Archiv für den Monat: Dezember 2011

Identifiziere dich nicht mit dem Körper – erfahre Atman

Jetzt lese ich euch einen Vers, den ich zwar nicht mag, ich lese ihn euch trotzdem vor.

„Dieser grobstoffliche Körper, eine Anhäufung von Haut, Fleisch, Blut, Muskeln, Fett, Mark und Knochen und voll von Urin und Kot, ist widerlich.“ (Sankaracharya im Viveka Chudamani, dem Kleinod der Unterscheidung)
Also hier:
„Dieser Körper, der aus Haut, Fleisch, Blut, Arterien, Fett, Mark, Knochen, besteht, durchdrungen von verunreinigten Substanzen, ist nicht angenehm.“
Vielleicht sollte ich dort fortsetzen. Der Raphael, der das übersetzt hat, hat vermutlich schon für westliche Aspiranten das Ganze etwas gemäßigt, wo er ja auch viel unterrichtet. Währenddessen, wer das übersetzt hat, war, glaube ich, weniger am Unterrichten.
Gut, ich hatte vorher gesagt, so mag ich den auch nicht, „ist widerlich“, ist sicherlich jetzt nicht angemessen. Der menschliche Körper ist das größte Wunder, was man sich dort vorstellen kann, die komplexeste Struktur im Universum ist das menschliche Gehirn und jede Zelle ist ein Wunder. Nur, vielleicht wenn man sagt, „unangenehm“, ich glaube, das können manche von euch nachvollziehen. Mit steigendem Alter kann das ein immer höherer Prozentsatz der Menschen nachvollziehen. Es gibt auch junge. Also, bei mir war es eher so, als Teenager war mir mein Körper unangenehm, er hat ständig Kopfweh produziert und Magen-Darm-Probleme und Heuschnupfen und Hautprobleme und Rückenprobleme und Knieprobleme. Das hatte ich als Teenager. Dann bin ich Vegetarier geworden. Eigentlich nur aus Mitgefühl mit Tieren, weil ich gesagt habe, für mich soll kein Tier mehr umkommen. Dass es auch gesund sein könnte, die Idee hatte ich dort damals nicht. Aber dann, das Kopfweh und Magenprobleme weg und Heuschnupfen auch und dann habe ich mit Yoga angefangen und dann sind die Knie- und die Rückenprobleme verschwunden. Aber wenn ich mit Menschen spreche, es gibt solche, die trotz Yoga die ein oder andere körperliche Beschwerde haben und mit steigendem Alter gibt es davon auch mehr von der Sorte. Und manche haben das große Glück, schon in jüngerem Alter das zu erfahren, dann fällt es leichter, sich von dem Körper zu lösen. Ich kann mich erinnern, es gab mal eine enge Schülerin vom Swami Vishnu-devananda, die ist irgendwann erblindet und das hat sie dem Swami Vishnu-devananda so ein bisschen mit Trauer erzählt und hat gesagt, irgendwas Medizinisches gab es da und es war nicht zu ändern und die Yogaaugenübungen haben auch nicht mehr geholfen und da hat der Swami Vishnu gelacht und hat gesagt, „One sense less to tanscendent. Ein Sinn weniger zu transzendieren.“ Das klingt jetzt erstmal herzlos, aber es war ja auch eine enge Schülerin, das war jetzt nicht irgendjemand und eine, die so was vertragen konnte und sie hat mir nachher erzählt, das, was der Swami Vishnu-devananda ihr scheinbar so herzlos gesagt hat, sofort hatte sie Trost gehabt, sofort war ihr klar, dass das was Gutes ist. Wenn ihr also irgendwo Schmerzen habt, auf der einen Seite könnt ihr euch freuen, ihr erkennt früher als andere, dass dieser Körper unangenehme Erfahrungen mit sich bringt. Und wenn ihr das nicht wisst, dann sprecht mit euren Eltern, sofern sie noch leben, oder erinnert euch an die letzten Tage und Jahre eurer Eltern, wenn sie nicht mehr leben, oder Großeltern oder Tanten oder Onkeln, der Körper ist nicht so angenehm, wie manche sich das als 20-, 30-jährige vorstellen. Aber er ist unser Raumanzug. Und deshalb, man muss sich darum kümmern und es ist was Großartiges, also können wir Erfahrungen machen.

