Wahrheit wird erlangt durch intensives Nachdenken

„Sicherheit in Bezug auf Wahrheit erlangt man durch intensives Nachdenken und aus den Lehren des Meisters, nicht durch Baden in heiligen Wassern, nicht durch Almosen geben und nicht durch Hunderte von Pranayamas.“ (Viveka Chudamani von Sankaracharya Vers 13)
Also hier der Jnana-Yoga-Ansatz, der Ansatz, der sagt, wir kommen zur höchsten Wahrheit durch intensives Nachdenken, Analyse, eben durch Viveka. Es ist ja Viveka-Chudamani der Text. Und nicht irgendwie nachdenken, sondern wir lesen die Schriften und wir hören die Interpretationen eines Meisters, wir denken darüber nach und es wird mehr als zu einer intellektuellen Beschäftigung, es kommt zu einer tiefen Verwirklichung. Und nicht durch Rituale allein. Gut, Baden in heiligen Flüssen, ich vermute, das ist jetzt weniger das, was ihr typischerweise macht. Wir haben zwar hier nebendran die Werre und letztlich Ricky, das ist der Hund von mir, der versucht da auch öfters drin zu baden, meistens kommt er sehr schlammig dann raus, aber damit hat er bisher noch nicht die Selbstverwirklichung erreicht. Und selbst diejenigen, die nach Rishikesh fahren und dann im Ganges ihr Bad nehmen, auch dadurch wird man nicht selbstverwirklicht. Oder ich habe einen Bruder, der ist um den Berg Kailash herumgegangen. Er sagt, das war sicher seine intensivste Kopfweherfahrung und zwischendurch gab es auch sehr erhabene Momente, aber es würde nicht auf die Idee kommen, es nochmals zu machen und die Wahrheit ist ihm dort auch nicht sehr viel näher gekommen. Aber es ist natürlich eine Grenzerfahrung. Eine Grenzerfahrung kann einen manchmal aus seinem Normalen herausbringen und dann kann man überlegen, „Wer bin ich?“ Ebenso natürlich Asana, Pranayama, Pujas, Homas, Mantrasingen, Kirtan und all das, ist nicht etwas, was an sich einen zur Verwirklichung bringt. All das bereitet einen vor. Vom Kundalini-Yoga-Standpunkt würde man sagen, es hebt das Prana in die höheren Chakras. Ist das Prana in den höheren Chakras, dann fällt es leichter, zu fragen, „Wer bin ich?“ Ihr wisst alle, wenn ihr eine Weile weniger geübt habt – ich weiß nicht, ob ihr es alle wisst, vielleicht der ein oder andere von euch hat noch nie weniger geübt, sondern immer mindestens viel – aber jetzt für die unter euch, die vielleicht nicht regelmäßig zwei, drei Stunden täglich üben, sondern vielleicht ab und zu mal weniger, wissen, wenn man weniger übt, sinkt das Prana, die Lebensenergie und dann fällt es auch schwerer, erhabener zu denken. Dann plötzlich scheint das alles so weit weg, „Wer bin ich? Ich muss mich jetzt um Beruf kümmern. Ich muss mich um meinen Freund kümmern. Ich muss mich vielleicht darum kümmern, dass ich überhaupt noch einen Freund habe oder wieder einen bekomme.“ All das ist natürlich wichtig, aber es kann sein, dass das nur noch wichtig ist. Wenn das Prana erhöht ist, dann fällt es leichter, die Frage zu stellen, „Wer bin ich?“ Das ist eben auch wichtig, dass wir das so verstehen. Swami Vishnu-devananda hat gerne fortgeschritteneren Aspiranten gesagt, „Verwechselt nicht Mittel und Zweck.“ Zweck ist die Erfahrung des höchsten Selbst. Mittel ist Asana, Pranayama usw.

64. Teil der Niederschrift von Vorträgen und Workshops aus einem Yogalehrer Ausbildungs-Seminar mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses besonderen 9-tägigen Vedanta-Seminars aus dem Jahr 2008 war „Viveka Chudamani, das Kleinod der Unterscheidung, von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie, insbesondere Jnana Yoga, auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. Für fortgeschrittenere Aspiranten und Kenner der Materie gibt es hier Einsichten und Weisheiten der besonderen Art.

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