Archiv für den Monat: September 2011

Ist Selbverwirklichung egoistisch?

Frage: „Ist es nicht egoistisch, aus dem Kreislauf von Geburt und Tod austreten zu wollen und die anderen im Leid schmoren zu lassen?“
Nicht wirklich. Denn sie könnten sich wieder inkarnieren, wenn sie das wollten zum Wohl anderer. Das ist so eine Frage. Mal angenommen, du bist aus deinem Traum aufgewacht. Könntest du dich jetzt wieder in den Traum inkarnieren, um den anderen im Traum zu helfen? Du könntest dich natürlich hinein versetzen, dich hinlegen und genau die Traumbilder von der Nacht vorher dir vergegenwärtigen. Dann würdest du vielleicht in den gleichen Traum hineinschlafen, triffst vielleicht die gleichen Leute und könntest ihnen helfen. Aber wäre das sinnvoll? Wenn du weißt, alle Menschen im Traum sind nur Traumgestalten des einen Bewusstseins und wenn ich aufgewacht bin, dann sind die anderen damit eigentlich auch aufgewacht.

Frage… Ich weiß nicht, ob ihr es bis hinten gehört habt. Wir hier freuen uns ja, wenn hier selbstverwirklichte Weise kommen und uns lehren. Genauso freuen die sich vielleicht auch, wenn da im Traum jemand ist, der ihnen hilft im Traum. Das sind jetzt alles Argumente aus dieser relativen Welt. Es gibt zwar im Buddhismus das Konzept von Bodhisattwa, es gibt auch das Konzept von den Siddhas, denjenigen, die auf einer subtileren Ebene weiter existieren und immer weiter da sind und Menschen erscheinen, wann immer sie Hilfe brauchen. Aber es ist letztlich im Relativen und es heißt auch, die großen Meister hinterlassen Gedankenformen, durch die Ishvara hindurch wirkt, um uns führen zu können. Es ist auch immer die große Frage: Einerseits heißt es, Swami Sivananda war selbstverwirklicht, er hat also nach dem physischen Tod jede Persönlichkeit aufgegeben und ist deshalb eins mit dem Unendlichen. Dennoch haben viele Menschen regelmäßig Visionen von Swami Sivananda. Ich spüre also seine Gegenwart. Es gibt kaum eine Stunde, in der ich nicht spüre, dass er irgendwo da ist. Und er ist irgendwo hinter allem und führt mich. Wenn es Schwierigkeiten gibt, ist er da und wenn es besonders schön ist, ist er auch besonders da. Er ist dann einfach da und manchmal merke ich, er sagt das und das und dann sollte ich das auch tun. Das ist zu machen. Wie ist das jetzt aber unter einen Hut zu bringen? Die ehrlichste Antwort ist: Das kann man nicht erklären. Dieses Universum ist letztlich multidimensional. Aber die logische Erklärung, die die Meister geben ist, wenn ein Meister stirbt, dann hinterlässt er eine Gedankenform und durch diese Gedankenform wirkt dann Ishwara. Und da jeder Mensch letztlich auch nur eine Manifestation von Brahman ist, existiert der Meister auf eine subtile Weise weiter und erscheint den Menschen. Aber er existiert nicht als jemand, der dem Karma unterworfen ist, der dem Leiden unterworfen ist und der Wünschen unterworfen ist. Er wird in seiner Form zur Manifestation Gottes und Gott führt einen in der Gestalt des Meisters weiter. Dazu ist es nicht nötig, dass sich ein konkreter Meister immer wieder inkarniert.

Teil 43 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Was ist Moksha? Was ist Selbstverwirklichung?

An einer späteren Stelle wird Sankara auch sprechen über die höchste Befreiung. Aber Selbstverwirklichung, Gottverwirklichung heißt wirklich Moksha und Selbstverwirklichung. Dann ist die Frage, was heißt Moksha? Was heißt Selbstverwirklichung? Ist dort wirklich jeder Anschein einer eigenartigen Gewohnheit vorbei? So kann man es nicht sehen. Der Körper hat seine Grenzen, das Hirn hat seine Grenzen, die Psyche hat ihre Grenzen. Wir dürfen nicht denken, dass Vollkommenheit heißt, dass man auf irgendeiner physischen, emotionalen und geistigen Ebene eine wie auch immer geartete Vollkommenheit erreicht hat. Es heißt, wir sind aufgewacht. Es heißt, wir wissen: Ich bin das unsterbliche Selbst. Ich bin der Atman. Man ist so weit aufgewacht, dass man sich nicht mehr inkarnieren muss. Es ist die Befreiung oder Nirvikalpa Samadhi oder Selbstverwirklichung. Gottverwirklichung heißt: Ich weiß, ich bin Satchidananda. Ich bin Sein, Wissen und Glückseligkeit. Aham Brahmasmi, ich bin Brahman. Ayam Atma Brahman, dieses Selbst ist Brahman. Wir wissen das und es ist ein dauerhaftes Wissen, es verlässt uns auch niemals mehr. Egal, was passiert, Harahalame Almasta Sat Chid Ananda Hum. Was auch immer passiert, ich weiß das.

