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Entwickle Mumukshutva, den Wunsch nach Selbstverwirklichung und Befreiung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Mumukshutva, den Wunsch nach Befreiung, wachsen zu lassen. Also, es gibt verschiedene Möglichkeiten, Mumukshutva wieder wachsen zu lassen und die klassischen Weisen sind zum einen Satsang und das zweite, Nachdenken über Probleme und zwar spezielle Probleme und das dritte wäre, Nachdenken über Brahman. Also Satsang . Also jetzt im weiteren Sinne Satsang verstehen, heißt, Zusammensein mit anderen spirituellen Aspiranten. Wenn man mit anderen spirituellen Aspiranten zusammen ist und vielleicht sogar mit solchen, die ein bisschen weiter sind als man selbst oder noch besser mit einem spirituellen Lehrer, noch besser mit einen Selbstverwirklichten, dann wird automatisch der Wunsch nach Befreiung auch stärker. Mindestens die Mehrheit von euch wird jetzt dieser Tage vielleicht öfters eine stärkere Sehnsucht nach Befreiung haben als noch vor acht Wochen oder vielleicht als noch vor zwei Jahren. Das zweite ist, Nachdenken über Probleme. Aber nicht, um in Selbstmitleid zu versinken, sondern bewusst sein, „Ja, die Welt ist relativ und auf die Dauer macht mich das nicht glücklich.“ Und dann kann man sogar glücklich sein über jedes Scheitern. „Ja, ist halt so. Was einen Anfang hat, hat ein Ende. Dauerhaftes Glück gibt es in dieser Welt nicht.“ Oder so wie Patanjali es ausdrückt und das klingt jetzt sehr negativ, „Sarvam Dukham Vivekinaha. Für einen Menschen von Unterscheidungskraft ist alles Leiden.“ So wie Buddha anfängt, die erste der vier edlen Wahrheiten ist, „Alles Leben ist Leiden.“ Dennoch, wenn ihr buddhistische Mönche anschaut, die sehen relativ häufig glücklich aus. Obgleich der Buddhismus mehr als jede andere Religion die Leidhaftigkeit des Daseins betont. Der Patanjali erwähnt es irgendwo im 2. Kapitel halbwegs versteckt. Kaum jemand kennt diesen Vers. In den meisten Büchern, Kommentaren wird er kaum erwähnt, also relativ versteckt. Buddhismus fängt gleich an, erste edle Wahrheit, „Alles Leben ist Leiden.“ Patanjali baut das noch ein bisschen aus. Warum? Weil es Konflikte gibt zwischen verschiedenen Wünschen. Ein Grund. Zweiter Grund, weil es Konflikt gibt zwischen Wünschen und Gunas. Also, wir kriegen nicht alles, was wir wollen. Zum zweiten, nicht alles, was wir wollen, ist miteinander vereinbar. Zum dritten, wegen der Unruhe des Geistes. Was wir heute wollen, ist nicht mehr das, was wir morgen wollen. Und wegen dem Wissen, dass Dinge vergänglich sind. Man weiß, „Was ich heute habe, ist morgen vielleicht schon vorbei.“ Und weil der Mensch die Fähigkeit hat, im Voraus zu gucken. Erinnert euch an den Säbelzahntiger. Das hat ihn ja geradezu überleben lassen, dass er, wenn irgendwas gut geht, er immer erwartet, irgendwas Schlimmes wird auch noch passieren und das, was jetzt gut ist, wird irgendwann verschwinden. So kann man noch nicht mal den Moment so wirklich genießen. Jetzt gibt es aber das Paradox. Weil man nicht erwartet, dass äußere Dinge einem dauerhaftes Glück geben… Wer setzt den Satz fort? …können wir ein glückliches Leben führen. Wenn man nicht erwartet, dass, wenn man nur den Richtigen findet, man dann immer und ewig dauerhaft glücklich ist, so wie im Märchen. „Sie lebten glücklich und zufrieden bis an das Ende ihrer Tage.“ Es gibt Märchen, die enden so. Andere enden, „Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“ Das ist wenigstens ein realistisches Ende. Da wird einem bewusst, sind höchstwahrscheinlich alle gestorben. Wenn schon die Gebrüder Grimm aus dem 19. Jahrhundert davon erzählt haben, sind sie heute sicher alle tot. Aber, sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage… Oder irgendwo, ich glaube, von Heinz Erhard, es kann aber auch von Eckhard von Roth gewesen sein, „Darum wir beim Happy End stets abgeblendt.