Archiv für den Monat: Juni 2011

Gelassenheit als Vedanta Tugend – und wie man sie entwickelt

„Samadhana – oft als Gelassenheit übersetzt, hier in dieser Übersetzung wird es übersetzt als meditative Versenkung – ist dauernde gedankliche Konzentration auf die ewige, reine, absolute Wirklichkeit, nicht aber der freie Lauf der Gedanken.“ (Sankara im Viveka Chudamani 26. Vers).
Und auch das ist durchaus etwas, was man im Alltag immer wieder umsetzen kann. Wir können uns immer wieder bewusst machen, hinter allem ist der eine, der unendliche, der ewige Brahman. Und das möchte ich euch als kleine Aufgabe geben, vielleicht bis zur Yogastunde oder nach der Yogastunde, vielleicht auch zwischendurch während der Yogastunde, diese Form von Samadhana zu praktizieren, euch bewusst zu werden, hinter allem ist letztlich Brahman. Hinter euren Gedanken, Gefühlen, Emotionen, dahinter ist Brahman. Die Welt, die ihr seht, ist letztlich eine Manifestation von Brahman. Man kann sagen, die Welt ist eine Manifestation von Elektronen, Neutronen und Protonen, ist eine Manifestation von Schwingungen. Wir können aber eben auch sagen, die Welt ist eine Manifestation von Brahman. Und das kann man dann eben auch spüren. Wir können merken, „Bewusstheit ist in mir, Bewusstheit in im Äußeren, mit meiner inneren Bewusstheit kann ich die äußere Bewusstheit bewusstmachen.“ und letztlich könnt ihr dann immer wieder zu dieser Erfahrung kommen von umfassender Bewusstheit, von Verbundenheit oder auf einer emotionellen Ebene kann man sagen, ist diese Reflexion, diese Erfahrung von Verbundenheit und weiter Bewusstheit dann eben Liebe.

Teil 31 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Vertrauen ist auch im Jnana Yoga wichtig

„Shraddha ist das Festhalten an der Überzeugung von der Wahrheit der heiligen Schrift und der Worte des Meisters. Dadurch erkennt man die Wahrheit.“ (Viveka Chudamani 25. Vers)
Also, Shraddha ist ein Vertrauen. Hier bringt er dieses Shraddha in einem konkreten Kontext, nämlich Vertrauen in die Schriften. Shraddha wird auch als Glaube bezeichnet. Und Shraddha hat eben tatsächlich diese vielen Bedeutungen. Ich hatte euch ja vorher eine andere Bedeutung beschrieben. Im Bhakti Yoga ist Shraddha auch der Glaube an Gott, der ja z.B. im Christentum eine ganz besondere Rolle spielt, da ist der Glaube mit das Wichtigste, mindestens im evangelischen Christentum. Da wird immer wieder gesprochen von, der christliche Glaube oder der Glaube und wo es dann auch heißt, „Sola fide, allein durch den Glauben werden wir uns der Gnade Gottes bewusst und so kommen wir dann zur Erlösung.“ Also dieser Glaube spielt dort über alle Maßen eine Rolle. Gut, hier ist er einer der sechs Shatsampats und vielleicht für einen westlichen Aspiranten ist dieser bedingungslose Glauben an die Schriften nicht ganz so einfach nachzuvollziehen. Wir sind ja noch dazu ein bisschen historisch vorgebildet und manche von euch sogar indologisch vorgebildet und ähnlich auch, wie es vielleicht manchen von euch mit dem Christentum gegangen ist, mir ist das so gegangen, irgendwo als Teenager, sowohl im Religionsunterricht, als auch im Konfirmandenunterricht haben wir die Bibel von historischen Gesichtspunkten uns angeschaut: Wann ist welcher Teil in die Bibel hineingekommen? Wo widerspricht sich was? Und dann gab es sogar so ein Buch, das hat in vier verschiedene Zeilen die widersprüchlichen Aussagen der Evangelien über die