Ich bin deshalb auch nicht gebunden von irgendwelchen Problemen oder Neurosen, einem Trauma und so weiter. Das löst sich damit auf. Deshalb heißt es in Nirvikalpa Samadhi werden eine Menge von Samskaras verbrannt. Es wird deshalb auch als Nirbija Samadhi bezeichnet, es werden also Bijas verbrannt. Und alles Karma, das nicht begonnen hat, Früchte zu tragen, wird auch verbrannt. Also Sanchita Karma, Agami Karma wird verbrannt. Wir brauchen nicht noch mal wiedergeboren zu werden. Wir sind auch nicht mehr in der Lage, egoistische Handlungen zu führen. Das klingt jetzt so ein bisschen negativ: Aber wir sind nicht mehr in der Lage, egoistische Handlungen auszuführen, die dann zu neuem Karma führen würden. Sondern wir fühlen: Ich bin das Bewusstsein hinter allem, auch wenn ich noch durch diesen Körper hindurch wirke, auch wenn ich dort weiter Karma habe.

Was weiter bleibt, ist das Temperament. Selbstverwirklichte Heilige, auch die, die volles Nirvikalpa Samadhi erreicht haben, sind keine wandelnden Statuen. Sie haben ein Temperament, sie haben eine Persönlichkeit, sie haben Gewohnheiten, sie haben sogar Lieblingsgerichte. Es gab bestimmte Dinge, die hat Swami Sivananda lieber gegessen als andere. Es wird auch irgendwo geschrieben über Sankara, in der Dhyana Shloka, dass er irgendeine Frucht auch besonders gemocht zu haben scheint. Aber natürlich hat es Swami Sivananda oder auch Sankara auch nichts ausgemacht, wenn sie das nicht bekommen haben, was sie gerne hätten. Sie würden deshalb also nicht wild werden oder böse werden.

42. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Befreiung, Erlösung und Selbstverwirklichung

Frage: Der Wunsch nach Befreiung und der Wunsch nach Selbstverwirklichung, ist das das gleich oder etwas Unterschiedliches?
Vom vedantischen Standpunkt ist der Wunsch nach Selbstverwirklichung und Befreiung das Gleiche. Letztlich, der Wege sind viele, der Wahrheit ist eins. Worte sind viele, aber Wahrheit ist eins. Selbstverwirklichung, Erlösung, Moksha, Nirvikalpa Samadhi, höchste Erkenntnis, Unio Mystica, Nirwana – all das bedeutet das Gleiche. Also, Wunsch nach Befreiung, Wunsch nach Gottverwirklichung, Wunsch nach Selbstverwirklichung, Wunsch nach Nirvikalpa Samadhi – im Grunde ist alles das Selbe, es ist nur Frage der Worte. Manche Menschen wollen nicht den Ausdruck Befreiung, aber Selbstverwirklichung finden sie gut. Manche finden den Ausdruck Selbstverwirklichung nicht so gut, weil er ja auch zwei Hauptbedeutungen hat: Im Kontext der humanistischen Psychologie heißt Selbstverwirklichung irgendwo sich selbst kennenlernen, sich selbst anzunehmen, seine Talente zum Vorschein zu bringen und dem zu folgen, was irgendwo tief im Inneren angelegt ist, ein authentisches, selbstbestimmtes Leben zu führen. Das ist der humanistische Begriff der Selbstverwirklichung. Im Yoga meint man ja damit etwas anderes. Wir wollen unser wahres Selbst verwirklichen und das ist jenseits von allen Talenten und Möglichkeiten und so weiter. In diesem höheren Sinn, im spirituellen Sinn das Wort „Selbstverwirklichung“ verstanden, ist es gleichbedeutend mit dem anderen. Dann ist es eine Frage, wie man es nimmt.

