänglich und letztlich macht es nicht dauerhaft glücklich.“ Und wenn wir darüber öfters nachdenken, wird der Wunsch nach Befreiung stärker. Patanjali drückt es ja so aus im Yoga Sutra, „Verwirklichung kommt schnell bei dem, der einen starken Wunsch danach hat.“ Also, wenn wir einen starken Wunsch nach Verwirklichung haben, dann kommt sie auch. Aber den Wunsch, den gilt es auch zu pflegen. Wir können wirklich auch etwas tun, damit der Wunsch stärker wird. Denn die anderen Wünsche werden immer wieder stärker, insbesondere im so genannten Kali-Yuga. Kali-Yuga heißt dunkles Zeitalter. Und laut klassischer indischer Chronologie befinden wir uns seit 3227 v. Chr. im Kali-Yuga und es dauert noch 427.000 Jahre knapp, bis wir dort rauskommen. Also nicht, dass ihr denkt, wir könnten dort schon morgen oder übermorgen rauskommen. Aber ich muss zugeben, ich bin jetzt bei diesen klassischen Chronologien nicht so ganz der Meinung, dass man es wörtlich nehmen soll. Denn letztlich heißt es irgendwo, seit Beginn der Zivilisation ist das dunkle Zeitalter und vorher, als wir in Höhlen gelebt haben, war es ein bisschen besser und vorher, als wir noch nicht mal Höhlen kannten, war es ganz besonders gut. Das ist durchaus auch in Frage zu stellen. Natürlich weiß man auch nicht, ob da all das stimmt, was die Anthropologie sagt, vielleicht gab es durchaus Atlantis, als einen großer Kontinent, der untergegangen ist und ist irgendwo tief verschüttet. Und wenn die Wissenschaft irgendwann 1000 Meter unter den Meeresboden geht, findet man vielleicht Atlantis, als eine überlegene Zivilisation und vielleicht findet man irgendwann Lemuria 10.000 Meter unter dem Meeresspiegel. Soviel ist 10.000 Meter nicht oder 100.000 Meter. 100 Kilometer im Verhältnis zu 12.000 Kilometer Erddurchmesser ist nichts. Aber ich muss zugeben, persönlich bin ich doch inzwischen etwas mehr von den Aussagen der Biologie ein bisschen überzeugt, die eben das Erdzeitalter anders einteilen, als man es in manchen indischen Schriften findet. Und deshalb, auch mit diesem dunklen Zeitalter ist auch eine Sache, ob man das jetzt so wörtlich nehmen soll. Ich glaube, für die Praxis des Yogas spielt es jetzt nicht die allergrößte Bedeutung. Nur wenn wir Kali-Yuga jetzt einfach nehmen und sagen, Kali-Yuga ist dadurch charakterisiert, eine Mehrheit der Menschen ist nicht an Spiritualität interessiert. Und eine Mehrheit der Menschen ist mehr daran interessiert, reich und schön zu werden und Geld zu haben und das Leben zu genießen und Macht zu haben. Dann werdet ihr feststellen, das ist eine Mehrheit, oder? Oder habt ihr das Gefühl, die Mehrheit von euren Mitmenschen ist hauptsächlich interessiert an Gottverwirklichung, Selbstverwirklichung, uneigennützigem Dienen, gemeinnütziges Engagement? Jeder hat etwas davon, behaupte ich. Auch derjenige, der sich als Materialist bezeichnen würde und das sind nur wenige, auch der hat irgendwo ein inneres Engagement für etwas Gutes. Auch der überlegt manchmal, „Wer bin ich und was soll das Ganze?“ Aber für die Mehrheit ist es nicht ein Hauptwunsch und deshalb ist es ganz natürlich, dass man immer wieder angesteckt wird von der Mehrheitsmeinung. Und dann, die wenigstens von euch haben hauptsächlich Freunde und Freundinnen aus dem Yogabereich und die werden euch dann ab und zu mal irgendwie sagen, „Ja, lass das ganze Yoga. Du musst auch mal dein Leben genießen.“ Das ist immer paradox. Ich genieße mein Leben sehr. Wenn ich die Luft anhalte und das Prana hochsteigt und das Herzchakra sich öffnet und die Wirbelsäule dann mal wieder warm wird und irgendwo, was für ein Sinnesgenuss… Gut, vielleicht gibt es schöne Sinnesgenüsse auch, aber jedenfalls das genieße ich auch. Oder wenn ich dann vor euch sitze und über Mumukshutva spreche, was sollte dort schöner sein, was sollte ich im Leben verpassen? Da fällt mir jetzt nichts ein. Also, ich genieße jetzt mein Leben, ich kann über Viveka-Chudamani sprechen. Aber angenommen, ich würde jetzt mit meinem Onkel oder mit meinem Vater darüber sprechen oder mit Schulfreunden, dann würden die das anders sehen. Und wenn die Mehrheit der Menschen eben diese anderen Ansichten hat, wird man auch so ein bisschen mit beeinflusst. Außerdem ist es natürlich auch so, die volle Verwirklichung, ganz so schnell kommt sie dann doch nicht. Und dann ist man ein bisschen enttäuscht und denkt, „Ja, jetzt muss ich doch etwas anderes machen.“, dann kommt man auf diese und jene Idee.