gleiche Gegebenheit nebeneinander gesetzt. Also, wer bis dahin an die Bibel geglaubt hat, hat spätestens dann nicht mehr daran geglaubt. Mindestens mir ist der christliche Glaube in meinem Religions- und Konfirmandenunterricht gründlich ausgetrieben worden. Denn es hat dann noch etwas gefehlt und ich meine, man kann das gut miteinander verbinden. Eben zum einen, natürlich, in Indien gibt es die Ausdrücke Shruti und Smriti. Im engeren Sinne sind Shrutis die Veden und die Smritis sind die Gesetzestexte. Im weiteren Sinne ist Shruti die ewige Wahrheit und Smriti sind die sozioökonomisch kulturellen Umstände. Auch wenn wir die Bhagavad Gita lesen, es gibt ein paar Verse da drin, da kann man nur sagen, wie kann irgendjemand so was schreiben? Die überlesen wir typischerweise in der 4-Wochen-Ausbildung, aber in der 9-tägigen-Bhagavad-Gita-Weiterbildung verheimliche ich die nicht. Also, es gibt da einiges, das ist aus dem damaligen kulturellen Gesichtspunkten verständlich und die Bibel ist dort auch voll davon. Irgendjemand hat ja mal beantragt, die Bibel auf den Index der jugendgefährdenden Schriften und der Volksverhetzenden Schriften zu setzen und hat dort eine ganze Menge von Beispielen gebracht. Und realistisch müsste man sagen, angenommen, es würde eine heutige Religionsgemeinschaft gegründet werden und würde diese Verse der Bibel in ihre neue Schrift dort reinsetzen, die würden ganz sicher vom Verfassungsschutz beobachtet und ziemlich sicher verboten werden. An irgendeiner Stelle sagt Jesus auch, „Ich bin nicht gekommen, um Frieden in die Welt zu bringen, sondern ich will Streit bringen zwischen Ehemann und Ehefrau, zwischen Vater und Mutter, zwischen Freund und Freundin.“ Steht drin. Habt ihr wahrscheinlich nicht gehört. Oder manches, was im Alten Testament dort drin steht, ist himmelschreiend brutal und sexistisch und wie auch immer man da sonst noch sagen will. Aber die Mahabharata ist nicht besser, vermutlich ist sie noch schlimmer. Weshalb es besser ist, man liest es in der modernen Zusammenfassung, da lassen die spirituellen Autoren diese Dinge aus. Ich kann mich mal erinnern, der Chandra hat in früheren Zeiten, hatte beim ersten Mal, wo er bei uns ein Weiterbildungsseminar gegeben hat… Er hat ja früher an einer Uni unterrichtet. Und natürlich, die Studenten hält man gut bei der Stange, indem man bestimmte, fast pornographische und sonstige Sachen aus der Mahabharata irgendwo zitiert. Aber ich habe ihn dann gebeten, das nicht zu machen. Also, Shraddha kann man trotzdem haben, obgleich ich euch jetzt vielleicht schockiere, ich habe trotzdem großes Shraddha in die Wahrheit der Schriften. Aber ich weiß eben, nicht alles ist wörtlich zu nehmen. Und in Indien ist keiner auf die Idee gekommen, alles wörtlich zu nehmen. Selbst Sankara, in manchen Kommentaren zur Bhagavad Gita, interpretiert er es letztlich irgendwie weg. Also man weiß, die Essenz ist da, höchste Wahrheit ist da und die Schriften können uns anleiten, zu der höchsten Wahrheit zu kommen. Und in der Bhagavad Gita und in den Upanishaden und im Brahma Sutra steht die Wahrheit drin, sind die Empfehlungen, wie kommen wir hin. Nur es gibt auch Verse darin, die aus der Zeit erklärbar sind und die heute anders interpretiert werden müssen. Und mein heutiges Verständnis von der Bibel ist, irgendwie gerade jetzt im Neuen Testament, das ist göttlich inspiriert. Es war letztlich eine Vorbeugung gegen eine wörtliche