Die edlen Tugenden des Vedanta als Grundlage des Jnana Yoga

Wir sind im Viveka-Chudamani, Kleinod der Unterscheidung, Vers 22. Sankara spricht jetzt über die Shatsampat, die sechs edlen Tugenden. Er spricht gerade über Sadhana Chatushtaya, die vier Hauptgrundlagen oder die vier Eigenschaften, die ein Aspirant braucht, um die höchste Wahrheit erfassen zu können. Wenn wir das so genau anschauen, wie er das so alles definiert, ist das eigentlich schon so hoch definiert, dass man sagen kann, da wird man sein ganzes Leben daran arbeiten. Und so ist es letztlich auch. Und es heißt ja auch, je weiter wir auf dem spirituellen Weg sind, umso weiter schreiten wir fort in diesen Sadhana Chatushtayas. Und das ist auch das, was man sich regelmäßig fragen kann, „Bin ich in diesen Sadhana Chatushtayas, schreite ich dort voran oder eben nicht?“ Und wenn man dort feststellt, dass man nicht dort voranschreitet, dann gilt es wieder, die Perspektive im Leben richtig zu setzen. Es ist letztlich auch, die Sadhana Chatushtaya läuft letztlich auf Grundwerte hinaus. Was ist wirklich wichtig im Leben? Und um dahin zu kommen, braucht es eine Viveka, eine Unterscheidungskraft, dort gibt es die Vairagya und es gibt Mumukshutwa, der intensive Wunsch nach Befreiung, den er ja eigentlich ganz am Anfang erwähnt hat, als er von den drei großen Schätzen spricht, die es im Universum gibt. Und er schreibt das nochmals als Teil der Sadhana Chatushtaya, der Vierheit. Die sechs edlen Tugenden, also Shatsampat, Shat heißt sechs, Sampati ist eigentlich auch wieder Reichtümer. Das ist auch das, was wieder besonders wertvoll ist. Das sind auch wieder die sechs Kostbarkeiten, kann man auch sagen. Aber es wird eben auch gesagt, die sechs Eigenschaften, die kostbaren Eigenschaften, die man entwickeln kann. Sie werden auch gerne genannt, die sechs Eigenschaften der Gelassenheit oder die sechs Eigenschaften der Gleichmut. Das ist Sama, Dama, Uparati, Titiksha, Shraddha und Samadhana. Und wir finden in verschiedenen Schriften und verschiedenen Kommentaren diese sechs Eigenschaften auf unterschiedliche Weise definiert. Wir werden gleich hören, was Sankara dazu sagt. Zunächst mal, eine einfache, praktische Weise wäre die folgende Interpretation, die Swami Krishnananda gerne gebraucht hat und die dann auch Shri Kartikeyan, wenn er hier gesprochen hat über die sechs Eigenschaften, so gerne verwendet hat. Das ist dann relativ praktikabel. Sankara gebraucht es auf einem sehr hohen Niveau, er gibt uns immer sehr hohe Ideale, die oft so hoch sind, dass man denkt, das ist ein bisschen weit weg. Wenn man aber weiß, er kommt aus Südindien und die Südinder haben eine gewisse Neigung zur Übertreibung und dann wisst, man darf das nicht gleich wörtlich nehmen, sonst ist man eher entmutigt. Man muss natürlich sagen, der Selbstverwirklichte hat das so vollständig, wie es der Sankara dort schreibt. Aber es sind ja eigentlich die Eigenschaften für einen Neuaspiranten, der zum Lehrer gehen will, um etwas zu lernen. Und jetzt von einem einfacheren Standpunkt aus heißt Sama, Gleichmut bewahren. Dama heißt, die Sinne zu beherrschen. Uparati heißt, den Ort zu meiden. Titiksha heißt, etwas aushalten können. Shraddha heißt Vertrauen und Samadhana ist die tiefe Gelassenheit. So, jetzt hat keiner das mitschreiben können. Alle haben einen gewissen Gesichtsausdruck. Aber es macht nichts, ich kann es ja noch mal langsam sagen. Also Sama heißt, Ruhe bewahren. Das ist jetzt einfach formuliert. Dama heißt, Sinne kontrollieren. Uparati heißt meiden. Das klingt komisch, aber in dieser einfachen Erläuterung. Titiksha heißt, etwas aushalten können. Shraddha heißt Vertrauen und Samadhana, kann man sagen, ist Gelassenheit. Und das ist erstmal auch so wie eine vereinfachende Leiter. Also angenommen, irgendetwas passiert, was nicht so angenehm ist. Am besten wäre es, man ist Sama, man bleibt geistig ruhig. Also angenommen z.B., ihr freut euch auf einen wunderschönen Spaziergang in der Mittagspause und dann regnet es und nicht nur ein bisschen. Und dann kann man eben sagen, Sama, „Macht nichts. Dann werde ich halt nass. Oder dann gehe ich halt irgendwo durch die Hallen hier, ist auch genug Platz.