Teil 34 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Wo ist die Grenze zwischen Weltflucht und Mumukshutva?

Frage: „Wo ist die Grenze zwischen Weltflucht und Mumukshutva, dem Wunsch nach Befreiung?“ Damit müsste man erstens die Weltflucht definieren. Wenn Weltflucht heißen würde, wir wollen fliehen aus der Identifikation mit dem Weltlichen, wir wollen daraus fliehen, ein Leben nur im Sinne zu führen, dann ist Weltflucht gleichbedeutend mit Mumukshutva. Wenn wir rauskommen wollen aus der Identifikation und rauskommen wollen aus einem Leben hauptsächlich auf der Muladhara Ebene und das als Weltflucht bezeichnen, dann ist das sicher Mumukshutva. Wenn Weltflucht dagegen heißen würde, aus Faulheit und Trägheit oder aus einer Enttäuschung heraus, seinen Pflichten nicht mehr nachzukommen und das als Ausrede zu nehmen, einfach nur seinen Neigungen oder abstrusen Neigungen nachzugeben, dann wäre das kein Mumukshutva. Also, nur Richtung Befreiung zu gehen, muss ja auch nicht falsch sein. Aber Richtung Befreiung zu gehen kann auch heißen, da seine Beziehung zu leben und seinen Beruf zu haben, seine Pflichten zu leben, damit kann man ja auch zur Befreiung hinkommen. Das ist ja letztlich der Weg der Bhagavad Gita, wo Krishna sagt, es geht nur darum, die Selbstverwirklichung zu erreichen. Aber wie erreicht man sie? Nicht, indem man von allem wegrennt, sondern indem man tätig ist, indem man seinen Aufgaben nachgeht, sein Karma erfüllt, sein Dharma erfüllt, seine Talente lebt, letztlich auch seine Ängste konfrontiert und darüber hinaus geht. Also, Mumukshutva ist dann sicherlich etwas anderes, als eine normal verstandene Weltflucht. Da muss man natürlich auch sehen, es gibt auch den Weg des Mönches. Also, nicht jeder muss eine Beziehung haben. Nicht jeder muss eine funktionierende Partnerschaft haben. Nicht jeder muss Kinder in die Welt setzen. Nicht jeder muss Vorstandsvorsitzender von einem Unternehmen werden. Nicht jeder muss einen geregelten 8-Stunden-Job haben. Also, das muss nicht jeder haben. Es gibt auch das Konzept eines Wandermönchs. Es gibt auch das Konzept von jemand, der in ein Kloster geht. Es gibt auch Menschen, die ein Singledasein führen, auch ohne formell als Mönche geweiht zu werden. Aber da ist immer die Frage, ist es Flucht oder ist es Zuflucht? Flucht würde heißen, man weiß, „Eigentlich ist es meine Aufgabe, aber es ist mir zu anstrengend, haue ich lieber ab von.“ Das andere ist dann, Zuflucht ist etwas anderes. Ich weiß, „Ich habe eine Aufgabe und die kann ich in dem Kontext vielleicht besser erfüllen als da, wo ich vorher war.“ Also angenommen, jemand kommt hierher in den Ashram z.B., ist es Weltflucht oder nicht? Es hängt auch davon ab. Es kann auch Menschen geben, die hierher kommen aus einer Weltflucht heraus und vielleicht haben sie auch einen guten Grund, davor geflohen zu sein. Muss ja auch nicht falsch sein. Angenommen, ihr seid in einem Haus und es brennt. Ist es dann richtig, drin zu bleiben, nur um nicht zu fliehen? Manchmal ist es angemessen, aus dem Haus zu fliehen, wenn es brennt. Und so kann es auch mal sein, dass man auch mal flieht. Nur, wenn man nur flieht, jedes Mal, wenn es anstrengend wird, flieht, dann nutzt es auch nichts. Und angenommen, jemand wird Mitarbeiter hier im Ashram – sind ja einige Mitarbeiter hier – dann wird es nicht so sein, dass man dann vor jeder Verantwortung wieder fliehen kann und sich drücken kann und jedes Mal, wenn es anstrengend wird, dann sagen, „Ja, ist mir jetzt zu anstrengend. Kann ich was anderes machen? Könnte ich das anders machen?