Entwickle Gleichmut gegenüber den Sinneserfahrungen

Sankaracharya schreibt von der Gleichgültigkeit, „gegenüber allen Dingen der Sinneserfahrungen, die vergänglich sind und gesehen, gehört oder sonst wie wahrgenommen werden, vom Körper bis zum Schöpfergott.“ Also, es geht sehr weit. Betrifft nicht nur Dinge der physischen Welt. Auf der einen Ebene gibt es natürlich Dinge, und da nehme ich an, da seid ihr inzwischen etwas losgelöst. Obgleich ich feststelle, so ganz stimmt das auch nicht. Manche Menschen erwarten, dass sie in irgendeiner Form eine Belohnung kriegen oder viele wollen eine Anerkennung haben und hängen daran. Manche hängen an irgendwelchen eben, dass es irgendwo Vergnügen ist und auf eine gewisse Weise, Asanas sind auch ein Vergnügen. Wir können an so vielem hängen. Alles, was Erwartungen sind. Deshalb finde ich das so schön, diese erste Definition, die er dort hatte, nicht an den Früchten der Handlungen hängen. Im Grunde genommen sagt das ja der Krishna an allen möglichen Stellen immer wieder. Und hier eben auch, „Vom Körper bis zum Schöpfergott.“ Da müsst ihr wissen, so im indischen Glauben denkt man, irgendwann, wenn man ausreichend gutes Karma angehäuft hat, muss man sich nicht wieder in diesem physischen Körper inkarnieren, mit all seinen Leiden und Gebrechen. Dann können wir uns inkarnieren als Engelswesen, dann werden wir vielleicht ein Engel. Man braucht nicht krank zu werden. Ein Engel kriegt keine Schlangenbisse. Er kriegt keine Erkältung, keine Grippe, bricht sich nicht die Beine, hat keine Rückenprobleme, keine Ischiasbeschwerden, keine Borreliose, keine Schweinegrippe, kein Rheuma, Arthritis usw., keinen Krebs. Also, es hat schon seine Vorteile, so einen Engelskörper zu haben. Und dann gibt es niedere Engel und es gibt höhere Engel. Und so in der indischen Mythologie heißt es dann, wenn man den großen Wunsch hat, ein Leben zu haben, ohne körperliche Gebrechen und gute Handlungen gemacht hat – also viele uneigennützige Dinge getan hat – aber gleichzeitig den großen Wunsch, ein Leben ohne Krankheit und körperliche Gebrechen zu haben, dann inkarniert man sich als Engelswesen. Wenn man dabei wenig Prana hat, dann ist man ein niederes Engelswesen und wenn man aber viel Pranayama geübt hat, dann inkarniert man sich als höheres Engelswesen. Es gibt sogar Schriften, die beschreiben, wie viel Pranayama man machen muss, um Indra zu werden. Und wie viel Tapas. Oder um ein Manu von einem Zeitalter zu werden usw. Oder sogar, wir können dann in einem neuen Zeitalter Brahma werden, ein Schöpfergott. Vom vedantischen Standpunkt aus ist das alles unerheblich. Wir sollten nicht die spirituellen Praktiken machen, um im nächsten Leben zum Engelswesen zu werden. Um so besser, da vermutlich die Mehrheit von euch nicht an so was glaubt. Oder vielleicht der ein oder andere von euch nicht an so etwas glaubt. Also, spielt keine Rolle, ob ihr daran glaubt oder nicht, es ist nicht Ziel der Yogapraktiken, ein Engel zu werden. Auch nicht, in den Himmel zu kommen, im Sinne von, es gibt ja auch im Christentum dann irgendwo, man kommt in den Himmel und dann spielt man Harfe und lobpreist… Ich weiß, an welchen Film ihr jetzt alle denkt. Ich glaubt, Karl Valentin oder irgendjemand der „Luja sag i“ oder so ähnlich. Ein Bayer im Himmel. Ein Münchner im Himmel. Ich weiß, schon als Kind habe ich mir überlegt, als ich dort irgendwie gelesen habe, wie so der Himmel sein soll oder in der Kirche, der Pfarrer hat durchaus ausgemalt, wie der Himmel ist. Der erste Pfarrer, das war noch einer von der alten Schule, der hat über die Hölle gewettert und den Himmel ausgemalt und wie man dann zu Füßen Gottes sitzt. Da habe ich so überlegt, „Wie viele können dort zu Füßen von Gott gleichzeitig sitzen? Irgendwie muss es doch übervölkert sein inzwischen.“ Oder diese Himmelsausmalungen. Oder selbst auch in Indien, die sind ja nicht besser mit ihren Ausmalungen von den Himmeln, wo dann irgendwo der weiße Elefant ist und dann, als besonders wichtig gilt so ein Sonnenschirm dort. Unser Regenschirm, den wir ja haben, ist ja erfunden worden von den Indern. Aber nicht als Regenschirm, sondern als Sonnenschirm. Dann hat man nur festgestellt, im Monsun sind die auch ganz hilfreich und die Engländer haben dann natürlich festgestellt, in England sind solche Schirme ganz besonders hilfreich und dann sind sie auch nach Deutschland gekommen. Ein solches Leben, wenn man überlegt, wäre letztlich langweilig. Und wie dann die Himmel beschrieben werden, das kann nicht das Ziel der Existenz sein und in Indien heißt es dann ja auch, damit ist es nicht geschafft. Dann heißt es sogar, man muss dann, wenn man Engelswesen war, sich noch mal inkarnieren in einem menschlichen Körper, um dann zum Höchsten zu kommen. Aber ganz so eindeutig sind da die Schriften nicht, es gibt auch solche, die sagen, man kann auch als Engelswesen dann die Verhaftung an den Engelskörper lösen, um dann von dort direkt zu Brahman zu kommen. Aber manche sagen, vom Engelskörper muss man zurück zum menschlichen Körper, um noch mal alles Vergängliche richtig zu spüren und dann zu sagen, „Wieder Engel zu werden und dann wieder zurückzukehren, ist es nicht wert, ich will nur zum Höchsten kommen.“ Daher, volles Vairagya ist der Gleichmut gegenüber alldem.

77. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

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