“ Oder nehmen wir noch ein anderes Beispiel. Irgendjemand macht etwas, was man nicht gerne hat. Sama ist, man bleibt ruhig. Aber wenn man das nicht kann, angenommen, man bleibt nicht ruhig, man hat jetzt den intensiven Impuls, den anderen anzubrüllen oder noch schlimmer, ihm eine zu boxen, dann tritt mindestens Dama in Kraft und Dama heißt Sinnesbeherrschung, wobei dort vor allem die Karma Indriyas gemeint sind, also die Handlungssinne, Handlungsorgane. Also, wenigstens brüllt man nicht los und wenigstens schlägt man den anderen nicht in Ohnmacht. Also Dama, man beherrscht seine Sinne. Wenn man weiß, das wird einem nicht zu lange gelingen, denn der andere erzählt weiter Unsinn, dann gilt Uparati. Dann findet man eine halbwegs freundliche Entschuldigung, den Ort des Geschehens zu verlassen, ehe man sich und andere in Probleme bringt. Und Titiksha heißt dann hier, mit dieser Niederlage, weil man ja als spiritueller Aspirant das Gefühl hat, „Jetzt habe ich schon wieder…“ oder vielleicht hat man sogar trotzdem losgebrüllt. Titiksha, man muss auch das aushalten können, dass man nicht so perfekt ist, wie man eigentlich gehofft hat, dass man ist und dass es einem schon wieder nicht gelungen ist, seine Vorsätze in die Tat umzusetzen. Da muss man auch mit leben können, muss man auch aushalten können, Titiksha. Und dann kommt aber auch Shraddha und Shraddha heißt, das Vertrauen, „Irgendwann wird es mir schon gelingen.“ Es ist eine Frage der Übung und es gilt immer wieder, daran zu bleiben, wieder von vorne zu beginnen und nicht gleich alles in Zweifel stellen, „Oh, jetzt habe ich gerade eine Stunde Pranayama gemacht und trotzdem, als mein Chef irgendwo mir was gesagt hat, dann habe ich es anschließend an meinem Mitarbeiter ausgelassen und habe ihn dafür leiden lassen, dass mein Chef mir vorher irgendwas Dummes gesagt hat.“ Also, da gilt es, man muss das aushalten können, hat aber Vertrauen, irgendwann wird es besser sein. Und hinter allem steckt irgendwo jetzt Samadhana. Jetzt, wenn wir Anfangsstadien nehmen. Samadhana, die Gleichmut, die daraus kommt, letztlich aus der Viveka, „Letztlich, auch wenn ich meinen Gleichmut verloren habe, tief im Inneren bleibe ich immer Brahman. Ich werde nicht deshalb zu einem sündigen, verdammten Menschen, weil es mir jetzt nicht gelingt, so zu sein, wie Krishna das in der Bhagavad Gita beschreibt oder wie Sankara das in den nächsten Versen noch mit höherem Anspruch beschreibt.“ In dieser Interpretation ist Samadhana wie die Gleichmut 2. Grades. Ihr erinnert euch an gestern, ich habe vom 1. Grad gesprochen, wo wir gar nicht unruhig werden und wo unser Geist irgendwo in dieser ewigen Unendlichkeit ruht und deshalb Vairagya höheren Grades auch hat und Viveka. Oder wir wissen, „Auch inmitten von all meiner Unruhe und den Emotionen und was sonst noch alles da ist, ich bleibe Satchidananda. Auch, wenn ich verärgert bin. Auch, wenn ich wieder eine Dummheit gemacht habe.“, tief im Hintergrund, „Nicht ich habe die gemacht“, sondern wer hat die gemacht? Dieser Körper in Verbindung mit diesen Emotionen und Samskaras und VAsanas und dieses Chitta, wer diese Ausdrücke kennt. Manchmal hilft es nämlich, Ausdrücke in einer Sprache zu nehmen, mit der man sich nicht so identifiziert. Wenn man sagt, „Oh, ich war wieder so ärgerlich.“, ist eine Sache. Zu sagen, „Mein Chitta war wieder so rajasig und da ist ein Krodha in seiner tamasigen Form zum Vorschein gekommen, mit einer relativ großen Shakti verbunden. Das ist nicht so tragisch wie, „Ich habe mich wieder so total geärgert und bin so ein schlimmer Mensch.