Hinduismus, Yoga und Vedanta

Die Frage ist, um es für alle noch mal zu wiederholen, „Wie steht Vedanta in Beziehung zum Hinduismus?“ Und das ist eine äußerst schwierige, eine äußerst komplexe, denn Hinduismus ist nicht so einfach zu definieren. Manche Religionswissenschaftler bezweifeln, dass man überhaupt eine Religion namens Hinduismus postulieren kann. Ein anderer hat mal gesagt, Hinduismus ist der Sammelname aller nichtdoktrinären Religionen Indiens. Doktrinär sind Religionen, die einer Doktrin folgen, die man klar definieren kann. Also z.B. Buddhismus, Jainismus, Sikhismus, Zoroastrismus, um einige der alten zu nennen. Gut, Sikhismus ist nicht so alt, nur 500 Jahre alt. Die haben alle einen Gründer, die haben relativ überschaubare Schriften und da gibt es ein Philosophiesystem, vielleicht eine Anzahl von unterschiedlichen Richtungen, aber dennoch definierbar. Währendessen, Hinduismus ist äußerst schwierig zu definieren. Es gibt im Hinduismus theistische Richtungen, die einen Schöpfergott postulieren. Es gibt atheistische Richtungen, die sagen, es gibt überhaupt keinen Gott im Universum. Es gibt die https://wiki.yoga-vidya.de/Adwaita Richtung, eben wie https://wiki.yoga-vidya.de/Adwaita Vedanta. Es gibt Hindutraditionen, die an Reinkarnation glauben. Es gibt Hindutraditionen, die nicht an Reinkarnation glauben. Es gibt die sechs Schulen der Philosophie, wozu Vedanta dazugehört, das sind die orthodoxen. Es gibt eine Anzahl von nicht-orthodoxen. Es gibt Teile des Hinduismus, die gehen vom Kastensystem als gottgegeben aus. Es gibt andere, die sagen, Kastensystem ist nicht gottgegeben und hat es in dieser Region Indiens auch nicht gegeben. Also, es ist ein sehr großes Sammelsurium und ich habe gerade vor kurzem so eine Vortragsreihe gehört von der Oxford Universitiy for Hindu Studies. Und da wird in langer Breite ausgeführt, was ist überhaupt Hinduismus? Und der Schluss nach vielen Vorlesungen ist, man weiß es nicht. Und dann sagen manche, Hinduismus ist erst im 12./13. Jahrhundert entstanden, wie wir es heute kennen. Andere sagen, nein, die Veden sind konstituierend für den Hinduismus. Aber dann gibt es Strömungen im Hinduismus, die halten von den Veden herzlich wenig. Die sagen, das sind nur irgendwelche Vorschriften. Und auf all dieser Basis ist es jetzt schwierig, zu sprechen über Beziehung von Vedanta und Hinduismus, weil „Hinduismus“ eher ein Konzept der westlichen Orientalisten war und nicht ein Konzept der Inder selbst. Der Name „Hinduismus“ – habe ich es in diesem Seminar auch schon gesagt, wo der herkommt? Es gab einen Fluss namens Sindu und alle, die um den Fluss Sindus und dort hinter gewohnt haben, wurden als die Inder bezeichnet und die Religionen von all den Leuten, die dort wohnten hießen Hindus. Als die Griechen das gehört haben, haben sie auch die Buddhisten und die Jains auch alles zu Hindus gezählt. Also alle Religionen, die die Menschen um den Sindu und dort hinter hatten, das waren eben die hinduistischen Religionen. Und so kann man jetzt nicht sagen, dass Vedanta die Philosophie des Hinduismus ist, man kann nur sagen, Vedanta ist eine der großen Philosophierichtungen in Indien. Es wird als eine der sechs Philosophiesysteme bezeichnet. Wenn ihr mal die Weiterbildung A wählt, dann werdet ihr die anderen fünf lernen und systematisch dort lernen. Oder das Buch von Heinrich Zimmer „Religionen und Philosophien Indiens“, da wird das auch genauer beschrieben. Vedanta ist vielleicht im modernen Indien die populärste Philosophie. Aber in diesem Sinne ist Vedanta Philosophie und keine Religion. Allerdings ist Vedanta eng verknüpft mit Jnana Yoga und damit ist es ein spirituelles Übungssystem. Aber eine Religion, im westlichen Sinne, ist es auch wieder nicht. Im westlichen Sinne ist eine Religionsgemeinschaft etwas, wo man eine eindeutige Zugehörigkeit hat. Man kann nicht gleichzeitig Christ und Moslem sein. Wenn man Christ werden will, dann ist man kein Moslem mehr und wenn man zum Islam sich bekehren will, muss man dem Christentum abschwören. Also, für ein klassisches Verständnis von einer Religion gibt es ein Eintrittsritual, was typischerweise den Austritt aus anderen Religionen beinhaltet, mindestens aus dem Verständnis der meisten Religionen. Man kann eintreten, man kann austreten. Wenn man drin ist, muss man bestimmte Pflichten beachten und es gibt – mindestens im westlichen Verständnis – wieder irgendeine Organisation, irgendeine Gemeinde, Gemeinschaft, es gibt alle möglichen Dinge, die dort zu tun sind und all das gibt es im Vedanta nicht. Und dann kommt eben noch dazu, Vedanta ist eben nicht an Hinduismus gebunden. Wir hatten vorher die Unterschiede zu Buddhismus oder eigentlich die Gemeinsamkeiten besprochen. Es gibt manche große Vedanta-Meister, die waren gleichzeitig Buddhisten und Vedanta-Meister. Und manche werden als Sufi-Meister und als Vedantins bezeichnet. Also es ist, Vedanta ist eben auch wieder religionsübergreifend.

127. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

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