Auslegung der Bibel. Ich kann nicht verstehen, wie es Menschen gibt, die sagen, man muss ein wörtliches Verständnis für die Bibel haben. Denn, mit welchem Teil der Bibel? Es fängt mit der Schöpfungsgeschichte an. Das finde ich, ist genial. In der Genesis stehen zwei verschiedene Schöpfungsgeschichten direkt hintereinander. In der einen heißt es, Gott hat erst die Erde geschaffen und dann die Pflanzen und dann die Tiere und dann den Mensch. Ein oder zwei Kapitel weiter steht, erst den Menschen und dann die Pflanzen und die Tiere und alles andere. Also da gab es erstmal den Menschen im luftleeren Raum und dann hat Gott alles andere geschaffen. Kann man nicht genialer ausdrücken, um zu sagen, „Versucht nicht, das wörtlich zu nehmen.“ Also, wer es wörtlich nimmt, ich weiß gar nicht, wie geht das überhaupt? Man kann nur Dreiviertel der Bibel weglassen, aber das ist ja nicht, die Bibel wörtlich zu nehmen. Daher, Glauben in die Schriften heißt nicht, ein wortgetreuer Glaube. Und bei indischen Schriften ist das sowieso klar. Die Bibel hat ja nur wie viel Seiten? 1000, 2000? Also, ich weiß so dick ist die, die ich bei mir habe. Wir haben hier auch irgendwo das Neue Testament. Je nach Schriftgrößer wird es zwischen 1000 und 1500 Seiten haben. Die Mahabharata allein ist länger als die Bibel und dann die Ramayana ist genauso lang. Die Veden sind zehnmal so groß. Und dann noch die Smritis und die Puranas, das ist ein riesen Bücherregal. Dennoch, es gilt, aus diesen Schriften heraus, dort finden wir die Wahrheit, denn die Wahrheit ist nichts Neues, die höchste Wahrheit wurde immer wieder beschrieben. In unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichen Gegenden, von unterschiedlichen Lehrern, auf unterschiedliche Weise interpretiert, der Wege sind viele, aber Wahrheit ist eins. Namen sind viele, aber Wahrheit ist eins.
Ebenso sagt er hier, „Vertrauen in die Worte des Meisters.“ Natürlich, zu allererst muss man prüfen, ist der Meister überhaupt ein sattviger Meister. Es gibt genügend Scheinheilige, die durch die Welt gehen. Da werde ich jetzt nicht viel darüber erzählen. In der Yogalehrerausbildung hat ihr etwas darüber gehört oder wenn ihr die Raja-Yoga-Weiterbildung macht, dort wird typischerweise etwas mehr darauf eingegangen. Was sind die Charakteristika eines sattvigen Meisters? Wie kann man ihn von rajasigen und tamasigen unterscheiden? Dann, wenn man mal einen Meister angenommen hat, dann gilt es auch, ihm mit Vertrauen zu dienen und in seine Worte Vertrauen zu haben und letztlich das zu tun, was er einem sagt.

Teil 30 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Shatsampat, die sechs edlen Tugenden im Vedanta

Sankara wird euch jetzt auf einem höheren Niveau erklären, wie man diese sechs Eigenschaften interpretieren kann:
„Sama, Ruhe des Geistes heißt, dauerndes Verharren im wahren, eigenen Ziel, indem man sich von den zahllosen Gegenständen der Sinneswahrnehmung loslöst und sich deren Mangel immer wieder vor Augen führt.“ (Viveka Chudamani)
Sama heißt Ruhe des Geistes. Eine andere Möglichkeit ist und das ist eigentlich eine Variation von Vairagya, man macht sich bewusst, alles in dieser Welt hat seine Probleme, nichts macht einen dauerhaft glücklich, alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende. Der Mensch, der einen heute anlächelt, später stellt er einem das Bein und freut sich, wenn man im Dreck liegt. Ich lasse es jetzt dabei.