“ Versteht ihr das? Also, Samadhana. Und das ist wie eine schöne Jnana-Yoga-Weise wie man mit seinem Geist umgehen kann. Natürlich, am besten ist, uns ärgert es nicht, wenn jemand uns beschimpft. Oder was ich oft merke, was in Yogakreisen Menschen noch mehr ärgert, ist, wenn sie hören, dass jemand anderes gesagt hätte, er hätte gehört, dass jemand viertes gesprochen hätte, dass man sich falsch verhalten hätte. Oder irgendwo, gestern habe ich eine Email gehabt von jemanden, der hat gesagt, er hätte gehört, dass in manchen Kreisen man schlecht über mich sprechen würde. Ist schlimm, oder? Was auch immer das heißen mag. Er hat gehört, dass jemand anderes gesagt hätte, dass usw. Also, irgendwo scheint das spirituelle Menschen fast noch mehr zu berühren. „Wenn er mir das wenigstens gesagt hätte.“ Aber Menschen sind so, wie sie sind. Also angenommen, jemand spricht zu einem direkt positiv und dann hört man, hinterrücks hätte er nicht so positiv gesprochen. Ist das wirklich ein Heuchler? Nicht wirklich. Menschen sind komplex genug und manchmal brauchen sie jemanden, mit dem sie irgendwie mal etwas besprechen müssen. Nichtsdestotrotz, ihr selbst solltet das natürlich nicht machen, über andere hinterrücks negativ sprechen, während ihr nach vorne positiv sprecht. Aber zunächst mal Ruhe bewahren und irgendwo erkennen, jeder Mensch lebt in seiner eigenen Maya und seinem eigenen Universum und in seiner eigenen Illusion und irgendwo wird jeder auch seine Gründe haben, so zu handeln und zu denken, wie er es tut. Und ich handle eben so, wie es notwendig ist, aus dieser Sama, dieser inneren Gelassenheit. Wenn das nicht möglich ist, dann vermeidet man wenigstens, „Dem werde ich es zeigen.“ und dann hinterrücks, vielleicht noch dazu anonym, irgendwelche Tipps dort geben, was das für ein schlimmer Mensch ist, sondern das vermeidet man. Im Alten Testament wird es relativ brutal ausgedrückt, „Mein ist die Rache, spricht der Herr.“ Das soll im Wesentlichen heißen, Karma erledigt die Aufgaben selbst. Es liegt nicht an uns, anderen die Lektionen zu erteilen. Versteht ihr das? Es gibt vielleicht die Ausnahme. Angenommen, ihr habt eine Verantwortung für einen Menschen, z.B. für eure Kinder. Oder z.B. ihr habt Mitarbeiter. Gut, dann gilt es schon, auch Feedback zu geben und man muss schon dann das tun, was nötig ist. Aber nicht jetzt einfach, um eine Lektion zu geben, „Dem werde ich es zeigen.“, Rachegedanken und aus einem falsch verstandenen Gerechtigkeitssinn. Und notfalls muss man eben Dama beherrschen oder notfalls den Ort des Geschehens verlassen, Uparati, eine Weile Abstand gewinnen, eine Nacht darüber schlafen, ein paar Gläser kaltes Wasser trinken.
Hier widerspreche ich jetzt, aber auch vom Ayurveda her, wer ein Pitta-Temperament hat, ist kaltes Wasser durchaus gut, mindestens hier in unseren Breiten. In Indien war kaltes Wasser früher nie gut. Warum? Keimbelastung, Infektionsgefahr. Einer der Gründe für die Warmwasserempfehlung im Ayurveda, das ist eine wichtige Gesundheitsempfehlung. Wasser muss abgekocht sein in Indien. Und auch, im Zweifelsfall gegen Amöben hilft noch nicht mal kurzes Abkochen, sondern es muss ein bisschen länger abgekocht werden. Es gibt manche Keime, die überleben ein kurzes Abkochen. Also, längeres Abkochen. Hier im Westen muss man das nicht ganz so sehen, obgleich auch im Westen Kapha- und Vata-Temperament vermutlich von warmen Wasser irgendwo profitieren, aber ein Pitta-Mensch kann im Westen kaltes Wasser trinken. Und in den meisten Fällen, der banalste Ratschlag zum Umgang mit Ärger ist, eine Nacht darüber schlafen, bevor man reagiert, wenn man etwas hört, was einem nicht passt. Man kann auch sagen, zehn Atemzüge atmen, ist auch schon gut bei kleinerem Ärger, aber manchmal ist ein Tag darüber schlafen gut, Uparati. Und wenn es einem mal nicht gelungen ist, so zu reagieren, dann ist das jetzt auch kein Drama. Wir müssen uns nicht ein dauerhaft schlechtes Gewissen machen. Letztlich, Titiksha, man muss auch damit leben können, dass wir nicht ganz so unseren hohen Idealen dort folgen können. Das muss man auch aushalten können und letztlich heißt es ja auch

Teil 26 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

2 Gedanken zu „Die edlen Tugenden des Vedanta als Grundlage des Jnana Yoga

  1. Cordell Bongle

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