Teil 41 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Frage zum Karma

„Hat die Art, wie man etwas erledigt, einen Einfluss auf das Karma? Wenn man sich durch etwas durchquält, ist das besser oder schlechter, als wenn es einem irgendwo leicht fällt?“
Die Art, wie wir etwas erledigen, hat natürlich einen Einfluss auf unser Karma. Denn mal angenommen, wir haben eine bestimmte Aufgabe und wir erledigen sie halbherzig, dann haben wir unsere Aufgabe nicht erfüllt. Dann kommt sie nachher noch mal wieder und zwar mit Zinseszins. Deshalb sollte man nichts halbherzig machen. Was man macht, sollte man so gut machen, wie man es kann und natürlich, wie es in der Situation angemessen ist. Was wir nicht erledigen, das kommt dann später.

Gut, manches Mal kann man auch sagen: ich hudele es jetzt halt hin und ich weiß, es kommt später noch mal. Aber das ist eben, was ich jetzt machen kann und dann mache ich es das nächste Mal richtig. Das ist ja auch OK. Nur insgesamt gilt es, es richtig zu machen. Zum zweiten, das was wir machen aber auch unter Beachtung der Menschen zu tun, mit denen wir es zu tun haben und der Erde. Wenn wir jetzt etwas erledigen und andere dabei kränken, schaffen wir auch neues Karma. Wenn wir es mit einem dicken Ego erledigen: Ah, ich bin der große Hecht, der das besser macht als alle anderen, dann hat das auch wieder einen Einfluss auf das Karma. Man sagt ja auch: Hochmut kommt vor dem Fall. Glücklicherweise hilft uns das Karma, wenn unser Ego zu dick wird, indem es irgendwann eine Nadel da rein pickst und dann geht die Luft raus.

Ansonsten aber kann man jetzt nicht sagen, mal angenommen, man hat eine unangenehme Arbeit zu tun. Dann macht man sie halt. Das ist dann halt unangenehm. Und ein anderes Mal hat man eine Arbeit zu tun, eine Aufgabe und die macht man sehr gerne. Wenn man beides macht, so gut wie man es kann als seine Pflicht und seine Aufgabe, die man Gott darbringt, wenn es einem irgendwo vielleicht nicht ganz so erheblich ist, ob man es mag oder nicht mag, dann ist beides eine gute Einstellung. Zumindest vom Jnana-Yoga Standpunkt aus. Da ist es ja egal. Man macht Erfahrungen, aber ob da jetzt schöne oder negative Erfahrungen dabei sind, ist jetzt nicht weiter erheblich. Manchmal kann man sogar sagen, es gehört zum Karma dazu, dass man mal positive und mal negative Erfahrungen macht. Und dann ist es ja gut, wenn man jetzt die negativen Erfahrungen hinter sich hat. Also schön, dass sie jetzt da sind. Außerdem lernt man dabei Tapas, Askese-Übungen. Das macht auch den Geist stark. Auf einer anderen Ebene, und das ist dann mehr vom Raja-Yoga her, ist es durchaus auch gut, das zu mögen, was man zu machen hat. Wenn man also eine Aufgabe hat, dann ist es gut, wenn man lernt, es zu mögen. Und es ist jetzt nicht so, dass bestimmte Aufgaben, die man hat, die mag man und die anderen kann man nicht mögen. Sondern man kann sich auch fragen: Wie kann ich die Aufgabe so machen, dass ich sie mag. Wenn man also jemand ist, der gerne freudig im Leben ist, dann kann man überlegen: wie kann ich die Aufgabe machen, dass ich sie mag? Aber nicht jeder Mensch will freudig im Leben sein. Ich habe euch gestern erzählt von dem melancholischen Menschen. Da gehört es irgendwo zum Vairagya dazu, dass man immer wieder erkennt: alles Leben ist Leiden und das durchaus etwas wörtlicher nimmt. Man arbeitet also eben sein Karma ab: das ist zu erledigen und ich mache es so gut, wie ich kann, und das ist zu erledigen und auch das mache ich so gut wie ich es kann. Freude habe ich in der Meditation. Freude habe ich, wenn ich hinter die Dinge schaue. Freude ist auch ein Ansatz und er ist legitim. Für die Mehrheit der Menschen ist es durchaus gut zu lernen, das zu mögen, was man macht, ohne verhaftet zu sein.

 

41. Teil der Niederschrift von Vorträgen im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.