“ Von wem ist das? Heinz Erhard. Also, wenn man das nicht erwartet, dann weiß man, der, mit dem man zusammen ist, hat seine Macken und manchmal ärgert man sich oder nicht, dauerhaftes Glück gibt es nicht. Man ist zufrieden und nimmt den anderen so an, wie er ist und guckt nicht ständig nach jemand Neuem, der einem vielleicht die dauerhafte Befriedigung geben kann. So kann man ein glückliches Eheleben führen oder Partnerleben. Man erwartet nicht, dass das allein einen dauerhaft glücklich macht. Und falls es doch nicht auf Dauer bestimmt ist und zwischendurch zu Ende geht, weiß man, auch das gehört zum Leben dazu. So haben es ja die Yogis gesagt, alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Es kann auch ein Ende haben vor dem physischen Tod, spätestens hat es ein Ende mit dem physischen Tod, letztlich relativ. Und dann können wir letztlich auch den Augenblick genießen solange er da ist, denn wir wissen, irgendwann ist er sowieso vorbei. So wie jetzt kann ich genießen mit euch zu sprechen über das Viveka-Chudamani und danach wartet vielleicht irgendeine Büroarbeit auf mich. Meine Sekretärin nickt gerade. Vielleicht fahre ich aber auch Fahrrad. Das ist mein Vorteil, ich kann die Reihenfolge bestimmen. Aber das eine ist schön, das andere ist auch schön, aber man sollte nicht erwarten, das eine macht einen dauerhaft glücklich. Und das ist eben Nachdenken über die Probleme der Welt, das hilft zu Mumukshutva und dann können wir vorübergehendes Glück genießen und vor allen Dingen können wir alles als Manifestation von Brahman ansehen. Das nächste natürlich, Nachdenken über Brahman. Wir wissen, es gibt doch dauerhaftes Glück und es gibt doch dauerhafte Erfüllung. Der menschliche Geist ist nicht mit einer unerfüllbaren, unrealistischen Sehnsucht gefüllt, sondern es gibt es. Wir können darüber nachdenken über Brahman und wir können auch nachdenken über Menschen, die Brahman verwirklicht haben. Man kann Biographien lesen von Swami Sivananda, Biographien lesen von Anandamayi Ma, von Ramakrishna, von Ramana Maharshi, von YogAnanda, von Theresa von Avila, Biographien von Franziskus von Assisi, Biographien von Rumi, dem Sufi-Weisen und dann stellt man fest, „Sie haben daraus gehandelt, sie haben das erfahren, sie haben diese Liebe und dieses dauerhafte Glück gespürt, sie haben es auch gelebt und deren Leben ist wirklich etwas, dem will ich auch nachfolgen. So möchte ich auch leben.“
Sie sagte, es ist vielleicht sogar dann schwieriger für Menschen, die relativ glücklich sind, dort nach Mumukshutva zu streben oder Mumukshutva zu haben. Sie sind ja glücklich in ihrem Leben. Da kann man sagen, glücklicherweise gibt das Leben einem auch Tritte in den Hintern. Also, ich kannte mal jemanden, der hat mir so erzählt, „Ich bin jetzt schon glücklich, ich brauche das Yoga nicht. Und ich genieße mein Leben und es ist alles toll und wenn ich im Meer tauche, dann ist alles gut und wenn ich spazieren gehe und die Schönheit der Natur genieße, dann ist alles toll.“ Irgendwann hat er ein Augenproblem gehabt, Netzhautproblem, kann nicht mehr tauchen, kann auch die Natur nicht mehr richtig sehen, es verschwimmt alles und seitdem ist er unzufrieden geworden. Also, das ist die eine Sache. Aber es gibt auch eine weitere Sache. Wir müssen nicht unbedingt durch Schicksalsschläge hinkommen. Man kann auch tatsächlich sagen, „Ich bin jetzt schon glücklich, aber ich will noch glücklicher werden. Und das Glück, das ich jetzt erfahre, ist eine Gnade Gottes und ich bin Gott dankbar, dass er mir all diese Schönheit gibt und ich möchte jetzt nicht nur die Schönheit Gottes sehen, sondern Gott selbst.