23. Vers
„Dama, Selbstbeherrschung heißt, das Festhalten der Sinne und Sinnesorgane in den betreffenden Zentren, indem man sich von den zahllosen Gegenständen der Sinneswahrnehmung abwendet.“
Also, wenn man merkt, da ist ein Cafe und da gibt es den tollen Kirschkuchen und dann schaut man woanders hin und geht weiter. Oder angenommen, ihr macht einen Spaziergang durch den Kurpark von Bad Meinberg, dann kommt ihr erst eben hier durch das Silvaticum, schöne Bäume, geht unter der Brücke durch, wunderschöner See, ihr geht weiter und dann seht ihr einen schönen Brunnentempel, ihr geht noch weiter, links ein Eiscafe. Genau, wenn ihr dort standhaltet, kommt direkt danach rechts eine Konditorei, dort haltet ihr vielleicht auch noch stand. Ihr geht etwas weiter, links kommt eine andere Konditorei, vor der hält man übrigens besser stand. Wenn man rechts geht, rentiert es sich wenigstens. Dama hieße, man geht einfach weiter und lässt sich von nichts beeinflussen und beeindrucken. Und das ist auch durchaus eine gute Übung. Manchmal macht man einfach etwas deshalb nicht, einfach weil man einen Wunsch danach hat. Also nicht nur, weil es einen anderen Grund gibt. Also z.B. gegen Kuchen gibt es ja einige gute Gründe. Bauch oder Zucker oder Eier oder ich weiß nicht, was deutsche Konditoren noch in den Kuchen reinsetzen. Es sind nicht nur biologisch-ökologisch natürliche Zutaten. Und der Naturkostladen hat typischerweise immer geschlossen, wenn ihr frei habt. Es sei denn, ihr verzichtet aufs Frühstück oder kürzt es ab. Aber nicht nur aus anderen Gründen, sogar selbst am Naturkostladen, wenn da Hundertprozent gesunde Sachen sind, und seit es Yoga Vidya gibt, haben die den Anteil an Süßigkeiten etwa verdoppelt, ist mir aufgefallen. Vor sechs Jahren waren da wenige Regale mit Süßigkeiten, jetzt sind dort relativ viele gesunde Süßigkeiten drin. Und irgendwie scheinen die sogar zu wissen, was wir hier anbieten, denn die bieten anderes dort an. Und ich komme auch nie dorthin, ohne einen Mitarbeiter dort zu treffen oder einen Gast. Aber selbst wenn es Hundertprozent gesund ist, auch mal sagen, „Ich esse es trotzdem nicht.“ Oder ihr habt einen Wunsch nach irgendetwas und dann macht es einfach deshalb nicht, um nicht Sklave eures Geistes zu sein, um zu sagen, „Ich bin Herr oder Frau im Haus.“
„Vollkommene Ruhe, Uparati, bedeutet, dass das Denken nicht auf äußere Sinneseindrücke reagiert.“
Also, Uparati hat so verschiedene Bedeutungen. Hier sagt er, vollkommene Ruhe, es heißt aber eben auch Abwenden, es heißt auch Überdruss, es ist ein vielschichtiges Wort dort. Also hier, Denkorgan reagiert nicht auf äußere Sinneseindrücke.
Titiksha – wird hier übersetzt von diesem Übersetzer als Langmut – nennt man das Ertragen aller Art von Leiden, ohne den Gedanken an Rache, ohne Angst und Kummer und ohne Klagen. Titiksha ist auch eine gute Übung und im Grunde genommen, wenn wir uns Titiksha als eine der wichtigen Eigenschaften anschauen, dann können wir irgendwo Leiden auch was Positives abgewinnen. Also angenommen, es kommt eine Krankheit. Da kann man sagen, „Aha, schön, dass der Körper jetzt eine Krankheit hat. Eine gute Gelegenheit, Titiksha zu üben.