56. Teil der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Überwinde den Tod – durch Erfahrung Gottes

Wir wollen jetzt einen Sprung machen in der Viveka Chudamaini zum 85. Vers.Sankaracharya schreibt::
„Für den Befreiungssuchenden sind die Illusion, der Körper zu sein und ähnliche Irrtümer, der große Tod. Wer diese Selbsttäuschung überwunden hat, ist reif für den Zustand höchster Glückseligkeit. Besiege den großen Tod in Gestalt der Vernarrtheit in Körper, Frau, Kinder, Freunde, Verwandte. Die Weisen, welche diese Vernarrtheit überwunden haben, erreichen das höchste Bewusstsein Gottes.“
Also, er wird jetzt noch etwas massiver. Sankaracharya will uns hier Vairagya geben, Viveka geben, denn der typische Mensch neigt zu Verhaftung. Und natürlich, das lehrt ja die Bhagavad Gita, ist es wichtig, seine Pflichten zu erfüllen, es ist wichtig, das zu tun, was zu tun ist. Patanjali sagt, „Ja, es ist auch o.k., die Dinge zu genießen und Erfahrung gehört zu diesem Universum dazu und wir sind ja noch nicht mal unsere Verhaftungen.“, aber Sankaracharya will uns hier, wie er sagt, aus der Vernarrtheit herausbringen. Liebe ist eine Sache, Vernarrtheit ist eine andere. Liebe zu seinen Mitmenschen ist etwas Wichtiges und natürlich die Liebe ist je nach Beziehung auch wieder anders. Die Liebe zu den Kindern wird anders sein, als die Liebe zu dem Ehemann, Ehefrau, als zu den Eltern und die Liebe wird anders sein, die man hat zu seinen Yogaschülern und zu seinem Arbeitgeber usw. Aber Verhaftung ist das, was einen in den Tod bringt. Es führt zur Beschränkung unserer Bewusstheit und führt dann dazu, dass man zu allen möglichen Leiden kommt. Also, er erwähnt hier jetzt die besonders großen Vernarrtheiten, die mit dem Körper in Verbindung stehen, eben Partner, Partnerin, Ehefrau, Ehemann, Kinder – Kinder vielleicht noch mal ganz besonders schwierig, denn das sind natürlich dann „meine Kinder“. Und wehe der Vater kriegt irgendwann raus, „Es sind doch nicht meine Kinder.“ Was hat sich geändert in dem Moment? Eigentlich nichts und dennoch alles. Wenn man von Reinkarnation ausgeht und ihr erinnert euch, dieses eine Gedicht von Sankara, das ich schon erwähnt hatte, „Wieder wirst du geboren, wieder wirst du sterben, jeder Mensch, den du siehst, war schon mal deine Mutter, jeder Mensch, den du siehst, war schon mal dein Vater, jeden, den du siehst, war schon mal dein Kind, jeder war schon mal dein Bruder, jeder war schon mal deine Schwester, genug, genug. Wann hast du genug?“ Wir haben natürlich eher eine Neigung, nur diese Inkarnation zu sehen. Und natürlich, in dieser Inkarnation hat man eine besondere Verantwortung für die Kinder, die man in die Welt setzt und für Verwandte usw. Aber eine Verantwortung ist eine Sache, eine besondere Liebe gehört dazu, aber Vernarrtheit und Verhaftung ist eine andere Sache. Dort gilt es, darüber hinauszuwachsen.