“ Eine Sehnsucht nach Befreiung kann eben auch über Nachdenken über Brahman geschehen. Es ist auch eine Temperamentfrage, was davon einem mehr hilft. Und es gibt auch Menschen, die insgesamt schon glücklicher sind und dennoch nach Gott streben. Auch das ist eine Temperamentfrage. Ein gewisses Glücksniveau, kann man sagen, ist Menschen auch schon irgendwo angeboren. Vielleicht von früheren Leben, andere würden sagen, von den Genen her. Tatsächlich, wenn ihr ein glückliches Baby habt, ist es höchstwahrscheinlich noch glücklich, wenn es zum Pflegefall wird mit 80 oder 90. Wenn ein Baby schon mit einem halben Jahr ständig unzufrieden ist und jetzt nicht ein physiologisches Problem dort hinter steckt – manchmal gibt es ein physiologisches Problem, Blähungen oder sonst was und wenn die abgestellt sind, ändert sich der Charakter des Babys. Aber beim Kleinkind kann man es schon eher sagen. Also, ein unglückliches Kleinkind wird höchstwahrscheinlich im Alter auch ein unglücklicher Pflegefall sein. Ich sagte, höchstwahrscheinlich, das heißt nicht, immer. Zum einen können traumatische Erfahrungen Menschen ändern, zum anderen können außergewöhnliche Glückserfahrungen Menschen ändern und jetzt kommt noch die frohe Nachricht, regelmäßige Meditation macht Menschen insgesamt glücklicher und ändert sogar die Hirnstrukturen. Man hat sogar festgestellt, dass Menschen, die glücklicher sind, haben irgendeine Partie im Hirn stärker aktiv als andere und jemand, der regelmäßig meditiert, hat diese Hirnstruktur etwas stärker und so kann man tatsächlich sagen, die empirische Forschung legt nah, langjährige, regelmäßige Meditation macht Menschen insgesamt glücklicher. Das ist doch schon mal gut. Aber insgesamt heißt, über einen großen Durchschnittswert und es ist auch nicht so vehement. Und wir müssen auch nicht unbedingt so glücklich werden im Relativen. Also, wer von euch eher eine Neigung hat, unglücklich zu sein, so ein melancholisch-deprimiertes Grundgefühl zu haben, dann seid dankbar. Das ist sehr gut für Mumukshutva und Vairagya. Fällt leicht. Wenn ihr aber eher diese Glückskinder seid, freut euch auch und strebt vielleicht nach denjenigen, der hinter allem Glück steckt. Jetzt, wenn ihr so ein melancholisches Temperament habt, beneidet nicht die scheinbaren Kinder des Glücks. Es ist eure Weise, wie ihr der höchsten Wahrheit nahe kommt. Manchmal gibt es das auch, dass Menschen ihr ganzes Leben eher unglücklich waren und dann auf den spirituellen Weg kommen, endlich einen Sinn im Leben sehen und dann eher glücklich waren. Ich gehöre ja eher zu denen, die als Kind und Jugendlicher eher unglücklich waren. Als Kleinkind nicht, aber irgendwie, als ich angefangen habe zu denken, ab da, irgendwo 8, 9 Jahre, ab da war ich irgendwo ein unglückliches Kind, weil ich gemerkt habe, es sagt mir nichts, was die anderen so wollen und tun und was die so machen. Und irgendwo habe ich gedacht, ich bin auf dem falschen Planeten und in die falsche Familien geboren. Ich hatte liebevolle Eltern, tolle Brüder, ich hatte eigentlich alles Gute in der Kindheit gehabt, aber dennoch, ich sage, vom früheren Leben her, hatte ich den Wunsch nach Befreiung und dafür gab es da keine Nahrung und was da ansonsten war, hat mich nicht glücklich gemacht. Und dann, als ich irgendwann auf diese spirituelle Philosophie gestoßen bin, habe ich gedacht, endlich macht Leben wieder einen Sinn. Das hat dann die Sichtweise geändert. Aber ich kann mich noch erinnern, als ich 1981 den Namen bekommen habe, Sukadev, und mir gesagt wurde, das heißt Engel der Wonne, da habe ich gedacht, einen falscheren Namen als das hätte man mir nicht aussuchen können. Jahrelang ganz andere Gedanken als Gedanken der Wonne. Irgendwann habe ich aber gemerkt, passt durchaus doch. Obgleich Weltenschmerz auch immer wieder da ist und die Sehnsucht, irgendwann doch vollständig die Befreiung zu haben. Warum lässt mich Gott nicht gänzlich raus aus diesem Schlamassel hier? Er zeigt es mir immer wieder. So ist es und so könnte es sein und das ist deine wahre Natur, aber erst musst du deine Aufgaben erfüllen, bevor du dort ganz hinkommst. Manchmal hadere ich mit ihm.

35. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.