“ Ist vielleicht sogar mit Schmerzen verbunden. Eine gute Gelegenheit, Titiksha zu üben. Wobei ich euch jetzt nicht raten würde, auf Schmerzmittel zu verzichten. Die heutige Medizin sagt ja, wenn man Schmerzen hat und die Ursache dann irgendwo kennt und auch was an der Ursache macht, dann sollte man sogar relativ früh Schmerzmittel nehmen, dass kein Schmerzgedächtnis entsteht. Und das machen manchmal naturverbundene Menschen falsch, sie nehmen dann lange Zeit keine Schmerzmittel und nachher muss man Hämmer nehmen. Und wenn man einmal ein Aspirin genommen hätte, hätte vielleicht eine Tablette ausgereicht, dass irgendwo ein kleiner Unfall nicht zur chronischen Problematik wird. Noch besser ist natürlich, man schafft es mit einer Affirmation, den Schmerz zu beseitigen und mit einer Entspannung und damit verbundenen Affirmation. Aber jetzt jenseits dieser, mindestens heutigen medizinischen Empfehlung, die vielleicht in einem Jahr wieder überholt ist, wenn äußeres Leiden kommt, dann kann man das annehmen und sagen, es ist eine gute Übung, um stark zu werden. So irgendwo, mindestens als Junge hat man so gehört, „Was dich nicht umbringt, macht dich stark.“ Ich weiß nicht, Mädchen, haben die das auch gehört? Ja, auch. „Nur die harten kommen in den Garten.“, den Ausdruck habe ich nicht gehört, der war vielleicht in einer anderen Gegend Deutschlands populär. Stimmt natürlich nicht immer. Aber irgendwo, Stärke des Geistes heißt auch eben, mit widrigen Umständen umgehen zu können. Und auch heißt es, Gold wird im Feuer rein. Oder, der Schmied macht die Kunstgegenstände, indem er das Eisen erst heiß macht und dann feste draufschlägt. Und irgendwo macht das auch unser Karma. Ab und zu mal wirft es uns in den Ofen und anschließend werden wir links und rechts und oben und unten draufgehauen. Das ist jetzt keine sehr romantische oder freundliche Ausdrucksweise. Ich weiß auch nicht, warum die mir jetzt gerade einfällt, denn so häufig gebrauche ich ja so etwas nicht. Vielleicht um meine bisherige freundliche Ausdrucksweise etwas auszugleichen. Aber so passiert es ja öfters. Das Leben ist ja so. Es ist nicht so, dass unser Schicksal uns immer mit Samthandschuhen anfasst, sondern manchmal geschehen schlimme Dinge und manchmal hat man das Gefühl, dass man in einen Feuerofen reingeworfen ist, den man nicht aushält. Und manchmal hat man das Gefühl, dass man links und rechts verprügelt wird. Es gibt vielleicht sogar Menschen, die physisch verprügelt wurden. Und das sind alles Dinge, die prägen uns. Aber letztlich, was danach folgt ist, Shraddha sagt, wir wissen nicht, warum und wieso und ich halte die Frage, „Warum passiert mir das?“ nicht für eine sehr hilfreiche Frage. Wenn man davon ausgeht, auf irgendeine Art und Weise wachse ich daran, das ist das, was Titiksha ermöglicht. Also hier, man lernt, Leiden anzunehmen. Auch Swami Sivananda hat ja in seinem berühmten Lied, fängt an mit „Serve, love, give, purify, meditate, realize. Be good, do good, be kind, be compassionate. Adapt, adjust, accommodate. Bear insult, bar injury, highest Yoga. Trage Kränkungen, trage Beleidigungen und Schmähungen, das ist höchstes Yoga.“ Das ist ein Zeichen, wir sind ein bisschen vorangekommen. Das ist letztlich eine einfache Weise für Titiksha. Eigentlich gibt es ja Schlimmeres als Leute, die einen irgendwo beleidigen. Aber viele Menschen und ich merke es gerade auf dem spirituellen Weg, vielleicht andere genauso, aber spirituelle Menschen sind manchmal nicht nur gekränkt, wenn man ihnen ein kränkendes Wort sagt, sondern sogar, wenn man sie nicht lobt, sind sie schon gekränkt. Oder Menschen erwarten Anerkennung für alles Mögliche. Titiksha, wir halten all das aus. Und ihr könnt sehen, wie weit seid ihr gekommen und wenn euch heute etwas nicht mehr so ärgert wie vor zehn Jahren, dann seid ihr einen guten Weg vorangekommen.

Teil 29 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.