55. Teil der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Verhaftungen führen zum Leiden

„Sinnesobjekte sind in ihrer Wirkung noch verheerender als das Gift einer schwarzen Kobra. Gift tötet den, der es einnimmt, wogegen die Sinnesobjekte sogar den töten, der mit den Augen schaut.“ (Sankara im Viveka Chudamani)
Er gebraucht jetzt natürlich eine recht krasse Sprache. Sankara stammt aus Südindien, ich glaube sogar Kerala, und neigt deshalb zu einer etwas blumigen und manchmal etwas übertreibenden Sprache, denn man sollte sich jetzt nicht an diesen massiven Worten aufhängen, sondern er will uns ja damit mit Unterscheidungskraft ausstatten. Und eben auch erkennen, wenn wir an den Sinnen hängen und wenn wir ohne Unterscheidungskraft einfach folgen, was sie uns sagen, dann führen sie uns ins Verderben. Und ich glaube, die meisten können tatsächlich daran denken, wann sie in solche Verderben gekommen sind. Natürlich auch einfach das Hängen an sich, denn die Sinne bleiben ja nicht so. Wir sind vielleicht in der glücklichen Lage, dass wir heute Sinne kompensieren können. Also z.B. als 10-jähriger konnte ich gut sehen und irgendwann zwischen 15 und 17 ist mein Sehsinn schlecht geworden, also brauche ich eine Brille. Angenommen, ich hätte keine Brille, dann könnte ich herzlich wenig von euren Gesichtsausdrücken sehen. Also habe ich eine Brille und kann es kompensieren. Inzwischen muss ich die Brille abnehmen, wenn ich lesen will. Gestern hat Narayani gesagt, ich sollte mich damit abfinden, dass es so ist und sollte das lernen, das jetzt mit Würde zu machen. Das habe ich gestern im Restaurant ein bisschen geübt. Oder angenommen, man hört nicht mehr gut, dann kann man sich Hörgeräte anschaffen. Aber irgendwann riecht man nicht mehr gut. Das ist übrigens sehr viel verbreiteter, als Menschen wissen. Wenn man nicht mehr gut riecht, dann schmeckt auch das Essen nicht mehr gut. Man nimmt an, dass das einer der Gründe ist, weshalb ganz alte Menschen weniger essen. Das Essen schmeckt ihnen einfach nicht mehr, weil sie nicht mehr richtig riechen. Also, irgendwo ab 80 nehmen Menschen ab und irgendwo, ich glaube, fast die Hälfte der Männer und ein Viertel der Frauen über 80 riecht kaum mehr etwas und damit schmeckt auch das Essen nicht mehr so. Also, verschiedene Sinne nehmen ab, können verschwinden. Wir können sie heute – mindestens einige davon – kompensieren, andere nicht. Wenn wir daran hängen, sind wir in Probleme.

„Nur wer sich von den schweren Fesseln der Begierde nach Sinnesobjekten befreit, die nicht ohne große Mühe zu sprengen sind, erfüllt die Voraussetzung zur Erlösung. Kein anderer, selbst wenn er alle sechs Schulen der Philosophie kennt. Die Erlösung Suchenden, die ans andere Ufer des Ozeans der Wiedergeburten gelangen möchten, deren Entsagung aber nicht echt ist, packt der Haifisch in Gestalt der Begieren am Hals, reißt sie mit Gewalt zurück und ertränkt sie mitten im Ozean.“
Den letzten lese ich jetzt besser nicht, der ist nicht sehr freundlich formuliert. Aber heute Nachmittag.

