Liebe, Vedanta und Jnana Yoga

Frage: „Wenn Liebe die Grundemotion ist, wie können die anderen Gefühle dort entstehen?“
Wenn sich das universelle Bewusstsein spiegelt in Einzelupadhis, dann wird das, was kosmisch ist, nachher im Kleineren gespiegelt. Also, wenn wir das universelle Sein sind und das Sein spiegelt sich in diesem Körper, dann denke ich, „Ich bin der Körper und der Körper ist beschränkt. Wenn ich das universelle Ananda bin und dann spiegelt sich dieses Ananda in diesem Körper-Geist und dann habe ich kleine Freuden.“ Angenommen, ich bin das kosmische Bewusstsein, welches allwissend ist, eben, es weiß alles, es wird sich widerspiegeln in diesem Upadhi, dann habe ich ein beschränktes Wissen. Und angenommen, diese kosmische, universelle Liebe spiegelt sich wider in diesem kleinen Individuum, dann wird das zur kleinen Liebe. Und auf jeder dieser Ebenen wissen wir, das ist nicht ausreichend. Irgendwo ist man sich bewusst, „Diese Beschränkung, die mein Körper hat und mein Geist hat, das ist nicht o.k.“ Eigentlich müsste ich mehr haben. Deshalb ist der Mensch nie mit irgendwas zufrieden. Er will immer mehr haben. Er kann diesen Drang irgendwo abtöten, er kann ihn ertränken, er kann mit Vernunft sagen, „Verhalte dich doch vernünftig und strebe nicht nach immer mehr.“ und es kann sich dann irgendwo auf bestimmten Ebenen manifestieren, dann will man immer mehr Geld oder immer mehr Anerkennung oder immer mehr Spielzeuglokomotiven. Menschen haben verschiedenste Weisen irgendwo diesem Gefühl, „Es reicht nicht aus.“ zu entgehen, weil sie wissen, „Eigentlich bin ich universell kosmisch.“ Genauso auch, wir haben ein bisschen Wissen. Was wir wissen, reicht nie aus. Deshalb ist der Mensch immer wieder neugierig, will etwas Neues wissen. Aber egal, wie viel Äußeres wir wissen, es wird uns nicht ausreichen. Genauso auch, wir haben so kleine Freuden, gutes Kharoupdessert. Vielleicht habt ihr einen schönen Nachmittag gehabt. Vielleicht diese und jene kleine Vergnügen – es reicht nicht aus, wir wollen mehr haben. Genauso auch, kleine Liebe. Wir mögen diesen Menschen und wir mögen jenen Menschen – es reicht nicht aus. Wir wollen kosmische, universelle Liebe haben und dann ist da ein Mensch. Und ein Mensch ist auch nur beschränkte Liebe. Kein Mensch kann uns die Liebe geben und wiedergeben, die wir eigentlich wollen. Folglich ärgern wir uns, denn wir wollen immer mehr haben. Das ist eine Interpretation. Natürlich kann man das auch noch ergänzen mit der Evolutionsbiologie und der Traum ist ja auch so aufgebaut, dass er irgendwo sich selbst erhält und fortpflanzt. Es wäre ja schlimm, wenn Brahma jede Einzelheit sich ausdenken müsste. In unserem Traum muss man ja auch nicht jede Sache bewusst ausdenken, da gibt es Gesetzmäßigkeiten und die laufen und da haben dann natürlich auf einer beschränkten Ebene auch Ärger und Angst und all das andere auch ihren evolutionsmäßigen Sinn. Aber von einem höheren Philosophischen ist das einfach ein Ausdruck dessen, dass wir wissen, diese Beschränktheit ist nicht ausreichend und ist nicht o.k. Jetzt können wir uns mit allen Menschen streiten, die unserem Anspruch von kosmischer, bedingungsloser Liebe nicht entsprechen oder wir können aufhören, im Beschränkten nach so etwas zu suchen und geben uns im Beschränkten mit beschränkten Manifestationen der Liebe zufrieden und erkennen letztlich, dass auch scheinbar grausame Handlungen oft aus einem Bedürfnis nach Liebe entspringen. Narayani hat irgendwann mal so gesagt, man sollte mal davon ausgehen, von der Arbeitshypothese, dass alle Handlungen, die ein Mensch macht, entweder aus dem Wunsch, Liebe zu geben oder Liebe zu erfahren oder zu erhalten, gemacht werden. Diese beiden Grundmotivationen. Wenn man da so ein bisschen guckt, wird man das tatsächlich sehen können. Da machen die Leute die verquersten Sachen, aber wenn man ehrlich ist, man macht ja manchmal auch verquere Sachen. Oder habt ihr noch nie eine verquere Sache gemacht? Andere machen verquere Sachen, man selbst macht verquere Sachen, so hält sich die Maya aufrecht.

Teil 109 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

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