Ayurveda Typen und Samadhana, Gelassenheit

So wie man ja im Ayurveda, so in der ayurvedischen Unternehmensberatung sagt man z.B., in einem Team sollten Vata-, Pitta- und Kapha-Menschen dabei sein. Der Vata-Mensch, das ist der, der hat ständig die neuen Ideen. Und heutzutage, in unserer heutigen Welt braucht es immer wieder neue, kreative Ideen. Der Pitta-Mensch, der setzt sie durch. Und der Kapha-Mensch, der sorgt dafür, dass alle was zu Essen haben. Außerdem sorgt er dafür, dass die Veränderungen nicht zu schnell und zu intensiv sind und dass alle vernünftig miteinander sprechen und dass irgendwo es ein bisschen menschlich und liebevoll zugeht. Wenn man das so erkennt, dann weiß man, man ergänzt sich gut. Ansonsten würde der Vata-Mensch sich darüber ärgern, dass der Pitta-Mensch immer mit dem Kopf durch die Wand geht und jede seiner Ideen erstmal ernst nimmt, obgleich das nur einfach mal so spinnert in den Raum geworfen wurde und ärgert sich über den Kapha-Mensch, dieser konservative Typ, egal, was man sagt, der hat immer Einwände gegen fast alles, bremst diesen kreativen Höhenflug und diese Gedankenspiele und all das, was man noch machen könnte. Und der Pitta-Mensch, der ärgert sich über den Vata-Mensch, „Jetzt haben wir doch gerade das beschlossen. Jetzt sind wir dabei, durchzugehen, jetzt will er plötzlich das Gegenteil machen. Könnte der nicht mal bei einer Sache bleiben? Und jetzt haben wir das beschlossen, jetzt könnte er das doch wirklich mal machen. Außerdem, muss der immer zu spät kommen, zu früh kommen und an Orten auftauchen, wo er nichts zu suchen hat? Könnte der nicht einfach seine Arbeit machen?“ Und über den Kapha-Mensch ärgert sich vielleicht der Pitta-Mensch, „Muss der denn so träge sein? Kann der nicht mal seinen Hintern hochkriegen und in die Gänge kommen? Ich muss den Wagen immer aus dem Dreck zerren und muss diesen Menschen auch noch mit mir hinterher schleifen.“ Und der Kapha-Mensch würde vielleicht dann sagen über den Vata-Mensch, „Kann der nicht mal Ruhe geben? Leben könnte so gemütlich sein. Muss denn immer diese Unruhe sein?“ Und über diesen Pitta-Menschen, „Was muss der immer mit dem Kopf durch die Wand und was schiebt der mich immer, was soll das denn? Entspannen, lass doch mal los. Fahr doch mal in Urlaub oder mach mal Pause oder geh mal nach Hause oder sonst etwas.“ Also, man kann sich entweder über andere ärgern und über sich natürlich auch. Manchmal denkt man ja als Vata-Mensch, „Ach, wäre ich doch ein Kapha-Mensch.“ und manchmal denkt man als Kapha-Mensch, „Ach, wäre ich doch ein Pitta-Mensch.“ Oder ein Pitta-Mensch, „Ach, wäre ich doch ein Vata-Mensch, dann könnte ich alles leichter sehen. Die tänzeln dort irgendwo dort rum und ich armer Mensch muss alle Arbeit machen.“ Jeder ist so, wie er ist und Krishna sagt ja, man soll seiner Natur folgen, seiner Prakriti folgen und das können wir für uns selbst machen und wir können es auch bei anderen akzeptieren. Und all das gehört irgendwo auch zu Titiksha dazu. Es klingt ein bisschen negativ formuliert, es aushalten zu können, aber letztlich heißt es, Dinge, die einem zunächst mal nicht passen, auch annehmen zu können. Das ist eine andere Bedeutung, Titiksha. Daran können wir auch arbeiten. Und wir können das dann sehen, also auch in Partnerschaften. Z.B. angenommen, beide sind Pitta, dann müssen natürlich beide aufpassen, dass sie sich nicht gegenseitig verbrennen. Wenn beide Vata sind, müssen sie aufpassen, dass sie sich nicht irgendwo verlieren. Vata können noch dazu in unterschiedliche Gegenden fliegen. Oder beide Kapha, da kann es sein, dass morgens keiner aus dem Bett kommt und der Urlaub nur liegen am Strand dort ist. Man kann zwar sagen, ist wenigstens Hitze, da kriegen sie das Pitta-Prinzip von oben draufgeführt. Aber am Strand liegen und zwischendurch den Magen vollgeben, ist auch nicht die Lösung. Aber oft, gleich und gleich verträgt sich relativ gut. Aber andererseits, angenommen, da ist ein Vata- und ein Pitta-Mensch zusammen, dann kann der eine sagen, „Ah, der gibt mir immer die Ideen.