Teil 54 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <

Bindung führt zum Leiden – strebe mit Yoga nach Befreiung

„Gebunden an die fünf Sinnesobjekte, wie Töne und Laute, gehen das Reh, der Elefant, die Motte, der Fisch und die Biene diese fünf nur wegen ihres eigenen Sinnesobjektes in den Tod. Und was wird mit dem Menschen, der allen fünf Sinnesobjekten unterworfen ist.“ (Viveka Chudamani von Sankaracharya, das Kleinod der Unterscheidung 76. Vers).
Da gibt es jeweils so Geschichten, die der Leser von Sankaras Zeit im Kopf hat, die z.B. in der Avadhuta Gita beschrieben werden. Da gibt es das Reh. Also, für das Reh ist es der Ton, es fällt auf den melodiösen Lockruf des Jägers herein. Das war im alten Indien so eine Weise, wie Jäger gejagt haben. Sie haben den Ruf eines Rehs dort wiederholt. Die konnten sowohl den Ruf eines weiblichen Rehs, als auch eines männlichen Rehs wiederholen und dann sind die gegengeschlechtlichen Rehe dann hingekommen und dann wurde das Reh mit Pfeil und Bogen erledigt. Also, Verhaftung an den Hörsinn kann ins Verderben führen. Dann der Elefant sucht Berührung mit dem Weibchen, dass an einem Baum angebunden ist. Also, so wurden Elefanten im alten Indien gejagt. Da wurde ein Elefant genommen und dieser wurde dann angebunden und dann kam der andere Elefant, der hat es zuerst gesehen, aber nachher wollte er dann das Elefantenweibchen oder das Weibchen das Männchen auch berühren und wenn die dann so in liebevoller Berührung waren, kamen dann die Menschen und haben Ketten an die Beine angelegt. War keine ungefährliche Weise, aber so wurden anscheinend früher Elefanten gejagt. Oder Motten sehen Licht und fliegen geradewegs in die Flamme hinein, also Sehsinn. Das erleben wir hier auch manchmal im Sivananda-Saal, da haben wir ja diese Lampen und wenn ihr ab und zu mal was riecht, dann wisst ihr, da ist wieder eine Motte oder eine Fliege in eine dieser Lampen hineingegangen. Der Fisch ist der Geschmackssinn. Sie wollen unbedingt den Regenwurm fressen und landen am Angelhaken. Und die Bienen sammeln Honig, vom Blütenduft angelockt und werden dann vom Züchter oder vom Imker beraubt. Oder eigentlich bezieht es sich auf etwas anderes, denn in der Avadhuta Gita, eine Biene, spät am Abend, will eigentlich zurück in den Bienenstock fliegen und dann riecht sie noch eine ganz besonders gute Blüte. Sie geht dort hin und die Blüte verschließt sich, wie es ja manche Blüten machen. Die Biene ist also gefangen in der Blüte, ein Elefant kommt und zertritt die Blüte und mit der Blüte die Biene gleich mit. Also, in der Avadhuta Gita erzählt der Dattatreya von seinen 24 Gurus und fünf davon greift Sankaracharya hier auf. Also, Tiere haften an einem Sinn und der Mensch haftet an allen fünf Sinnen. Und jeder der fünf Sinne kann uns ins Verderben führen. Natürlich, jeder dieser fünf Sinne kann einen auch an Gott erinnern, aber jeder der fünf Sinne, wenn wir daran verhaftet sind, kann einen auch ins Verderben führen. Die Sinnesobjekte zu genießen und dankbar dafür zu sein, ist eine Sache. Daran verhaftet zu sein und uns von diesem Sinnesobjekt dann ins Verderben führen zu lassen, ist eine andere Weise.
„Die Biene macht ihre Arbeit.“ Natürlich, alle Tiere brauchen ihre Sinne und der Mensch braucht auch alle fünf Sinne. Deshalb haben wir sie ja, sonst hätten wir ja nicht diese Sinnesorgane bekommen. Das Problem ist nur, wenn man daran verhaftet ist. Natürlich, die Tiere haben keine Wahl. Aber eine Biene, angenommen, sie wäre mit Vernunft ausgestattet, dann hätte vielleicht gerade diese Biene gesagt, „Ja, es wird langsam dunkel. Ich weiß, diese Art von Blüte wird abends wieder zugehen und deshalb sollte ich jetzt nicht mich in Gefahr begeben und dann dort in diese Blüte hineingehen. Besser, ich komme morgen wieder.“ Aber Menschen sind vernunftmäßig ausgestattet und man macht das trotzdem. Könnt ihr euch mal überlegen, vielleicht seid ihr alle mit großer Vernunft ausgestattet und macht so was niemals. Aber der ein oder andere weiß, wenn er das und das isst, dann wird es die und die Wirkung haben und isst es trotzdem. Ich weiß nicht, ob ihr das noch nachvollziehen könnt oder ob ihr an jemanden denken könnt, bei dem es so geht. Oder man hört etwas, z.B. eine Kritik, man weiß, eigentlich wäre es klüger, nichts zu machen, trotzdem reagiert man auf das, was man hört.

Teil 53 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen. <