“ Also, so sind Ashrams nicht aufgebaut und dieser Ashram hier in besonderem Maße sicherlich nicht. Aber es kann natürlich auch sein, dass jemand feststellt, der in einem Ashram ist, die eine Sache ist vielleicht nicht das Richtige, dann guckt man, dass er vielleicht doch etwas findet, wo es dann doch besser ist. Nicht alles, was schwierig ist, muss man nur deshalb machen, weil es schwierig ist. Aber manchmal muss man auch das machen, was schwierig ist und da durchgehen. Also, nicht dann aufhören, wenn es schwierig wird. Deshalb, es ist immer schwierig zu sagen, was ist überhaupt Weltflucht? Vor allem, wo flieht man dann hin und was macht man dann. Also z.B. für Mitarbeiter im Ashram, da werden sicher ein paar Familienmitglieder sagen, der hat Weltflucht begangen, ist weggelaufen. Aber subjektiv ist er nicht vor der Welt geflohen, sondern strebt nach einem höheren Ziel und ist dabei sehr engagiert und macht dann sehr viel und geht auch alle Schwierigkeiten an und bewirkt eine ganze Menge. Man würde vielleicht sagen, eben der Unterschied wäre, Weltflucht ist nicht nur Flucht von Welt, sondern ist, sich nicht auf etwas einlassen, nicht engagiert sein, eher ein luftiges Leben zu führen. Aber selbst dort, wer will beurteilen, ob das nicht vielleicht doch in seinem Karma war? Es gibt ja manchmal diese Bücher, geschrieben von den Menschen, die dort sagen, man soll nur seinem Herzen folgen. Und in jeder Situation, „Höre dein Herz und mache das.“ Ich habe mal die Biographien – es gibt ja so ein paar bekannte Autoren, von denen ich jetzt keinen nenne – gelesen von diesen Menschen. Und die, die das sehr stark betonen in ihren Romanen, haben mehrere Sachen gemeinsam. Erstens, sie leben von den Tantiemen ihrer Bücher. Zweitens, sie haben keine langfristige Beziehung eingehen können, keine Beziehung hat länger als ein paar Jahre gedauert. Und drittens, sie waren auch nie längere Zeit irgendwo angestellt. Dann kann man das so bedingungslos sagen, man muss immer seinem Herzen folgen. Wenn man halt das Glück hat, irgendwo den Nerv der Zeit getroffen zu haben und ein Buch zu schreiben, was ein Renner wird, hat man ausgesorgt. Man kriegt Tantiemen bis 40 Jahre nach seinem Tod. Oder sind es 60 Jahre. Ich glaube, in Deutschland sind es sogar 60 Jahre. Dann ist man praktisch eher Privatier, dann kann man immer noch ein Buch schreiben. Wenn eins mal ein Bestseller war, wird das zweite höchstwahrscheinlich auch einer sein. Und die leben dann irgendwo so ein Leben und mal hier und mal dort und mal im Kontinent hier und mal dort usw. Aber ist das deshalb ein falsches Leben? Das ist wahrscheinlich ihre Bestimmung und das ist ihr Leben so. Man würde sage, die betreiben Flucht in Höchstform. Wann immer die Beziehung schwierig ist, haben sie „Bye bye Baby“ gesagt und wann immer es ihnen in einem Land nicht mehr gefällt, dann geht man halt ins nächste. Das Herz sagt, woanders hinzugehen. Und in dem Kontext mag es richtig sein. Und in einem anderen Kontext ist das vielleicht nicht das Richtige. Wer will beurteilen? Ich ganz sicher nicht und ich hoffe, niemand von euch will das beurteilen. Für sich selbst muss man Entscheidungen treffen und manchmal, wenn man Kinder hat, muss man dort auch manchmal Entscheidungen treffen. Aber irgendwann werden die Kinder die Entscheidungen selbst treffen und verurteilt eure Kinder dafür nicht, denn vom Allerhöchsten ist sowieso alles Brahman und diese Welt ist Maya oder Lila, je nachdem, wie ihr es sehen wollt. Und so, jeder macht eben das auf einer relativen Ebene, was er macht und in der Mehrheit der Fälle ist es besser, engagiert zu sein und nicht aus einer Beziehung gleich zu fliehen, wenn es mal schwierig wird und nicht gleich den Beruf zu wechseln, wenn es schwierig wird, nicht gleich die Stadt zu wechseln, nur weil man mal ein bisschen Ärger mit seinem Vermieter hat. Aber manchmal, wenn es nicht geht, ist besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Aber auch das gilt nicht immer. Manche Menschen brauchen einen Schrecken ohne Ende, um Vairagya und Mumukshutva weiter zu entwickeln. Also, Hilfe für Entscheidungen ist jetzt vielleicht dieses Viveka-Chudamani-Seminar nicht unbedingt, das ist dann mehr in der Bhagavad Gita. Hier lernt ihr so mehr, auf einer relativen Ebene muss man machen, was man halt macht. Man macht die richtigen Erfahrungen. Auf einer absoluten Ebene sind wir sowieso Brahman und alles andere ist Maya.

33. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.