“ und der andere sagt, „Toll, mein Partner setzt dann auch einiges davon durch.“ Dann freut man sich. Oder der eine ist Pitta und der andere ist Kapha, dann dankt der Kapha-Mensch dafür, dass er neue Impulse öfters kriegt und aus dem Trott herauskommt. Er wird zwar immer schimpfen, wenn er schneller gehen muss bei den Spaziergängen, aber irgendwo weiß er, es ist auch gut für seine Gesundheit. Und der Pitta-Mensch wird öfters dazu gebracht, dass er mal Ruhe gibt, ein bisschen Freizeit nimmt, ein bisschen sich entspannt, auch wenn er sich immer wieder auch zwischendurch ärgert, dass er immer wieder gebremst wird. Aber in einer guten Beziehung weiß der Pitta-Mensch das zu schätzen, denn er weiß, „Das ist gut. So brauche ich nicht krank zu werden, sondern mein Partner oder meine Partnerin hilft mir dort.“ So gilt es, das anzuerkennen und das gilt genauso, wenn ihr in irgendeinem Team seid oder wenn ihr in einer Wohngemeinschaft seid oder in einem Ashram wohnt oder in einem Yogazentrum und verschiedene Yogalehrer habt. Dann habt ihr auch vielleicht einen Vata-Lehrer, der will ständig seine Unterrichtszeiten verändern und er will ständig woanders unterrichten. Da gibt es den Pitta. Das ist der, der irgendwo ein Ego auch hat und sich ärgert, wenn er nicht das kriegt, was er will. Und dann gibt es einen Kapha-Mensch. Den dazu zu bringen, irgendeine andere Stunde zu geben, als die, die er seit fünf Jahren gibt, ist nahezu unmöglich. Und in einem guten Yogazentrum hat man diese beständigen Yogalehrer, die immer das Gleiche machen. Man hat diese Pitta-Yogalehrer, die öfters irgendwie was durchsetzen. Da muss man aber aufpassen, dass man als Zentrumsleiter nicht zur Seite geschoben wird. Die würden gerne das Zentrum übernehmen. Wenn nicht, wenigstens die Schüler übernehmen in ihr eigenes Zentrum, das sie dann gründen werden. Und dann gibt es die Vata. Die sagen ständig ihre Stunden ab und wollen ständig was Neues machen und dann unterrichten sie nicht in der Kleidung, die eigentlich im Zentrum vorgeschrieben ist. Die fangen nicht mit dem Mantra an, mit dem man anfangen soll. Sie gehen zu immer anderen Schulen. Gut, sie bringen neue Ideen rein und man muss ihr Vata ein bisschen dämpfen, aber dafür bringen sie Ideen, die ein Zentrum sehr gut voranbringen können, solange man selbst eben der oder die Leiterin dann bleibt, wenn ihr ein Zentrum leitet. Genauso auch in eurem eigenen Geist. Natürlich ist der Mensch nicht nur Vata, nicht nur Pitta, nicht nur Kapha. Ich würde stark vermuten, die Mehrheit von euch ist sowohl Vata, als auch Pitta, als auch Kapha und in unterschiedlichen Situationen ist man mal das eine, mal das andere. Dennoch, viele haben vielleicht eines, was vorherrschend ist. Shraddha, irgendwo vertrauen, dass die eigenen Eigenschaften auch irgendwo ihren Sinn haben. Auch das Vertrauen, dass man durchaus weiter an sich arbeiten kann. Das Vertrauen, dass die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, genau die richtigen sind oder einem die richtigen Lektionen geben. Das Vertrauen, dass die Umstände, auch wenn man sie momentan nicht versteht, doch irgendwo die richtigen sind, dass wir daran wachsen. Und daraus dann dieses Samadhana, was dann eine tiefe Gelassenheit ist, die daraus entsteht, „Letztlich ist das alles ein relatives Spiel, in meiner wahren Natur bin ich Sat, Chid und Ananda.“ Das war jetzt eine einfache, ich meine, sehr praktikable Interpretation und wenn ihr probiert, das umzusetzen, das hoffe ich, dass euch wirklich das zu Samadhana verhilft.

Teil 28 der Niederschrift eines Vortrags im Rahmen eines Yogalehrer Ausbildungs-Seminars mit Sukadev Bretz bei Yoga Vidya Bad Meinberg. Thema dieses 9-tägigen Vedanta-Seminars war „Viveka Chudamani von Sankaracharya“. Erklärungen für die Sanskrit Ausdrücke findest du im Yoga Sanskrit Glossar. Dieser Blog ist nicht geeignet für Yoga Anfänger. Er ist vielmehr gedacht für Menschen, die sich in Yoga Philosophie auskennen und regelmäßig Meditation praktizieren, sich als spirituelle Aspiranten verstehen. Yoga Anfängern wird das Yoga Anfänger-Portal empfohlen.