Der Atman, das wahre Ich, ist nicht der Handelnde

„Gib unverzüglich die fixe Idee auf, das Ich und der Täter zu sein. Diese, mit einem schwachen Widerschein der Seele verbundene Denkweise beraubt dich der Verwurzelung im Selbst. Aus der Verwechslung des begrenzten Ichs mit dem Selbst, widerfährt dir als Verkörperung des Glücks und des inneren Bewusstseins, die Seelenwanderung mit viel Leid, Geburt, Alter und Tod. (Sankaracharya im Viveka Chudamani „Kronjuwel der Unterscheidung“, Vers 305)

Und jetzt die Frage dazu? Den Beobachter löschen, das geht nicht. Man kann das Selbst nicht löschen. Man kann auch das Selbst nicht loslassen, man ist das Selbst.„Man ist doch der Beobachter und das Beobachtete?“ Ja und nein. Ja, auf die Weise, weil alles Brahman ist. Aber das Beobachtete ist jetzt nicht wirklich – also, du kannst jetzt nicht Brahman beobachten, du kannst nur Brahman sein. Was du beobachtest ist eine Täuschung, das ist nicht wirklich Brahman.
Du kannst höchstens die Notwendigkeit des Beobachtens loslassen, aber du kannst nicht den Beobachter loslassen. Genauso wenig wie, ich lasse jetzt mal mein Selbst los. Ich verzichte auf mein Selbst. Macht das Sinn? Oder so ähnlich, ich sage jetzt, ich identifiziere mich mit dem Hemd und sage, ich lasse jetzt mal meinen Körper los und dann bin ich das Hemd uns spaziere durch die Gegend. Macht das Sinn?
„Mit dem Prozess des Beobachtens, aber nicht mit dem Beobachter.“ Der, der beobachtet, das bist du. Und du kannst dich nicht selbst loslassen. „Ich„, im Sinne von Bewusstsein, ja. „Ich„, im Sinne von Einzelperson, nein. Aber wenn wir wirklich von „Ich“ sprechen und ganz tief das „Ich“ meinen, dann ist es das Selbst. Das „kleine Ich“, wie man so schön sagt, die Widerspiegelung, wie es der Sankara hier sagt, der schwache Widerschein der Seele. Dann identifizieren wir uns und denken, „Ich bin diese Persönlichkeit.“ Das führt uns in Probleme.
„Auf der physischen Ebene, ich bin dein Diener.“ Es ist immer eine Frage letztlich des Standpunktes. Von einem höheren Standpunkt sagt Jesus, „Ich und mein Vater sind eins.“ Oder Paulus sagt, „Nicht ich bin, sondern Gott ist in mir.“ Oder Jesus sagt, „Das Königreich Gottes ist inwendig in euch.“ Alles diese nichtdualen Aussagen. Oder als Moses den Dornbusch fragt, „Wer bist du?“, dann antwortet der, „Ich bin, der ich bin.“ Oder in einer anderen Übersetzungsweise, „Ich bin, der ich sein werde.“ Und erst später dann fragt Moses, „Wie soll ich Dich dann gegenüber den anderen nennen. Wenn ich einfach sage, Ich bin, der ich bin, hat mich geschickt oder ich bin, der ich sein werde, hat mich geschickt, das geht nicht.“ Dann hat er gesagt, „O.k., ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat.“ Und damit ist eine dualistische Betrachtungsweise da. Und für die praktischen Zwecke machen wir so eine Art Dualität in diesem Spiel. Und wenn wir sagen, „Ich diene Gott.“, dann machen wir tatsächlich eine Dualität. Gott ist der eine und ich bin ein anderer und ich diene jetzt Gott. Aber tief im Hintergrund wissen wir, Gott und ich sind eins. Und letztlich, wenn ich Gott diene, diene ich letztlich meinem höheren Selbst oder meinem wahren Selbst und damit mir. Der Weg geht über die Dualität zur Nondualität.

128. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

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