Verhaftungen führen zum Leiden

„Sinnesobjekte sind in ihrer Wirkung noch verheerender als das Gift einer schwarzen Kobra. Gift tötet den, der es einnimmt, wogegen die Sinnesobjekte sogar den töten, der mit den Augen schaut.“ (Sankara im Viveka Chudamani)
Er gebraucht jetzt natürlich eine recht krasse Sprache. Sankara stammt aus Südindien, ich glaube sogar Kerala, und neigt deshalb zu einer etwas blumigen und manchmal etwas übertreibenden Sprache, denn man sollte sich jetzt nicht an diesen massiven Worten aufhängen, sondern er will uns ja damit mit Unterscheidungskraft ausstatten. Und eben auch erkennen, wenn wir an den Sinnen hängen und wenn wir ohne Unterscheidungskraft einfach folgen, was sie uns sagen, dann führen sie uns ins Verderben. Und ich glaube, die meisten können tatsächlich daran denken, wann sie in solche Verderben gekommen sind. Natürlich auch einfach das Hängen an sich, denn die Sinne bleiben ja nicht so. Wir sind vielleicht in der glücklichen Lage, dass wir heute Sinne kompensieren können. Also z.B. als 10-jähriger konnte ich gut sehen und irgendwann zwischen 15 und 17 ist mein Sehsinn schlecht geworden, also brauche ich eine Brille. Angenommen, ich hätte keine Brille, dann könnte ich herzlich wenig von euren Gesichtsausdrücken sehen. Also habe ich eine Brille und kann es kompensieren. Inzwischen muss ich die Brille abnehmen, wenn ich lesen will. Gestern hat Narayani gesagt, ich sollte mich damit abfinden, dass es so ist und sollte das lernen, das jetzt mit Würde zu machen. Das habe ich gestern im Restaurant ein bisschen geübt. Oder angenommen, man hört nicht mehr gut, dann kann man sich Hörgeräte anschaffen. Aber irgendwann riecht man nicht mehr gut. Das ist übrigens sehr viel verbreiteter, als Menschen wissen. Wenn man nicht mehr gut riecht, dann schmeckt auch das Essen nicht mehr gut. Man nimmt an, dass das einer der Gründe ist, weshalb ganz alte Menschen weniger essen. Das Essen schmeckt ihnen einfach nicht mehr, weil sie nicht mehr richtig riechen. Also, irgendwo ab 80 nehmen Menschen ab und irgendwo, ich glaube, fast die Hälfte der Männer und ein Viertel der Frauen über 80 riecht kaum mehr etwas und damit schmeckt auch das Essen nicht mehr so. Also, verschiedene Sinne nehmen ab, können verschwinden. Wir können sie heute – mindestens einige davon – kompensieren, andere nicht. Wenn wir daran hängen, sind wir in Probleme.

„Nur wer sich von den schweren Fesseln der Begierde nach Sinnesobjekten befreit, die nicht ohne große Mühe zu sprengen sind, erfüllt die Voraussetzung zur Erlösung. Kein anderer, selbst wenn er alle sechs Schulen der Philosophie kennt. Die Erlösung Suchenden, die ans andere Ufer des Ozeans der Wiedergeburten gelangen möchten, deren Entsagung aber nicht echt ist, packt der Haifisch in Gestalt der Begieren am Hals, reißt sie mit Gewalt zurück und ertränkt sie mitten im Ozean.“
Den letzten lese ich jetzt besser nicht, der ist nicht sehr freundlich formuliert. Aber heute Nachmittag.

Teil 54 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

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